Jean Colombe

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Miniatur Jean Colombes aus den Très Riches Heures
König Philipp II. von Frankreich mit seinem Heer bei der Abfahrt zum Dritten Kreuzzug; unten Versenkung eines feindlichen Schiffes. Buchmalerei Jean Colombes in den Passages d’outremer des Sébastien Mamerot in der 1474/1475 angefertigten Handschrift Paris, Bibliothèque nationale de France, Fr. 5594, fol. 211r

Jean Colombe (* um 1430; † um 1493) war ein französischer Buchmaler, der ab 1463 in Bourges nachweisbar ist.[1] Er war wohl der Bruder des Bildhauers Michel Colombe. Jean Colombe stand unter anderem im Dienst der Königin Charlotte von Savoyen[2] und wird ab 1486 auch als Hofminiator des Herzogs Karl I. von Savoyen genannt. Aus dieser Zeit stammt auch die heute zwischen Paris und Brüssel aufgeteilte Histoire de Merlin, die vom Meister des Charles de France begonnen und von Colombe wohl ebenfalls im Auftrag des savoyardischen Herzogs vollendet wurde.[3] Jean Colombe hatte zwei Söhne, Philibert und François, von denen der ältere, Philbert, 1493/94 das Haus in Bourges übernahm.[4] François muss vor dem 15. Mai 1512 verstorben sein, während er mit seinem Onkel Michel Colombe am Grabmal des verstorben savoyardischen Herzogs Philibert von Savoyen in Brou im Auftrag von Margarete von Österreich arbeitete.[5]

Colombe illuminierte um 1475 für Louis de Laval das Werk von Sébastien Mamerot: Les Passages d'oultre mer du noble Godefroy de Bouillon, du bon roy Saint Loys et de plusieurs vertueux princes. Um 1472 hatte er bereits die ebenfalls von Mamerot redigierte histoire des neuf preux et des neuf preuses zusammen mit dem nach dieser Handschrift benannten Meister des Wiener Mamerot[6] ebenfalls für Louis de Laval illuminiert.[7] Um 1485 vollendete er im Auftrag des Herzogs von Savoyen die berühmte Handschrift der Très Riches Heures, die die Brüder von Limburg für den Duc de Berry bis 1416 begonnen hatten.[8] Für den gleichen Auftraggeber hat er zwischen 1485/89 die Apokalypse der Herzöge von Savoyen[9] vollendet, die zwischen 1428 und 1434 von Jean Bapteur und Péronet Lamy begonnen wurde.

Zu den wichtigsten Arbeiten Colombes zählt das um 1469/70 begonnene und wohl zehn Jahre später vollendete Stundenbuch für Louis de Laval.[10] Er steht in der Nachfolge Jean Fouquets, ohne dessen Meisterschaft zu erreichen. Trotzdem scheint er der dominierende Miniaturmaler seiner Zeit mit einer großen Werkstatt gewesen zu sein und unter anderem die Schule von Rouen nachhaltig beeinflusst zu haben.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Delcourt, Thierry: Die Passages d’Outremer, ein Meisterwerk der französischen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts. In: Mamerot, Les Passages d’Outremer. Eine Chronik der Kreuzzüge. Thierry Delcourt, Danielle Quérel, Fabrice Masanès (Hrsg.), Köln: Taschen, 2009, S. 20–23 (ISBN 978-3-8365-0501-7).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1463 mietete Jean Colombe ein Haus gemeinsam mit dem Schreiber Clement Thiebaut in Bourges
  2. U.a. die douze perils d'enfer in Paris, BnF, Ms. fr. 449.
  3. Brüssel, KBR, Inv. 9246 (Bd. 1) und Paris, BnF, Ms. fr. 91 (Bd. 2), Die Handschrift wurde 1480 vom Genfer Bischof Jean-Louis von Savoyen in Auftrag gegeben. Nach seinem Tod 1482 ging die Handschrift vermutlich in den Besitz seines Neffen, Karls des I. von Savoyen
  4. Daraus wird gelegentlich das Todesdatum Jean Colombes abgeleitet, der aber erst in Rechnungsbelegen von 1497 als verstorben genannt wird
  5. s. zuletzt Jean-Yves Ribault: Les Colombe, une famille d'artistes à Bourges au XVe siècle. In: Jean-René Gaborit (Hrsg.): Michel Colombe et son temps. (Congrès National des Sociétés Historiques et Scientifiques, 124e, Nantes, 19–26 avril 1999). Editions du CTHS, Paris 2001, ISBN 2-7355-0451-4, S. 13–26.
  6. auch Meister des Yale Missale nach der Hs in der Yale University, Beinecke Library, Ms. 425
  7. Wien, ÖNB, Cod. 2577-78. Diese Fassung ist die einzige erhaltene der Kompilation von Sebastien Mamerot, die ursprünglich auch eine Geschichte des Godefroy de Bouillon enthalten sollte. Die Abschrift ist von Robert Bryart aus Troyes auf 1472 datiert, obwohl die Arbeit am Text bereits in den 1460er Jahren begann. Zur Handschrift siehe: Otto Pächt, Dagmar Thoss: Französische Schule. (= Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters. Reihe 1: Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibliothek. Bd. 1 = Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften. 118). Textband 1. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1974, ISBN 3-7001-0063-9, S. 68 ff.
  8. Chantilly, Musee Conde, Ms. 65
  9. El Escorial, Biblioteca del Real Monasterio, Cod. E. Vitr. 5, die gelegentliche Frühdatierung der Vollendung auf 1482 resultiert aus einer falschen Lesung der savoyardischen Rechnungsbelege, die in einer zweiten Edition redigiert wurde. Die Apokalypse wurde nach den Tres Riches Heures vollendet
  10. Paris, BNF, Ms. lat. 920. Die wesentlichen Beobachtungen zu den zwei Arbeitsphasen bei François Avril im Ausst.-Kat. Les manuscrits à peintures en France. 1440-1520, Paris 1993. Zuvor wurde die Hs allgemein in die 1480er datiert