Interstitielle Nephritis

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aufgeschnittene Niere eines Rehs mit punktuellen Einblutungen
Amtstierärztlich festgestellte akute Nephritis bei einem Reh
Niere mit punktuellen Einblutungen
Amtstierärztlich festgestellte akute Nephritis bei einem Reh.
Klassifikation nach ICD-10
N12 Tubulointerstitielle Nephritis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die interstitielle Nephritis oder tubulo-interstitielle Nephritis (von lateinisch tubulus „Röhrchen“, in der Bedeutung von Nierenkanälchen, lateinisch interstitium „Zwischenraum“, altgriechisch νεφρός nephrós „Niere“ und -itis für „entzündliche Krankheit“) ist eine entzündliche Erkrankung der Nieren, bei der das Zwischengewebe Hauptsitz der Nierenentzündung ist. Eine durch bakterielle Entzündung bedingte interstitielle Nephritis bezeichnet man als Pyelonephritis.

Häufigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Relativ seltene Erkrankung, etwa 2–3 % aller Nierenbiopsien und ca. 7–15 % aller Fälle von akutem Nierenversagen. Die jährliche Inzidenz steigt allerdings an.

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ursachen sind vielfältig und umfassen Schäden durch Giftstoffe, Medikamente, Virusinfektionen oder Strahleneinwirkung. Zumeist sind es Noxen wie Medikamente (z. B. β-Lactam-Antibiotika, Aminoglykoside, Nichtsteroidale Antiphlogistika und andere Schmerzmedikamente, H2-Antagonisten, Antikonvulsiva sowie Harnsäure senkende Medikamente), aber auch Virusinfektionen (z. B. Hantaviren) und Autoimmunerkrankungen (z. B. Sarkoidose) können dieser Erkrankung zugrunde liegen.

Pathologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pathogenetisch findet sich eine akut toxische oder allergische Reaktion. Es entwickelt sich eine Entzündung primär der Nierenkanälchen und des angrenzenden Interstitiums mit allenfalls geringem Gehalt an neutrophilen Granulozyten im entzündlichen Infiltrat. Diese Infiltrate bestehen aus Lymphozyten, Plasmazellen, Histiozyten und – bei allergischer Genese – eosinophilen Granulozyten in den Tubuli und im angrenzenden Interstitium. Bei medikamentenassoziierter nichteitriger interstitieller Nephritis können auch Granulome vorliegen. Bei einer Sarkoidose sind die Granulome häufig konfluierend.

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unspezifische Symptome wie Fieber, Hautausschlag und Gelenkschmerzen treten in weniger als 15 % der Fälle auf.

Labor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es findet sich häufig eine Proteinurie vom tubulären Typ. Dabei ist das α1-Mikroglobulin im Urin erhöht.[1]

Therapie und Prognose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine evidenzbasierte Behandlung ist bislang nicht bekannt. Die wichtigste Maßnahme besteht im Absetzen der auslösenden Noxe. In Frage kommt auch eine Therapie mit intravenösen oder oralen Kortikoiden. In jüngster Zeit wurde ein Therapieversuch mit Mycophenolat-Mofetil (MMF) vorgeschlagen. Nach Entfernung der auslösenden Noxe heilen ca. 60 % der Fälle aus, eine chronische Nierenerkrankung entwickelt sich in ca. 40 % der Fälle.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1878 erstmals beschrieben von Jean-Martin Charcot in Lectures on Bright’s Disease of the Kidneys. Er unterschied eine akute Phase, die nur anhand von Autopsien zufällig verstorbener Individuen untersucht werden konnte, von einer chronischen Phase, die über einen langen Zeitraum zum Tod führte. Ausgehend von mikroskopischen Untersuchungen folgerte er, dass die akute Phase gekennzeichnet sei durch Infiltration mit Leukozyten, während das Epithel der Nierentubuli anfangs gesund erscheine. In späteren Stadien der Erkrankung sei das tubuläre Epithel erweitert, beschädigt und in fibrilläres Bindegewebe eingebettet. 1898 erkannte William Thomas Councilman die akute interstitielle Nephritis erstmals als eine eigenständige Erkrankung, als eine postinfektiöse Komplikation von Diphtherie und Scharlach.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laborbefunde bei interstitieller Nephritis aus Klinik und Forschung, 2013