Kölmer

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Als Kölmer (früher Cölmer) wurden bis ins 19. Jahrhundert in Preußen Landwirte bezeichnet, die über nach Kulmschem Recht völlig freies Allodial-Grundeigentum verfügten, insbesondere die Besitzer kölmischer Dörfer und kölmischer Freigüter.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kölmischen Gutsbesitzer, auch kölmische Freie oder kölmische Insassen genannt, machten mit der Ritterschaft und dem Adel in Ost- und Westpreußen bis in die Neuzeit den zweiten Landstand aus.[1]

Namensgebend für die Kölmer war das Kulmische Privilegium,[2][3] das der Deutsche Orden nach der Eroberung des Kulmer Landes am 28. Dezember 1232[4] vorzugsweise denjenigen erteilte, die ihm aus Deutschland zur Eroberung des Landes zu Hilfe gekommen waren. Ihre Besitzungen waren freies erbliches Eigentum und nicht zu Scharwerk oder Burgdiensten verpflichtet.[5]

Alle kölmischen Güter, die bereits vor 1612 im Besitz adliger Familien gewesen waren, erklärte der Kurfürst Friedrich Wilhelm am 16. Juli 1663 zu Rittergütern. Einigen kölmischen Gütern wurde auch die Gerichtsbarkeit, Jagd-, Fischerei-, Krug- und Mühlengerechtigkeit etc. verliehen.[5] Es gab deshalb nicht nur kölmische Güter, sondern auch kölmische Krüger, Müller, Gärtner usw.[1] Ein aus mehrere n kleinen kölmischen Frgütern bestehende Ortschaft wurde als kölmisches Dorf bezeichnet; am Winterfeldzug gegen die Schweden 1678/79 nahmen unter anderen auch 500 Kölmer teil.[6] Nach der Kabinettsordre vom 10. September 1807 erhielten diese Güter zudem das Recht, das landschaftlichen Kreditsystem zu nutzen und zu allen künftigen Landtagen zugelassen zu werden.[5]

Zu den Besitzern kölmischer Güter gehörten auch adlige Familien und der preußische König. Soweit die kölmischen Güter nicht das Privileg einer eigenen Gerichtsbarkeit hatten, unterstanden sie seit 1724 der Gerichtsbarkeit des zuständigen königlichen Domänenamts.[7] Nach dem preußischen Landrecht hatte sich ein kölmischer Mann, der in einen Bauernhof eingeheiratet hatte, dort an die Rechte des Bauernstandes zu halten; einem Preußen hingegen, der in einem kölmischen Freigut sesshaft geworden war, wurden die Vorzüge des Kulmischen Rechts vergönnt.[8]

Rechtsstellung bis in das 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rechte der Kölmer wiesen im Vergleich zu den Rechten des Landadels keine wesentlichen Unterschiede auf.[9][10] Der Stand der Kölmer war im ständischen Verband Ost-und Westpreußens organisiert, dessen Versammlungen abwechselnd in Königsberg und Danzig stattfanden.[11]

Das Landrecht von 1685 bewertet den kölmischen Besitz als uneingeschränktes Eigentum. Kölmer hatten der Herrschaft pro Jahr eine gewisse Geldsumme zu erlegen, Naturalien zu liefern und bestimmte Dienstleistungen (wie Reiterdienst bei der Verteidigung des Landes) zu erbringen, die in der Regel in vier bis sechs Tagen abgeleistet werden konnten. Das sogenannte Kölmische Recht gewährte vor allem große Freiheiten, wie die Vererbung des Gutes an Söhne und Töchter, dessen Verkauf, die Befreiung von allem Scharwerk, oft auch die Privilegien der Fischerei, mittleren und minderen Jagd, Brauerei und dergleichen. Innerhalb der Gruppe der Freien Grundbesitzer gab es neben den Kölmischen auch noch Magdeburgische, Preußische und Adlige Freien oder Freisassen.

Die agrarische Gesellschaft in der frühneuzeitlichen Region um das Weichseldelta und östlich davon kannte keine einheitliche „Klasse“ der Bauern. Für die Bauern waren vielmehr die sehr unterschiedliche Rechtsstellung und der differenzierte soziale Status kennzeichnend.[12] (Ost)Preußen beheimatete freie, zu keinem Grundherrn in persönlicher oder dinglicher Abhängigkeit stehende Bauern: Um 1750 standen dort etwa 10.000 dieser nach Kulmer Recht angesiedelten Bauern ca. 40.000 hörige Landwirten gegenüber.[13][14]

Neben diesen freien Bauern besaßen alle übrigen Bauern den Status der Erbuntertänigkeit, sowohl auf landesherrlichen Domänen als auch auf den adligen Gütern.[12]

Die Erbuntertänigkeit bedeutete für die Bauern, dass sie an die Scholle gebunden (glebae adscriptus) waren und ohne Erlaubnis des Herrn den Dienstort nicht wechseln durften. Außerdem waren sie zum Frondienst verpflichtet und vom Heiratskonsens der Gutsherren abhängig. Das Besitzrecht war innerhalb der Erbuntertänigkeit erheblich abgestuft:[12] Nur über ihren frei vererbbaren und verkäuflichen Boden, an dem sie eine Art von Untereigentum innehatten,[15] waren die Erbzinsbauern an ihren Gutsherrn gebunden.[16]

In der Altmark, dem Magdeburger Gebiet sowie Niederschlesien war diese Rechtsstellung verbreitet,[16] sowie in den Kolonisationsgebieten im Oder- und Warthebruch, in der Prignitz und in Pommern.

Die große Mehrheit der Bauern verfügte nicht über Eigentumsrechte an ihrem Land, sondern nur über die Nutzungsrechte, also über sogenannten Lass-Besitz. In der Lasswirtschaft waren die wichtigsten Betriebsmittel der Lassiten Eigentum ihrer Gutsherren (vor allem im 18. Jahrhundert).[15] Die Lassiten besaßen teil vererbbaren Besitz, teils war der Leihzyklus auf die Lebenszeit oder auf eine noch kürzere Zeitspanne begrenzt. Im Erbfalle konnte der Gutsherr aus den Nachkommen des Lassiten den Erben auswählen. Unerbliche Lassbauern waren so schlecht gestellt, dass sie mitsamt ihrer Bauernstelle verkauft werden konnten.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hartmut Boockmann: Ostpreußen und Westpreußen (Reihe: Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992. ISBN 3-88680-212-4.
  • Peter Brandt und andere (Bearb.): Preußen. Zur Sozialgeschichte eines Staates. Eine Darstellung in Quellen (= Preußen. Versuch einer Bilanz, Bd. 3). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-34003-8.
  • Horst Kenkel: Amtsbauern und Kölmer im nördlichen Ostpreußen um 1736 nach der „Repeuplierung“ des Distrikts Litauen, nach der Generaltabelle und den Prästationstabellen. Verein für Familienforschung in Ost- u. Westpreußen e.V., Hamburg 1972, (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e.V. 23, ISSN 0505-2734).
  • Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, ISBN 3-550-08526-5.
  • Hans-Erich Stier (Hg.) u. a.: Großer Atlas zur Weltgeschichte, München 1991.
  • Walter zur Ungnad: Deutsche Freibauern, Kölmer und Kolonisten. 2. Auflage. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1932.
Digitalisiertes geschichtswissenschaftliches Schrifttum
  • Kölmer, Wörterbuch-Eintrag in: H. Frischbier, Preussisches Wörterbuch. Ost- und westpreussische Provinzialismen. Erster Band: A – K, Enslin, Berlin 1882, S. 404–405 (Google Books).
  • Karl Emil Gebauer: Kunde des Samlandes oder Geschichte und topographisch-statistisches Bild der ostpreussischen Landschaft Samland, Königsberg 1844, S. 59–61 (Google Books).
  • Johannes Voigt: Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens, Band 2: Die Zeit von der Ankunft des Ordens bis zum Frieden 1249, Gebrüder Bornträger, Königsberg 1827, S. 236–242 (Google Books).
  • Max Toeppen: Geschichte Masurens – Ein Beitrag zur preußischen Landes- und Kulturgeschichte, Bertling, Danzig 1870, S. 126–130 (Google Books).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen – Erster Theil welcher die Topographie Ost-Preussens enthält, Band 1, Königsberg 1785, S. 62–64 (Google Books).
  2. Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter. Erster Band, Enke, Erlangen 1863, S. 681–687 (Google Books).
  3. Otto Stobbe: Das alte Kulmer Recht. In: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft, Band 17, Tübingen 1857, S. 406–439 (Google Books).
  4. Johannes Voigt: Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens, Band 2: Die Zeit von der Ankunft des Ordens bis zum Frieden 1249, Gebrüder Bornträger, Königsberg 1827, S. 237 (Google Books).
  5. a b c F. H. Ungewitter: Die Preußische Monarchie, nach den zuverlässigsten Quellen geographisch, statistisch, topographisch und historisch ausführlich und übersichtlich dargestellt. – Ein Handbuch für Staats- und Communalbehörden, so wie für den Privatgebrauch. Nicolai, Berlin 1859, S. 285 (Google Books).
  6. August Riese: Friedrich Wilhelm’s des Großen Churfürsten Winterfeldzug in Preußen und Samogitien gegen die Schweden im Jahre 1678/79, Decker, Berlin 1864, S. 23–24 (Google Books)
  7. Friedrich Samuel Bock: Versuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und Westpreußen. Band 1: Allgemeine geographische, anthropologische, meteorologische und historische Abhandlungen. Dessau 1782, S. 173 (Google Books).
  8. Churfürstlich Brandenburgisches revidirtes Land-Recht des Herzogthumbs Preußen. Reusners Erben, Königsberg 1685, S. 829 (Google Books).
  9. Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt: Geschichte des Stuhmer Kreises. Thorn 1868, S. 119 (Google Books).
  10. Christian Eduard Rhode: Der Elbinger Kreis in topographischer, historischer und statistischer Hinsicht. Nebst 7 Karten auf 2 Blättern. A. W. Kafemann, Danzig 1871, S. 42 (Google Books).
  11. Ost-Preußen, Lexikoneintrag in: Pierer’s Universal-Lexikon, Band 12, Altenburg 1861, S. 501–502 (Zeno.org).
  12. a b c Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, S. 78.
  13. Hans-Erich Stier u. a. (Hg.): Großer Atlas zur Weltgeschichte, München 1991, S. 121/II.
  14. Hartmut Boockmann: Ostpreußen und Westpreußen (Reihe: Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992, S. 128.
  15. a b Peter Brandt und andere (Bearb.): Preußen. Zur Sozialgeschichte eines Staates. Eine Darstellung in Quellen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 27.
  16. a b Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, S. 28.