Köln-Flocken

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Köln-Flocken ist eine fachsprachlich-ironische Sammelbezeichnung für kleine Fragmente von Archivalien, die beim Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln im März 2009 zerstört wurden. Sie enthalten so wenig Text, dass kein unmittelbarer Rückschluss auf ihre Herkunft möglich ist.[1]

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wortschöpfung stammt vom Journalisten Dietmar Bartz. Er verwendete sie erstmals in einem Bericht von den Rettungsarbeiten in Köln in der tageszeitung vom 15. April 2009.[2] Der Begriff geht auf die Köllnflocken zurück, ein Haferflockenprodukt der Firma Peter Kölln in Elmshorn, und spielt auch auf die Leichtigkeit und Unzähligkeit von Flocken an. Im Jahr 2010 schätzte die Archivleitung die Zahl der Fragmente auf sieben Millionen. 2016 wurde der Umfang mit 1900 Kartons angegeben.[3] Ihre manuelle Erschließung ist aussichtslos. Ein Projekt, sie durch Bilderkennungssoftware zuzuordnen, befand sich 2018 in der Entwicklungsphase.[4] Seit der Erstnennung ist „Köln-Flocken“ unter Archivaren und Restauratoren als Begriff etabliert.[5]

Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Linguistisch, als Wortspiel der Mehrdeutigkeit, ist „Köln-Flocken“ homophon mit „Kölln-Flocken“.[6] Rhetorisch weist der Ausdruck einen Doppelcharakter auf: Hinsichtlich der kaum zu bewältigenden Aufgabe der Archivare handelt es sich um Galgenhumor, als verharmlosende Anspielung auf einen tragischen Vorgang um schwarzen Humor. Dieser entsteht aus der Normwidrigkeit des Wortspiels.[7] Psychologisch, als Bewältigungsstrategie durch absichtliches Herunterspielen, liegt Dissimulation vor.

Zitierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Fetzen. Irgendwo abgerissen, kein Stück größer als mein Handteller, vieles kleiner, verknittert, keines passt zu anderen in seiner Umgebung. (...) Manches ist so leicht, dass der Staubsauger es aufwirbeln und verschlucken könnte, wenn der Hausmeister nicht aufpasst. Kölnflocken.“[2]
  • „Längst schon sind auch die verheerenden Dokumentenschäden mit rheinischem Wortwitz bedacht. Viele der Papierfetzen, die beim Einsturz aus den Dokumenten gerissen wurden, wellen oder kräuseln sich nämlich nach dem Trocknen. Deshalb heißen sie am Rhein nun prompt nur noch jovial die ,Köln-Flocken‘.“[8]
  • „,Köln-Flocken‘ sind die tausenden kleinen Fragmente von Akten, Pergamenthandschriften, Fotos usw., deren Zuordnung nie wieder gelingen wird.“[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dietmar Bartz: Das größte Puzzle der Welt. In: die tageszeitung, 2. März 2010, online
  2. a b Dietmar Bartz: Wir lesen nicht. In: die tageszeitung, 15. April 2009, online
  3. Maria Machnik: In Pulheim wird ein Riesenpuzzle aus „Köln-Flocken“ rekonstruiert. In: Kölnische Rundschau, 21. Januar 2016, online
  4. Andreas Wyputta, Pascal Beucker, Das Loch von Köln. In: die tageszeitung, 16. Januar 2018, online
  5. Ulrich Fischer u. a.: Zerrissen – verschmutzt – zerknickt. Die Restaurierung und Konservierung des Gesamtbestandes des Historischen Archivs der Stadt Köln nach dem Einsturz. Sachstand und Perspektiven. In: Der Archivar 1/2011, S. 15–28, hier S. 18, online. – Kirsten Krumeich: Bestandserhaltung digital – Sicherung und Identifizierung stark geschädigten Schriftguts. Kolloquium der Herzogin Anna Amalia Bibliothek/Klassik Stiftung Weimar. Tagungsbericht, in: Der Archivar 3/2013, S. 334–337, hier S. 336. – Frank Neweling: Besuch im "Asylarchiv". Freunde des Historischen Archivs der Stadt Köln, 30. Dezember 2010, online. – Landschaftsverband Rheinland: Säubern, Glätten, Pressen – LVR-Werkstatt bereitet „Köln-Flocken“ auf. Presseerklärung, 18. April 2012, online, abgerufen am 4. März 2019. – Dokumente des Kölner Stadtarchivs kehren zurück ins Rheinland, 3sat Kulturzeit-News vom 18. Januar 2017, online
  6. Klaus Detering: Zur linguistischen Typologie des Wortspiels. In: Jongen, R./de Knop, S./Nelde, P.H./Quix, M.-P. [Hrsg.]: Sprache, Diskurs und Text. Bd. 1, Tübingen 1983, S. 219–228
  7. Oliver Nord: Die Funktion von Wortspielen in Werbeanzeigen. Heidelberg 1999, Kapitel 231, online
  8. Hannelore Crolly: Das Gedächtnis braucht jetzt Geld. In: Die Welt, 18. Januar 2010, online
  9. Martin Hoernes: Das zerstörte Gedächtnis einer Stadt. In: Arsprototo. Das Magazin der Kulturstiftung der Länder, Heft 1/2010, S. 38, pdf 0,8 MB, aufgerufen am 20. April 2010