Juravirales

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Juravirales

Vorhergesagter Morphotyp der Juravirales:
Siphoviren

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Duplodnaviria
Reich: Heunggongvirae
Phylum: Uroviricota
Klasse: Caudoviricetes
Ordnung: Juravirales
Taxonomische Merkmale
Genom: dsDNA zirkulär unsegmentiert
Baltimore: Gruppe 1
Symmetrie: ikosaedrisch, tailed
(Siphoviren)
Hülle: keine
Wissenschaftlicher Name
Juravirales
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Juravirales ist eine Ordnung mariner Archaeenviren mit Kopf-Schwanz-Aufbau (englisch archaeal tailed viruses, arTVs) – diese Morphologie weist sie als Mitglieder der Klasse Caudoviricetes aus.[1][2]

Die Ordnung wurde im März 2023 vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) mit zwei Familien eingerichtet.[3][2]

Fundort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Metagenomik-Analyse von Proben aus dem Oberflächenwasser des Yangshan-Tiefwasserhafens (洋山深水港 yángshān shēnshuǐgǎng, bei Shanghai) hatte zuvor eine Reihe von viralen Contigs ergeben, von denen einige offenbar vollständige Virusgenome darstellen.[1]

Genom und Proteom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Clusteranalyse zeigte, dass diese Virensequenzen in Verbindung standen zu bereits zuvor beschriebenen Viren von Archaeen-Wirten zweier Gruppen:[2]

Die Viren dieser beiden Gruppen kodieren für charakteristische Proteine der Klasse Caudoviricetes, darunter:[2]

All dies zeigt, dass sie Mitglieder dieser Virusklasse sind. Fünf der Genome vom Yangshan-Tiefwasserhafen (YSH_462411, YSH_174770, YSH_922147, YSH_1032793 und daneben auch YSH_150918), konnten sogar als zirkulär geschlossene Contigs rekonstruiert (assembliert) werden. Man kann daher davon ausgehen, dass es sich um vollständige Virusgenome handelt.[2]

Das vorhegesagten Gene für den Schwanzaufbau und Organisation der Gene für die Kopf-Schwanz-Verbindung legen nahe, dass diese fünf Viren den Morphotyp der Siphoviren haben, d. h. ikosaedrische Kapside und lange, nicht kontraktile helikale Schwänze.[1]

Mögliche Wirte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vier dieser Viren (YSH_462411, YSH_174770, YSH_922147 und YSH_1032793) waren mit marinen Archaeen der Klasse Nitrososphaeria assoziiert.[A. 1] Da die Archaeen dieser Klasse früher als Thaumarchaeota bezeichnet wurden, bezeichnet man diese Viren informell auch als Mathaviren (englisch mathaviruses), ein Kofferwort aus maritime thaumarcaeal viruses.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese vier Viren können in zwei neue Familien eingeteilt werden: YSH_462411, YSH_174770 und YSH_922147 werden in der Familie Yangangviridae zusammengefasst! YSH_1032793 wird dagegen monotypisch einer separaten Familie Yanlukaviridae zugeordnet. Alle vier zusammen sind in der neuen Ordnung Juravirales vereint.[2][1]

  • Ordnung Juravirales, Morphotyp: Siphoviren
    • Familie Yangangviridae
      • Gattung Mathaucavirus
        • Spezies Mathaucavirus yangshanense
          • Stamm Nitrososphaeria virus YSH_922147 (Genomlänge: 38245 bp)
      • Gattung Nohelivirus
        • Spezies Nohelivirus yangshanense
          • Stamm Nitrososphaeria virus YSH_462411 (Genomlänge: 36645 bp)
      • Gattung Senitvirus
        • Spezies Senitvirus yangshanense
          • Stamm Nitrososphaeria virus YSH_174770 (Genomlänge: 36856 bp)
    • Familie Yanlukaviridae
      • Gattung Sweetvirus
        • Spezies Sweetvirus yangshanense
          • Stamm Nitrososphaeria virus YSH_1032793 (Genomlänge: 35889 bp)

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Etymologie der Namen der Ordnung und der untergeordneten Taxa ist wie folgt:[2]

  • Die Bezeichnung der Ordnung Juravirales leitet sich ab von litauisch jūra ‚Meer‘, gefolgt von der Endung ‚-virales‘ für Virusordnungen. Dies deutet an, dass es sich um eine Ordnung maritimer (im Meer vorkommender) Viren handelt, wozu auch der Yangshan-Tiefseehafen zählt.
  • Die Bezeichnung der Familie Yangangviridae ist eine Zusammenziehung (Portemanteau) aus Yangshan (chinesisch 洋山 yángshān, aus den Silbenzeichen yáng, deutsch ‚Silbermünze‘ und shān, deutsch ‚Berg‘) und gang ( gǎng, deutsch ‚Hafen‘, vgl. kantonesisch 香港 heung-kóng, deutsch Hongkong).[A. 2]
  • Die Bezeichnung der Familie Yanlukaviridae ist eine Zusammenziehung von ‚Yangshan‘[A. 3] und kroatisch luka ‚Hafen‘, gefolgt von der Endung ‚-viridae‘ für Virusfamilien.
  • Der Gattungsname Nohelivirus ist eine Zusammenziehung von englisch no MCM helicase virus, dieser Gattung fehlt die MCM-Helikase (MCM = Minichromosome maintenance).
  • Der Gattungsname Senitvirus ist eine Zusammenziehung von englisch sea Nitrososphaeria virus.
  • Der Gattungsname Mathaucavirus ist eine Zusammenziehung von englisch marine thaumarchaeal Caudoviricetes virus und zeigt an, dass es sich um Mathaviren der Klasse Caudoviricetes handelt.
  • Der Gattungsname Sweetvirus beruht auf der Feststellung, dass das einzige Mitglied dieser Gattung, YSH_1032793, für einen Saccharid-Transporter der SWEET-Superfamilie[4] kodiert.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wenn in Metagenomik-Analysen Genome einer Organismen- oder Virenart immer zusammen mit denen einer anderen gefunden werden, dann nennt man diese Genome ‚assoziiert‘. Nur über weitere Indizien kann dann geschlossen werden, dass tatsächlich Parasitismus vorliegt, etwa eine Virus-Wirt-Beziehung, auch wenn das meist naheligt. Ein Virus könnte etwa Symbionten oder Krankheitserreger des assoziierten Organismus parasitieren, die im Metagenomik-Verfahren übersehen wurden. In seltenen Fällen könnte ein assoziiertes Virus dem zellulären Organismus auch als Nahrung gedient haben. Aus diesem Grund verwendet man in der Metagenomik lieber den neutralen Begriff ‚assoziiert‘.
  2. Mit der chinesische Bezeichnung 病毒科 bìngdúkē, deutsch ‚Virusfamilie‘, ‚-viridae‘ (vgl. 冠狀病毒科 guàn zhuàng bìngdúkē, deutsch Coronaviridae, 擬菌病毒科 nǐ jūn bìngdúkē, deutsch Mimiviridae) wäre der chinesische Ausdruck für diese Familie aber 洋港病毒科 yáng gǎng bìngdúkē, deutsch ‚Yang-gang-viridae‘ mit zwei aufeinanderfolgenden ‚g‘, eines am Ende der ersten und eines am Anfang der zweiten Silbe.
  3. Auch hier wurde das ‚g‘ der chinesischen Silbe yáng abgeschnitten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Yifan Zhou, Liang Zhou, Shuling Yan, Lanming Chen, Mart Krupovic, Yongjie Wang: Diverse viruses of marine archaea discovered using metagenomics. In: Environmental Microbiology, Band 25, Nr. 3, Februar 2023, S. 367–382; doi:10.1111/1462-2920.16287, PMID 36385454, ResearchGate:365449304, Epub 24. November 2022 (englisch).
  2. a b c d e f g h Yifan Zhaou, Mart Krupovic, Yongjie Wang: Create two new orders, Juravirales and Magrovirales, including two and one new families of marine archaeal viruses, respectively (docx in zip). Vorschlag 2022.003A an das ICTV (angenommen), Oktober 2022 (englisch). Memento im Webarchiv vom 8. März 2023 (docx).
  3. ICTV: Order: Juravirales. 2022 Release, MSL #38.
  4. Pfam: PF03083 Sugar efflux transporter for intercellular exchange (MtN3) alias SWEET family.