José Gonçalves (Politiker)

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José Gonçalves († 1995) war ein osttimoresischer Politiker und Wirtschaftsexperte. Er führte einen Doktortitel.[1]

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

José Gonçalves ist der älteste Sohn von Guilherme Gonçalves, dem letzten traditionellen Herrscher von Atsabe und Mitbegründer der pro-indonesischen APODETI.[2] Auch die Brüder von José, wie Tomás Gonçalves, engagierten sich in dieser Partei.[3]

Gonçalves studierte 27 Jahre lang in Europa (die meiste Zeit in Portugal). Seinen Abschluss machte er in Belgien und sechs Jahre lebte er in Spanien. Am 3. Januar 1975 kehrte er nach Portugiesisch-Timor zurück. Nach eigenen Angaben wollte er sich für sein Land einsetzten, dem es an Experten fehlte. Die Kolonie wurde von Portugal seit dem Vorjahr auf die Unabhängigkeit vorbereitet. Er sei als Mitarbeiter und vor allem Beobachter der portugiesischen Regierung gekommen und nicht um sich politisch zu engagieren. Dazu habe er sich im Gespräch mit den drei großen Parteien FRETILIN, UDT und APODETI verpflichtet. Sein Vater und seine Brüder waren Anhänger der APODETI.[3]

Durch indonesischen Einfluss kam es zwischen der FRETILIN auf der einen Seite und UDT und APODETI auf der anderen Seite im August 1975 zum Bürgerkrieg. Die Kolonialregierung verließ überstürzt die Hauptstadt Dili und blieb auf der Dili vorgelagerten Insel Atauro. Nachdem sich die FRETILIN Ende des Monats gegen die UDT durchgesetzt hatte und der portugiesische Gouverneur sich weigerte nach Dili zurückzukehren, baute die FRETILIN eigene Strukturen auf. Gonçalves übernahm ab dem 11. Oktober die Leitung der Kommission für Wirtschaftsmanagement und -aufsicht, zusammen mit Juvenal Inácio und Domingos da Costa Ribeiro. Er war zu diesem Zeitpunkt der einzige verbliebene ausgebildete Wirtschaftsexperte in Portugiesisch-Timor. Die Kommission war für die FRETILIN das Hauptwerkzeug für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Kolonie. Mit den Regionalkomitees der FRETILIN und internationalen Nichtregierungsorganisationen zusammen, verteilte die Kommission auch Hilfslieferungen mit Nahrungsmittel. Dabei nutzte sie das Kapital der halbstaatlichen SAPT.[1][4] Gonçalves stand auch hinter der Kampagne zur Schaffung von landwirtschaftlichen Kooperativen. In einem Interview der A Voz de Timor im Juni 1975 erklärte er bereits die beiden Schwerpunkte der FRETILIN-Wirtschaftspolitik: Erstens würde der Staat Handels- und Industriegenossenschaften durch einen angemessenen Rechtsrahmen anregen. Zweitens würde infolge der Bildung der Volksgenossenschaften die kleine Gruppe der großen Kapitalisten, die hauptsächlich in der chinesischen Gemeinschaft anzutreffen war, ein Ende haben, weil sie nicht mehr benötigt würden. Um zu überleben, könnten die Geschäftsleute in den Städten ihre eigenen Genossenschaften gründen, um ihre Interessen zu verteidigen.[5] Ohne die koloniale Administration und Unterstützung Portugals kamen die Maßnahmen von Gonçalves in Stocken. Im Oktober forderte Gonçalves die Planung der Unabhängigkeit Osttimors, da die Verhandlungen mit Portugal nicht vorankamen.[1]

Am 27. Oktober 1975 heiratete Gonçalves in der Kirche Santo António de Motael Olímpia Barreto, deren Schwester Isabel mit dem FRETILIN-Führer Nicolau Lobato verheiratet war.[6]

Als die FRETILIN am 28. November 1975 einseitig die Unabhängigkeit ausrief, wurde Lobato Premierminister und Gonçalves im Kabinett Minister für wirtschaftliche Koordination und Statistik.[7]

Am 7. Dezember begannen die Indonesier mit der Besetzung Osttimors und landeten mit Truppen in Dili. Isabel wurde mit ihrem Sohn José Maria gefangen genommen und konnte ihn gerade noch an ihre Schwester Olímpia geben, bevor sie zur Exekution gebracht wurde. Olímpia und José Gonçalves adoptierten den Jungen und zogen ihn in der indonesischen Hauptstadt Jakarta auf, ohne seine wahre Identität preiszugeben. Dessen Vater Nicolau starb 1978 im Guerillakampf gegen die Indonesier.[8]

Gonçalves gehörte zu den ersten Gefangenen der Indonesier.[5] Nach der Besetzung wurde am 17. Dezember die Provisorische Regierung Osttimor (PGET) als Marionettenregierung installiert. Gonçalves wurde Mitglied des Beirats der Regierung.[2]

Nach dem Einmarsch der Indonesier trat Gonçalves vor dem Weltsicherheitsrat[9] und einem Komitee des US-Kongresses auf und unterstützte als Zeuge die Version Indonesiens, das Nachbarland sei auf Bitte der UDT und APODETI einmarschiert, um es von der linken FRETILIN zu befreien und dass die Annexion von den Osttimoresen befürwortet werde. Aus seiner Sicht sei die Kolonie als unabhängiger Staat nicht überlebensfähig gewesen. Kein politischer Wettbewerb, sondern die Kampf und Rivalitäten zwischen Familien habe das rückständige Land bestimmt. Den Bürgerkrieg vom August stellte er als von Portugal inszeniert dar. Er habe danach wegen der Menschen als letzter verbliebener Wirtschaftsexperte mit der FRETILIN zusammengearbeitet, nachdem die Portugiesen das Land aufgegeben hatten. Als er sich bereit erklärte Minister zu werden, sei er nicht mit den „radikalen“ Ideen der FRETILIN vertraut gewesen.[3]

Vom Tag des Angriffs auf Dili berichtete Gonçalves, er habe keine Flugzeuge gehört, womit er die Bombardierung der Stadt und die Fallschirmjäger der Indonesier in Frage stellte. Er könne nicht sagen ob Fallschirmspringer vor Ort waren, da er nicht an den Kampfhandlungen teilnahm. Er habe keine gesehen. Gonçalves erklärte noch 1977 vor dem US-Kongress, er habe nur Gewehrschüsse und Mörsergranaten gehört. Er habe am nächsten Tag vor allem Anhänger der UDT und APODETI gesehen. Ob Indonesier darunter waren, hätte er nicht erkennen können, weil er damals die Sprache nicht sprach.[3] Indonesien behauptete in den ersten Jahren, Kämpfer von UDT und APODETI hätten die Stadt erobert.

Trotz dieser Aussagen geben Quellen an, dass sich Gonçalves noch bis zu seinem Tode am Widerstand gegen die indonesische Besatzung Osttimors beteiligte.[5] Sein Adoptivsohn José Maria Barreto Lobato Gonçalves wurde für die FRETILIN Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung und des ersten Nationalparlaments des ab 2002 unabhängigen Osttimors.[10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c „Part 3: The History of the Conflict“ (PDF; 1,4 MB) aus dem „Chega!“-Report der CAVR (englisch)
  2. a b George J. Aditjondro: EAST TIMOR An Indonesian intellectual speaks out, Mai 1994 (Memento des Originals vom 16. April 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/core.ac.uk
  3. a b c d United States.Congress. House. Committee on International Relations. Subcommittee on International Organizations: Human Rights in East Timor and the Question of the Use of U.S. Equipment by the Indonesian Armed Forces: Hearing Before the Subcommittees on International Organizations and on Asian and Pacific Affairs of the Committee on International Relations, House of Representatives, Ninety-fifth Congress, First Session, March 23, 1977. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  4. Rodney Stafford Nixon: Integrating Indigenous Approaches into a ‘New Subsistence State’: The Case of Justice and Conflict Resolution in East Timor, A thesis submitted for the degree of Doctor of Philosophy, Bachelor of Social Science, Royal Melbourne Institute of Technology Master of Arts, University of Melbourne, Februar 2008, abgerufen am 13. Mai 2020.
  5. a b c Antero Benedito da Silva: FRETILIN Popular Education 1973-1978 and its Relevance to Timor-Leste Today, Thesis Doctoral, University of New England 2011, S. 46, abgerufen am 12. Mai 2020.
  6. Guide to THE EAST TIMOR QUESTION, 1975-2002 compiled and edited by Jill Jolliffeon Microfiche
  7. James J. Fox: FRETILIN (Frente Revolucionária do Timor-Leste Independente). In: Southeast Asia. A Historical Encyclopedia, from Angkor Wat to East Timor. Abc-Clio, 2005, ISBN 1-57607-770-5, S. 522–523.
  8. Timor-Leste/ Biografia do Presidente Nicolau dos Reis Lobato, abgerufen am 31. Dezember 2012; auf Englisch: Biography of President Nicolau dos Reis Lobato, abgerufen am 2. November 2012
  9. Vereinte Nationen: Resolution des Weltsicherheitsrates Nr. 389 vom 22. April 1976, abgerufen am 13. Mai 2020.
  10. ETAN: Liste der gewählten Abgeordneten, 9. September 2001, abgerufen am 27. April 2020.