Johann Wegelin (SA-Mitglied)

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Johannes Ludwig „Johann“ Wegelin (* 21. Juli 1900 in Riesa; † 15. Mai 1968 in Glückstadt[1]) war ein deutscher SA-Angehöriger. Er wurde bekannt als einer der Angeklagten im „kleinen“ Hitler-Putsch-Prozess von 1924.

Leben und Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegelin im Kreis der Angeklagten des „Kleinen Hitler-Prozesses“

Wegelin war ein Sohn des Wilhelm Johann Ludwig Wegelin und seiner Ehefrau Helene Elise, geb. Junge. Kurz nach seiner Geburt wurde sein Vater als Polizeidirektor nach Freiberg in Sachsen versetzt, wo er nach halbjähriger Tätigkeit verstarb. Die Mutter siedelte mit Johann Wegelin und seinem Bruder Kurt daraufhin nach Leipzig über. Dort besuchte er von 1905 bis 1909 die höhere Bürgerschule und von 1909 bis 1917 die Oberrealschule.

Nach der Ablegung seiner Schlussprüfung rückte Wegelin Ende 1917 während des Ersten Weltkriegs als Freiwilliger beim sächsischen Feldartillerie-Regiment Nr. 77 in Leipzig ein. Im Februar 1918 kam er mit dem Feldartillerie-Regiment Nr. 78 an den westlichen Kriegsschauplatz, wo er bis Kriegsende an den dortigen Kämpfen teilnahm.

Nach dem Krieg führte Wegelin die Bezeichnung eines „Leutnants a.D.“.[2]

Im Juni 1922 trat Wegelin in die NSDAP ein. Seit dem 1. November 1922 bekleidete er eine Sekretärsstelle beim Oberkommando der Sturmabteilung der NSDAP. Während des Jahres 1923 gehörte Wegelin neben Heinrich Bennecke und Walter Baldenius zu den führenden Mitgliedern des in der Schellingstraße 39 untergebrachten und von Hermann Göring geführten Oberkommandos der SA.[3] Zeitgenössisch wurde er u.a. als "1. Geschäftsführer der Sturmabteilungen" bezeichnet.[4]

Am 24. Januar 1923 beteiligte Wegelin sich am Sturm auf das Hotel Grünwald. Dabei handelte es sich um einen Überfall von mehr als hundert Angehörigen der SA, der auf dieses Hotel infolge der Besetzung des Ruhrgebietes durch die französische Armee Mitte Januar 1923 ausgeführt wurde. Grund für den Überfall auf das Hotel war das in München umlaufende Gerücht, dass französische Angehörige der Überwachungskommission der Siegermächte des Ersten Weltkriegs in dem Hotel wohnen würden. Diese hatte in München darüber zu wachen, dass die Deutschen die ihnen durch den Versailler Vertrag auferlegten Abrüstungsbestimmungen einhielten. Dieses Gerücht in Kombination mit dem französischen Einmarsch im Ruhrgebiet und der Ankunft des aus der Pfalz am selben Tag ausgewiesenen Regierungspräsidenten für die Pfalz, Chlingensperg war der Auslöser der Geschehnisse.

Eine mehr als tausendköpfige Menschenmenge zog am Abend des 24. Januar 1923 nach einem großen vaterländischen Empfang für den am Abend am Hauptbahnhof von München eintreffenden ausgewiesenen Regierungspräsidenten vor das Hotel Grünwald, um dort gegen den Zustand zu demonstrieren, dass nach den „empörenden“ jüngsten Vergehen der Franzosen gegen Deutschland (Ruhrgebietsbesetzung durch die Franzosen) vermeintlich immer noch französische Militärangehörige als Gäste dort wohnen würden. Die Demonstrationen vor dem Hotel eskalierten schließlich zu gewaltsamen Ausschreitungen, in deren Verlauf eine Reihe von SA-Angehörigen, darunter Wegelin, in das Hotel Grünwald eindrangen und dort schwere Verwüstungen anrichteten. Insgesamt wurden dabei Sachschäden in Höhe von 6,5 Millionen Reichsmark angerichtet. Franzosen wurden in dem Hotel indessen von den Tumultanten nicht ausfindig gemacht, da die letzten Franzosen bereits am Mittag des Tages aus dem Hotel ausgezogen waren.

Am 1. Mai 1923 soll Wegelin als Adjutant von Hermann Göring während des Aufmarsches verschiedener paramilitärischer Verbände auf dem Oberwiesenfeld bei München – der Aufmarsch sollte als Grundlage für einen von Hitlers ins Auge gefassten, im letzten Augenblick aber nicht ausgelösten Putsch dienen – fungiert haben.[5]

Im Sommer 1923 wurde Wegelin Mitglied des Stoßtrupps Hitler, einer Sonderformation der Münchener SA, der der Personenschutz von Adolf Hitler sowie die Erfüllung von Spezialaufträgen oblag. Der Stoßtrupp bildete den Grundstock der späteren, 1925 aufgestellten Schutzstaffel (SS).

Am 8. und 9. November 1923 nahm Wegelin mit dem Stoßtrupp am Hitler-Putsch teil, dem Versuch der NSDAP und einiger verbündeter Organisationen, die Macht im Deutschen Reich durch einen gewaltsamen Umsturz an sich zu reißen. Während des Putsches beteiligte er sich u. a. an der Verwüstung der Redaktionsräume und der Druckerei der sozialdemokratischen Zeitung Münchener Post und an gewaltsamen Übergriffen gegen den bayerischen SPD-Chef Erhard Auer. Hans Kallenbach bezeichnet Wegelin in seinem Erinnerungsbuch Mit Adolf Hitler auf Festung Landsberg als den „Adjutanten“ des Kommandeurs des Stoßtrupps Hitler, Joseph Berchtold.[6]

Nach dem Scheitern des Putsches wurde Wegelin verhaftet. Er sagte in seinen Vernehmungen u. a. aus, dass Hermann Göring am Abend des 8. November 1923 angeordnet habe, im Falle, dass es im Verlaufe des Putsches zu Toten auf Seiten der Putschisten kommen sollte, einer Gruppe von, von den Putschisten als Geiseln genommenen, Münchener Stadträten „mit dem Kolben die Schädeldecke einzuschlagen“, wozu es allerdings aufgrund des abrupten Ende des Umsturzunternehmens nicht mehr gekommen sei.[7]

Das nach dem Scheitern des Hitler-Putsches im Untergrund weiterexistierende Oberkommando der SA bestimmte Wegelin Anfang 1924 zum Nachfolger von Joseph Berchtold als Führer des illegal weiterexistierenden Stoßtrupps Hitler. Berchtold veranlasste dies dazu, sich bei dem in Innsbruck weilenden Hermann Göring zu beschweren, wobei er Wegelin als für diesen Posten „absolut ungeeignet“ sowie als einen „Intrigant[en] schlimmster Sorte“ kennzeichnete. Er behauptete zudem in einem Beschwerdebrief an Göring, dass Wegelin in der Zeit vor dem Putsch innerhalb des Stoßtrupps Unfrieden zu säen versucht und nach seiner (Berchtolds) Flucht ins Ausland „in der infamsten Art und Weise grundlos“ gegen ihn gehetzt habe.[8]

Im April 1924 war Wegelin einer der Angeklagten im kleinen Hitler-Putsch-Prozess, in dem 39 Männer aufgrund ihrer Teilnahme am Hitler-Putsch in einem Strafverfahren vor dem Volksgericht München I wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt wurden. Wegelin wurde für schuldig befunden und am 23. April zu einer Strafe von fünfzehn Monaten Festungshaft verurteilt. Er verbüßte sechs Monate davon in der Strafanstalt Landsberg, der Rest seiner Strafe wurde ihm auf Bewährung erlassen. In Landsberg bildeten Wegelin und zwei Dutzend andere Hitler-Putsch-Teilnehmer eine von den restlichen Gefangenen abgetrennte Gefangenengemeinschaft, die unter ausgesprochen komfortablen Bedingungen in der Festungsabteilung der Anstalt lebte.

Später wurde Wegelin mit Wirkung zum 1. Februar 1931 erneut in die NSDAP aufgenommen (Mitgliedsnummer 436.714). Im August 1935 wurde er der Ortsgruppe Berlin der NSDAP zugeteilt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Fleischmann (Hrsg.): Hitler als Häftling in Landsberg am Lech 1923/24. Der Gefangenen-Personalakt Hitler nebst weiteren Quellen aus der Schutzhaft-, Untersuchungshaft- und Festungshaftanstalt Landsberg am Lech. Verlag Ph.C.W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2018, ISBN 978-3-87707-135-9.
  • John Dornberg: Munich 1923: The Story of Hitler’s First Grab for Power. Harper & Row, New York 1982, ISBN 0-06-038025-X (englisch). Deutsche Übersetzung: Der Hitlerputsch – 9. November 1923. 2. Auflage. Langen Müller, München 1998, ISBN 3-7844-2713-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Standesamt Glückstadt: Sterberegister für das Jahr 1968, Sterbeurkunde Nr. 77/1968.
  2. Staatsarchiv München: Polizeidirektion Nr. 6705, Bl. 98/Revers: Persönliche Notizen für den II. Staatsanwalt Dresse an Volksgericht München I vom 19. Juni 1923.
  3. Anton Joachimsthaler: Hitlers Weg begann in München 1913–1923, 2000, S. 311.
  4. Staatsarchiv München: Polizeidirektion München Nr. 6704: Bericht der Polizeidirektion vom 7. März 1923 (Digitalisat 298).
  5. Staatsarchiv München: Polizeidirektion Nr. 6705, Bl. 98/Revers: Persönliche Notizen für den II. Staatsanwalt Dresse an Volksgericht München I vom 19. Juni 1923.
  6. Hans Kallenbach: Mit Adolf Hitler auf Festung Landsberg. Nach Aufzeichnungen des Mitgefangenen Oberleutnant a.D. Hans Kallenbach, 1933, S. 11.
  7. Maximilian Scheer: Blut und Ehre. Éditions du Carrefour, Paris 1937, S. 105.
  8. Staatsarchiv München: Polizeidirektion München Nr. 6724: Schreiben von Joseph Berchtold an Göring vom 11. Februar 1924