Jüdische Gemeinde Olmütz

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Gedenktafel für die durch die Nationalsozialisten niedergebrannte Synagoge

Die selbständige Jüdische Gemeinde in Olmütz, heute Olomouc in Tschechien, entstand 1892 aus dem jüdischen religiösen Verein. Eine jüdische Besiedlung in Olmütz wird jedoch etwa ab dem 11. Jahrhundert angenommen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine mögliche Anwesenheit jüdischer Einwohner im heutigen Olmütz soll in der sogenannten Raffelstettener Zollordnung von 906 erwähnt worden sein.[1] Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass jüdische Kaufleute erst im 11. Jahrhundert in Olmütz ansässig wurden, denn 1140 erwähnte der reisende Rabbiner Isaak ben Dorbolo[Anm 1] in einem Schriftstück ein bereits existierendes jüdisches Viertel in – wie er es nannte – Olmijz beziehungsweise Almijz.[2][3] Am 20. September 1278 bestätigte der Römisch-deutsche König Rudolf I. in einem Erlass die Privilegien für die jüdische Bevölkerung von Olmütz.[4]

Bereits 1454 verbannte jedoch der böhmische König Ladislaus Postumus die Juden aus Olmütz und aus anderen mährischen sogenannten Königsstädten, sie mussten sich ab dem 11. November 1454 in kleineren Gemeinden ansiedeln; ihre Immobilien erhielten die Städte, die jedoch verpflichtet wurden, die bisherigen jüdischen Steuern zu übernehmen. 1745 bestätigte Erzherzogin Maria Theresia in ihrer Eigenschaft als Königin von Böhmen diese Praxis für Olmütz. Die folgende „Toleranzsteuer“ Maria Theresias (1748) oder das Toleranzpatent Josephs II. (1782) brachten keine wesentliche Verbesserung. Die Schranken fielen erst nach 1848, als die antijüdischen Verordnungen zwar de jure noch galten, aber nicht eingehalten wurden. Danach stieg die jüdische Bevölkerungszahl in Olmütz wieder.[5]

1865 wurde in Olmütz ein jüdischer Religiöser Verband gegründet, aus dem 1892 die selbständige Jüdische Gemeinde hervorging, deren erster Rabbiner Berthold Oppenheim wurde. 1897 fand in Olmütz der 1. Sionistenkongress der Österreichisch-ungarischen Monarchie statt; es gab zahlreiche Vereine wie Chewra Kadischa, ab 1893 Frauenwohltätigkeitsverein, ab 1901 der Sportverein TJ Makkabi und andere. Insbesondere wurde in Olmütz zwischen 1895 und 1897 die Synagoge erbaut. Während des Ersten Weltkrieges suchten in Olmütz mehrere Hundert Flüchtlinge aus Galizien Zuflucht.[4][6]

Mit der Besetzung der Resttschechei 1939 wurde die jüdische Gemeinde zerschlagen und ihr Eigentum arisiert. Die Synagoge wurde gleich in der Nacht vom 15. auf 16. März 1939 durch deutsche aber auch tschechische nationalsozialistische randalierende Gruppen angegriffen, angezündet und niedergebrannt. In mehreren Transporten wurden insgesamt 3498 jüdische Einwohner in Konzentrationslager deportiert, von denen lediglich etwa 200 den Holocaust überlebten.[Anm 2][2] Es handelte sich um folgende Transporte[4][7]:

26. Juni 1942 Transport AAf 900 Personen
30. Juni 1942 Transport AAg 900 Personen
4. Juli 1942 Transport AAm 900 Personen
8. Juli 1942 Transport AAo 745 Personen
11. Januar 1944 Transport Ez 1 Person[Anm 3]
7. März 1945 Transport AE7 53 Personen

Eine namentliche Zusammenstellung aller aus Olmütz deportierten Juden befindet sich auf den Seiten des Projektes Zmizelí sousedé Olomouc (Verschwundene Nachbarn Olmütz).[8][Anm 4]

Entwicklung der jüdischen Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem der Zuzug von Juden nach Olmütz wieder ermöglicht wurde, entwickelten sich die Bevölkerungszahlen der Olmützer Juden wie folgt[1][9]:

1857 72
1869 747 aus insgesamt 14.394 Einwohner
1880 1.254 aus insgesamt 18.549 Einwohner (etwa 6,2 Prozent)
1890 1.306 aus insgesamt 19.761 Einwohner
1900 1.676
1910 1.679 aus insgesamt 21.707 Einwohner
1921 2.077 aus insgesamt 57.206 Einwohner
1928 2.400 (die drittgrößte Gemeinde in Mähren[10])
1930 2.198 aus insgesamt 66.440 Einwohner
1933 2.198
1941 4.000 (ca.)

Die Gemeinde heute, Stolpersteine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die jüdische Gemeinde wurde 1945 durch die Überlebenden des Holocaust erneuert. Sie konnte sich während der kommunistischen Herrschaft nicht behaupten und wurde 1962 als eine Synagogalgemeinde Teil der Jüdischen Gemeinde Ostrava. Erst am 1. April 1991 wurde sie wieder gegründet und außer für Olmütz wurde sie auch für die mährischen Städte Šumperk, Jeseník, Bruntál und Přerov zuständig.[4]

Nachdem in Olmütz 2011 die ersten Stolpersteine verlegt wurden, damals noch vom Erfinder Gunter Demnig selber[11], wurde die Jüdische Gemeinde auch in diesem Bereich aktiv und initiierte selber mehrere Verlegungen von Stolpersteinen:

  • am 29. Oktober 2012 (42 Steine)[12]
  • am 18. September 2014[13]
  • am 22. April 2015[14]
  • am 14. November 2017 in Zusammenarbeit mit dem Senat der Stadt[15]

Neben sechs Verlegungen von G. Demnig hat die Gemeinde somit bis Herbst 2017 vier eigene Verlegungen initiiert und durchgeführt, darunter auch die Verlegung der vermutlich ersten Stolperschwelle in ganz Tschechien am 14. November 2017.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andere Schreibweisen für den Vornamen: Izak, Izaak, Isaac; für den Nachnamen: Dorbalo, Durbal; siehe z. B. DORBOLO or DURBAL, ISAAC BEN, in: Jewish Encyclopedia 1906, online auf: jewishencyclopedia.com/..., Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Stichwort Olmütz (Mähren), online auf: jüdische-gemeinden.de/und andere.
  2. Die Deportationen hatten zuerst das KZ Theresienstadt als Ziel, von dort wurden dann die Häftlinge in der Regel in andere Konzentrations- beziehungsweise Vernichtungslager weiter transportiert.
  3. Der Transport Ez vom 11. Januar 1944 mit einer Person ist in den meisten Quellen nicht berücksichtigt, somit waren es insgesamt 3499 Personen.
  4. Das Dokumentationsprojekt des Jüdischen Museums, entstanden 1999, läuft in zahlreichen Gemeinden und Städten der Tschechischen Republik und steht unter der Schirmherrschaft der Präsidentenkanzlei und des Ministeriums für Bildung; siehe pocta-obetem.cz/...

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Stichwort Olmütz (Mähren), online auf: jüdische-gemeinden.de/
  2. a b Pavel Frýda: Olomouc-synagoga (Olmütz-Synagoge) - Stručně k historii olomoucké synagogy a zdejších židovských obyvatel, online auf: zanikleobce.cz/...
  3. Židé v Olomouci, Portál Olomouc, online auf: spqo.cz/...
  4. a b c d Historický vývoj, historischer Überblick der Jüdischen Gemeinde Olmütz, online auf: kehila-olomouc.cz/...
  5. Chaim Frank: Juden in der ehemaligen Tschechoslowakei, Teil 4: Barock, online auf: hagalil.com/... (deutsch)
  6. OLOMOUC: Moravia, Bericht des International Jewish Cemetery Project, online auf: iajgsjewishcemeteryproject.org/... (Memento des Originals vom 17. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iajgsjewishcemeteryproject.org
  7. Liste aller Transporte nach Theresienstadt (sortiert nach Abfahrtsort), Datenbank des Instituts Theresienstädter Initiative, online auf: katalog.terezinstudies.cz/...
  8. Židé v Olomouci. Historický vývoj židovské komunity v Olomouci, eine Arbeit der Schule M. Horáková in Olmütz, entstanden im Rahmen des Projektes „Zmizelí sousedé“ (Verschwundene Nachbarn), online auf: pocta-obetem.cz/...
  9. Lidé. Vývoj počtu obyvatel, významné osobnosti, Angaben der Jüdischen Gemeinde Olmütz, online auf: kehila-olomouc.cz/..., englische Version People and Personalities, online auf: kehila-olomouc.cz/...
  10. MUDr.Vladimír Jorda: PhDr. Berthold Oppenheim, Lebenslauf geschrieben für die Jüdische Gemeinde Olmütz, online auf: kehila-olomouc.cz/...
  11. Chronikseite von Demnigs Webseite, online auf: stolpersteine.eu...
  12. V Olomouci přibyly další Kameny zmizelých. Připomínají zavražděné, in: Olomoucký deník 30. Oktober 2012, online auf: olomoucky.denik.cz/...20121029; Kameny, o které byste měli zakopnout, auf dem offiziellen Webportal der Stadt Olmütz, Ausgabe vom 16. November 2012, online auf: olomouc.eu/...
  13. Odpůrce nacistů Šanta má svůj Stolperstein. Vedle Šantovky, in: Olomoucký deník vom 18. September 2014, online auf: olomoucky.denik.cz/...20140918
  14. Olomouc má další kameny zmizelých. Připomínají i studenta, co přežil Treblinku, in: Olomoucký deník vom 22. April 2015, online auf: olomoucky.denik.cz/...20150422
  15. Z olomoucké školy odjížděli lidé na smrt. Teď je v chodníku Stolperschwelle, in: Olomoucký deník vom 15. November 2017, online auf: olomoucky.denik.cz/...20171115

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Chaim Frank: Juden in der ehemaligen Tschechoslowakei, Geschichtsabriss in 11 Teilen, online auf: hagalil.com/... (deutsch)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Webseite der Jüdischen Gemeinde Olmütz (Židovská obec Olomouc / Kehila Olomouc): tschechisch, englisch