Interhotel

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Das 26-geschossige Interhotel „Kongreß“ in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) zur Eröffnung im Februar 1974

Interhotel war eine am 1. Januar 1965 gegründete Hotelkette in der DDR. Interhotels waren Hotels der gehobenen Klasse, in denen bevorzugt Gäste aus dem sozialistischen Ausland (SW), den „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebieten“ (NSW) und des FDGB der DDR (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) beherbergt wurden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hotel Merkur in Leipzig, 1981 (Bildmitte: Gebäude im Hintergrund)
Das Hotel Elephant in Weimar
Das Grandhotel Berlin, 1987 als eines der bedeutendsten Interhotels eröffnet

Ursprünglich bestand die Hotelkette aus je einem Hotel in Berlin, Erfurt, Jena und Magdeburg, zwei Hotels im damaligen Karl-Marx-Stadt und fünf Hotels in der Messestadt Leipzig. Die sogenannten „Devisenhotels“[1], Fünf-Sterne-Häuser, standen nahezu ausschließlich Besuchern aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ (NSW) offen, die Bezahlung hatte durch sie in frei konvertierbaren Währungen zu erfolgen. Sie unterstanden indirekt dem Bereich Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel.[2]

Das „Metropol“, das „Palasthotel“ und das „Grand Hotel“ in Berlin, das „Merkur“ in Leipzig, das „Bellevue“ und der „Dresdner Hof“ in Dresden zählten zu dieser Gruppe; auch das „Domhotel“ in Berlin und das „Belvedere“ in Weimar – die jedoch erst nach der Währungsunion eröffnet wurden – sollten noch hinzukommen. Das „Interhotel Potsdam“ und das „Hotel Panorama“ in Oberhof wurden ebenfalls als Fünf-Sterne-Häuser geführt.

Den Besuchern aus dem NSW wurden Leistungen nach internationalem Standard geboten, einschließlich Gastronomie, Kongress- und Bankettmöglichkeiten sowie verschiedene Freizeitangebote.[3] Durch entsprechende Verträge mit westdeutschen Autovermietern war es NSW-Gästen sogar möglich, einen West-PKW (vor allem Fiat, Renault, Volvo) zu mieten.[4] In sämtlichen Interhotels war zudem ein Intershop-Devisenladen eingerichtet.

In Vier-Sterne-Häusern wurden oft Gäste des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) und aus den Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe untergebracht. Ein bekanntes Beispiel ist das „Hotel Stadt Berlin“ in Ost-Berlin, das vor allem als Hotel für sowjetische Gäste galt. Die niedrigste Kategorie von Interhotels waren einige Drei-Sterne-Häuser, vor allem in kleineren Städten, wie beispielsweise das traditionsreiche, aber baulich vernachlässigte „Hotel Elephant“ in Weimar. Nach internationalen Maßstäben waren die Interhotels bis auf Ausnahmen jeweils etwa einen Stern zu hoch eingestuft.

Nahezu alle Hotels der gehobenen Klasse in der DDR waren Interhotels; bekannte Ausnahmen stellten das HO-Hotel Neptun in Warnemünde und das (dem Reisebüro der DDR zugehörige) Hotel Cecilienhof in Potsdam dar. In den meisten Bezirksstädten existierten Interhotels, aber auch in Jena (bis Anfang der 1980er Jahre: Hotel International) und Oberhof (Hotel Panorama).

1987–89 ließ die Interhotelkette das Hotel Dresdner Hof (1990 Eröffnung; seit 1992 Hilton Dresden) bauen. Außerdem begann der Bau des Domhotels am Berliner Gendarmenmarkt, das aber schon kurz nach seiner Eröffnung 1991/92 an Hilton verkauft wurde. In Weimar war bereits seit Jahren die Baugrube für das Hotel Belvedere ausgehoben, das jedoch erst 1991 eröffnet und bereits kurz danach ebenfalls von Hilton betrieben wurde.

Nach der Wiedervereinigung wurden zahlreiche Interhotels von der Treuhandanstalt verwaltet und von der Interhotel AG weitergeführt. 1991 fand ein Verkauf an die Klingbeil-Gruppe statt.

Die Deutsche Interhotel GmbH hat 1994 das Hotel Schwarzer Bock in Wiesbaden gekauft.[5]

Die Deutsche Bank und die Depfa Bank haben die Deutsche Interhotel Holding GmbH & Co. KG mit allen Häusern im Jahr 1995 von der Berliner Trigon-Gruppe (vormals Klingbeil-Groenke-Guttmann-Gruppe) übernommen. Die Deutsche Bank hielt 45,6 Prozent an der Deutschen Interhotel, die Aarealbank hielt etwa ein Drittel. Zu den von dem Finanzinvestor nun übernommenen Interhotels zählt auch das The Westin Grand Berlin an der Friedrichstraße.

Im Dezember 2006 wurden die verbliebenen Hotels der Deutschen Interhotel an die Blackstone Group für ca. 750 Mio. € verkauft. Der amerikanische Finanzinvestor Blackstone, der zuvor das Sheraton Frankfurt-Airport für 168 Millionen Euro sowie das Grand Hotel Esplanade in Berlin erworben hatte, hat zwölf Häuser der Interhotel-Gruppe erworben.

Standorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hotel Metropol, Berlin, 1977
Hotel Astoria, Dresden, 1951
Interhotel Gera, 1967
Ehemaliges Hotel International, Jena, 1989
Hotel Chemnitzer Hof, 2010
Hotel Moskau, Karl-Marx-Stadt, 1962
Hotel am Ring, Leipzig, 1974
Hotel Zum Löwen, Leipzig, 1974
Hotel International, Magdeburg, 1980
Hotel Vier Tore, Neubrandenburg, 1990
Hotel Warnow, Rostock, 1969
Hotel Thüringen-Tourist, Suhl, 1967
Modell des in Weimar zu errichtenden Hotels Belvedere

Berlin

Dresden

Erfurt

Gera

Halle

  • Hotel Stadt Halle – 1966 eröffnet, von 1992 bis 2015 Maritim Hotel Halle, Abriss beantragt, von 2015 bis 2023 mehrmals zeitweilig Flüchtlingsunterkunft[13]

Jena

  • Hotel International – 1963 erbaut, 1965 bis Anfang der 1980er Jahre Interhotel, 1997 abgerissen

Karl-Marx-Stadt

Leipzig

Magdeburg

Neubrandenburg

  • Hotel Vier Tore – in den 1950er Jahren als Hotel zu den vier Toren gebaut und von der Handelsorganisation HO betrieben, 1972 Erweiterung und Umbenennung zu Hotel Vier Tore[15], ab 1990 Interhotel, ab 1995 Radisson SAS[16], ab 2009 Radisson Blu, 2016 abgerissen; heute dort: Einkaufszentrum

Oberhof

Oberwiesenthal

  • nicht realisiert: Interhotel – stattdessen wurde 1972–75 das FDGB-Ferienheim Am Fichtelberg errichtet; seit 1990er Jahre AHORN Hotel Am Fichtelberg[17]

Potsdam

Rostock

  • Hotel Warnow – das Haus sollte ursprünglich ein Arbeiterwohnheim werden, ist 1967 jedoch als Hotel eröffnet worden; seit den 1990er Jahren Radisson SAS / Radisson Blu, 2001 geschlossen und abgerissen; 2005 Eröffnung des Neubaus

Suhl

Weimar

Interhotels und Ministerium für Staatssicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Interhotels standen unter der Beobachtung der Hauptabteilung VI des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Abteilung Touristik. Das MfS versuchte, sowohl die Aktivitäten internationaler Gäste zu überwachen als auch nachrichtendienstlich zu nutzen. Oft wurden kompromittierende Situationen konstruiert (Einsatz von als IM verpflichteten Prostituierten in audio- und videoüberwachten Hotelzimmern), um den Betroffenen zur Mitarbeit zu „bewegen“. Aufgrund der Kontaktmöglichkeiten mit Reisenden aus dem kapitalistischen Ausland war auch der IM-Prozentsatz der Hotelbelegschaft überproportional hoch.[21][22] Besonders im Fokus standen Hotels, an denen politische Weichenstellungen diskutiert wurden, wie das Hotel Bellevue in Dresden.[23]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Günter Hofmann (Gesamtleitung): Interhotel Katalog DDR. Selbstverlag Vereinigung Interhotel DDR, Berlin o. J. (1976)
  • Die Aufgaben der Vereinigung INTERHOTEL, Autor: Diplomwirtschaftler Heinz Staratzke, Berlin; Berlin 31. Januar 1965; Verlag Die Wirtschaft
  • Verordnung über die Bildung der Vereinigung INTERHOTEL des Ministerrats der DDR vom 22. Oktober 1964

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1991: Klingbeil. Verkauf der Interhotels (BRD 1991). Cintec Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH (DEFA-Filmstiftung [1])
  • 2020: Interhotel – Glanz, Verfall und Auferstehung. (Dokumentarfilm nach einer Idee von Jost Bösenberg, Buch und Regie: Reinhard Joksch, Eine Produktion der Dokfilm Fernsehproduktion GmbH im Auftrag des MDR, Länge: 90 Minuten, EA: 29. Dezember 2020)[24]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Interhotel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Interhotel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hotel der Spione: Das 'Neptun' am Ostseestrand in Warnemünde
  2. Da kriegst du alles, was es nicht gibt. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1985, S. 131 ff. (online7. Oktober 1985, hier S. 140).
  3. Tourist-Verlag Berlin / Leipzig, Reiseatlas der DDR, 4. Auflage 1988, Seite 203
  4. https://www.zeit.de/1985/30/ddr-rent-a-car/komplettansicht
  5. http://www.voelcker-hospitality.de/downloads/05_GRANDHOTEL_SCHWARZER_BOCK_Juni_1987_bis_Dez_1993.pdf
  6. https://www.das-neue-dresden.de/hotel-bellevue-1985.html
  7. https://www.das-neue-dresden.de/hotel-hilton.html
  8. Kay Haufe: Prager Straße Dresden: Aus dem alten Lilienstein-Hotel wird Holiday Inn Express. In: Sächsische Zeitung. 6. Dezember 2023, abgerufen am 17. Dezember 2023.
  9. https://www.das-neue-dresden.de/hotel-astoria.html
  10. https://www.saechsische.de/plus/dresdner-bastei-wird-jetzt-50-jahre-5075232.html
  11. Tanja Scheffler: Dresden | Deutschland Archiv. In: bpb.de. 6. Dezember 2012, abgerufen am 13. Februar 2024.
  12. http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Hotel_Gera
  13. Richard Haimann: Flüchtlinge: So viel Geld kriegen Hotels von den Städten. In: welt.de. 16. Dezember 2015, abgerufen am 27. Januar 2024.
  14. https://chemnitz-gestern-heute.de/vom-moskau-zum-hotel-an-der-oper/
  15. Marktplatz (Neubrandenburg)
  16. http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?HotelVierTore
  17. https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/2696/file/heft_heritage_06_spiegel_pdfa.pdf
  18. https://www.tophotel.de/achat-waechst-auf-50-hotels-275622/
  19. https://www.tophotel.de/hotelmarkt-weimar-elephant-schliesst-bis-ende-2018-18428/
  20. Belvederer Allee
  21. „Ich sollte Herren im Hotel aushorchen“. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1976, S. 67 (online15. November 1976).
  22. Stasi: Leichte Nahrung. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1990, S. 97–103 (online10. Dezember 1990).
  23. Der Stasi-Schatten über dem "Dresdner Hof": Die Kontrolle von DDR-Devisenhotels begann lange vor ihrer Eröffnung
  24. dokfilm. Abgerufen am 27. Dezember 2020.