Hybristophilie

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Hybristophilie (von griech. ὑβριστής hybristes „Übeltäter“, und φιλία philia „Freundschaft, Zuneigung“) ist eine Paraphilie, die darin besteht, dass sich Betroffene von Kriminellen, insbesondere Tätern aus den Bereichen der Sexual-, schweren Gewalt- und Tötungsdelikte, sexuell angezogen fühlen. Sie wird auch als Bonnie-und-Clyde-Syndrom bezeichnet.

Betroffene und Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frauen sind häufiger betroffen als Männer.[1] Es existiert wenig empirische Forschung zu den Ursachen der Hybristophilie.[2][3] Als mögliche Gründe werden Einsamkeit, geringes Selbstbewusstsein und der Wunsch nach Aufmerksamkeit genannt.[3] Da insbesondere Serien- und Massenmörder – vor allem in den USA – häufig zu Berühmtheiten der Populärkultur werden, wird außerdem vermutet, dass die Betroffenen die Nähe zu dem Verbrecher suchen, um selbst berühmt zu werden.[4] Ebenfalls existiert die evolutionspsychologische Ansicht, dass betroffene Frauen in kriminellen Männern Alphatiere sehen, auch wenn deren Zurschaustellung von Macht nicht sozial förderlich ist.[5]

Laut Sheila Isenberg handele es sich bei den betroffenen Frauen häufig um solche, die eine schwierige Kindheit durchlebten, d. h. missbraucht oder misshandelt wurden. In ihrem Buch Women Who Love Men Who Kill vertritt sie die These, dass diese Frauen deshalb einen Mann suchen, den sie kontrollieren können und der sie nicht verletzen kann: Dafür eigneten sich vor allem Männer, die hinter Gittern sitzen.

Es werden zwei Arten der Hybristophilie beschrieben. Bei der passiven Form fühlen sich die Betroffenen von Verbrechern sexuell angezogen, ohne den Wunsch zu haben, sich an den Straftaten des Partners zu beteiligen. Im Fall der aktiven Hybristophilie stiften die Betroffenen ihren Partner zu Straftaten an, leisten Beihilfe oder werden zu Mittätern, weil sie dadurch sexuelle Erregung verspüren.[6]

Der österreichische Psychiater Reinhard Haller unterscheidet gar drei Formen: erstens die sogenannten „Retterinnen“, die trotz aller Gegenbeweise an die „edle Seele des Mannes ihrer Wahl und an die erlösende Kraft ihrer Liebe“ glauben; zweitens die sogenannten „Seelenforscherinnen“, die vom Bösen fasziniert eine bessere Sicht auf Abgründe der eigenen Seele erhoffen sowie eine dritte Gruppe mit einem eher archaischen Motiv: „Da gehört das Morden, Töten und Schlachten zum Männlichen, die Frau identifiziert es mit Stärke, Schutz und Sicherheit.“ In fast allen Fällen werden die Taten des Kriminellen geleugnet oder bagatellisiert.[7]

Es handelt sich um eine für die Betroffenen potenziell schädliche Paraphilie, da sie sich durch den Kontakt zu Kriminellen der Gefahr aussetzen, selbst Opfer zu werden.[8]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sheila Isenberg: Women Who Love Men Who Kill. 3. Auflage. Backinprint.com, 2000, ISBN 0-595-00399-0.
  • Elisabeth Pfister: Wenn Frauen Verbrecher lieben. Ch. Links Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86153-744-1.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christine M. Sarteschi: Mass and Serial Murder in America. 1. Auflage. Springer, Schweiz 2016, ISBN 978-3-319-44280-8, S. 11.
  2. Liebesbriefe in den Knast: Wenn Frauen sich von Serienkillern angezogen fühlen In: Die Welt. 13. Dezember 2017, abgerufen am 24. Dezember 2017.
  3. a b Christine M. Sarteschi: Mass and Serial Murder in America. 1. Auflage. Springer, Schweiz 2016, ISBN 978-3-319-44280-8, S. 12.
  4. Christine M. Sarteschi: Mass and Serial Murder in America. 1. Auflage. Springer, Schweiz 2016, ISBN 978-3-319-44280-8, S. 12–13.
  5. a b Charlotte Allen: Dzhokhar Tsarnaev and his fangirls, Los Angeles Times, 22. Mai 2013.
  6. Passion Victim. A brief look at hybristophilia. In: Psychology Today. 18. Oktober 2013, abgerufen am 24. Dezember 2017.
  7. Die befreiende Macht der Liebe, FAZ.net, 15. Februar 2016, abgerufen am 21. September 2021.
  8. Robert M. Worley, Vidisha Barua Worley: Deviant Behavior. In: H. James Birx (Hrsg.): 21st Century Anthropology: A Reference Handbook. Volume 1. SAGE, Thousand Oaks, CA 2010, ISBN 978-1-4129-5738-0, S. 825.
  9. a b What Is Hybristophilia? In: Refinery29.com, abgerufen am 25. August 2017.
  10. Women Who Love Serial Killers. In: PsychologyToday, abgerufen am 25. August 2017.
  11. Roy Ratcliff, Lindy Adams: Dark Journey, Deep Grace: Jeffrey Dahmer’s Story of Faith. Leafwood Publishers, Abilene, Texas 2006, ISBN 978-0-9767790-2-5, S. 304–305.
  12. Sascha Cohen: Die Amokläufer von Columbine, ihre weibliche Fangemeinde und ich. In: VICE. VICE Media, 25. April 2016, abgerufen am 8. Juli 2018.
  13. Luka Rocco Magnotta Fans Profess Support, 'School-Girl Crush' On Alleged Killer. In: The Huffington Post. 7. September 2012.
  14. The 10 Most Infamous Murderers Who Married in Prison In: Rolling Stone. 24. November 2014, abgerufen am 25. August 2017.
  15. Mario Fox: Chicago Paper To Publish Mass Murderer's Love Letters, Associated Press, 27. Februar 1988.
  16. Cellar monster Josef Fritzl receives hundreds of love letters, Dailymail.co.uk, 4. Juni 2008.
  17. Melissa Jeltsen: Chris Watts Killed His Family. Then The Love Letters Started Rolling In., Huffpost, 14. Dezember 2018.
  18. Kastilisch Medrano: The Possible Psychological Disorder of ‘Suicide Squad’’s Harley Quinn. In: Inverse. 5. August 2016, abgerufen am 26. August 2018.