K-27

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K-27
Projekt 645
Projekt 645
Schiffsdaten
Flagge Sowjetunion Sowjetunion
Schiffstyp Atom-U-Boot
Bauwerft Werft 402, Sewerodwinsk
Kiellegung 15. Juni 1958
Stapellauf 1. April 1962
Verbleib 1982 verklappt
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 109,8 m (Lüa)
Breite 8,3 m
Tiefgang (max.) 6,28 m
Verdrängung aufgetaucht: 3.414 t

getaucht: 4.370

 
Besatzung 105 Mann
Maschinenanlage
Maschine 2 × RM-1-Kernreaktoren

2 × GTZA-601-Turbinensätze

Maschinen­leistung 2 × 73 MW

2 × 17.500 WPS (12.871 kW)

Propeller 2
Einsatzdaten U-Boot
Tauchtiefe, max. 300 m
Höchst-
geschwindigkeit
getaucht
30,2 kn (56 km/h)
Höchst-
geschwindigkeit
aufgetaucht
14,9 kn (28 km/h)
Bewaffnung

Das K-27 war ein Atom-U-Boot der sowjetischen Marine. Es war ein Versuchsboot, das zwei flüssigmetallgekühlte Reaktoren statt der normalen Druckwasserreaktoren im Rumpf eines Projekt-627-Bootes erhielt. Das so modifizierte K-27 wurde als Projekt 645 bezeichnet. Es erlitt 1968 einen Reaktorschaden und wurde der Öffentlichkeit durch seine Verklappung im Jahr 1982 und die daraus resultierenden Gefahren für die Umwelt bekannt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Boot wurde 1958 in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt. Es war zur Erprobung eines neuen Typs von Kernreaktor vorgesehen und seine Konstruktion lief unter starkem Termindruck ab. Es kam jedoch zu zahlreichen Verzögerungen bei der Lieferung wichtiger Bauteile, so dass das Projekt in Verzug geriet. Um die verlorene Zeit aufzuholen, führte man beispielsweise den Test des Druckkörpers zum geplanten Termin durch, obwohl der noch nicht fertiggestellt war und man Bug- und Hecksektion separat testen musste. Erschwerend kam noch hinzu, dass das Muster des neuen Reaktors zeitgleich mit dem Bau des Bootes in einer Landeinrichtung ständig angepasst und verändert wurde und man diese Änderungen während des Baubetriebes auch auf K-27 umsetzen musste.[1]

Einsatz und Reaktorunfall[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

K-27 lief 1962 vom Stapel, seine Indienststellung fand Ende Oktober 1963 statt.

Nachdem bereits in den ersten fünf Jahren immer wieder Probleme mit den Reaktoren aufgetreten waren, gab es am 24. Mai 1968 einen ernsten Unfall. Das Boot war trotz schwerwiegender Probleme durch geringe Mengen verstrahlten Wassers, das durch unerkannte Lecks in den Primärkühlkreislauf eines Reaktors eingedrungen war, vom Divisionskommandeur Konteradmiral Michail Grigoriewitsch Proskunow auf eine Patrouillenfahrt befohlen worden. Das Boot lief am 21. Mai aus.

Am 24. Mai, gegen 12 Uhr mittags, überhitzte sich backbords plötzlich der Reaktor und die Ummantelung einiger Brennstäbe wurde zerstört. Die austretende Radioaktivität gelangte in den Primärkühlkreislauf über das verdampfende Wasser im Reaktor, und durch den Druckausgleich auch ins Innere der vierten Abteilung des Bootes.

Der Reaktor musste abgeschaltet werden, sein Leistungsausstoß sank innerhalb kürzester Zeit rapide von 83 auf nur 7 %.[1] Die Strahlenbelastung in Abteilung IV erreichte 1.500 Röntgen pro Stunde. Mehrere Besatzungsmitglieder erhielten bei Reparaturarbeiten eine tödliche Strahlendosis. Vier Seeleute starben noch auf See oder kurz danach im Krankenhaus, ein weiterer starb an den Folgen der Strahlung, die er sich im Hafen während seines Wachdienstes an Bord zugezogen hatte. 30 Seeleute, die an der Bekämpfung des Unfalls beteiligt gewesen waren, starben zwischen 1968 und 2003.[2]

Durch den Unfall wurden Teile des Reaktors nicht ausreichend gekühlt; die radioaktiven Teile, die über die Kühlflüssigkeit durch den Reaktor zirkulierten, kontaminierten große Teile des Bootes. K-27 wurde außer Dienst gestellt und nahe einem Stützpunkt verankert.

Die Erkenntnisse, die man über die Verwendung eines Reaktors mit einer Kühlung durch flüssiges Metall auf K-27 gewonnen hatte, waren grundlegend für die Serienfertigung von Projekt 705 (Alfa-Klasse).[3]

Verklappung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Boot wurde nie dekontaminiert und der Reaktor ebenso nicht repariert. 1980 wurde dann entschieden, den Rumpf mit beiden Reaktoren in der Karasee vor Nowaja Semlja zu versenken. 1981 wurden die Vorbereitungen getroffen und alle Leitungen zum Reaktor auf der Swesda-Werft in Sewerodwinsk mit einer schnell aushärtenden Flüssigkeit gefüllt, um alle Zugänge zu versiegeln. Anschließend füllte man die Reaktorabteilung mit insgesamt 270 Tonnen Bitumen und schäumte einige der Ballasttanks mit Polystyrol aus, um den Auftrieb zu verbessern. Im Herbst 1982 wurde das Boot in der Karasee zur Versenkungsposition bei 72° 31′ N, 55° 30′ OKoordinaten: 72° 31′ 17″ N, 55° 30′ 5″ O[2] geschleppt, wo es heute in rund 75 Metern Wassertiefe liegt.[3][A 1]

Im September 2012 erhielt der Fall durch die Presse neue Aufmerksamkeit: Report Mainz zitierte einen unveröffentlichten Bericht des russischen Umweltministeriums. Experten zufolge sei die Sicherheit des Kernreaktors nicht mehr gewährleistet. Das Wasser könne eine nicht kontrollierbare nukleare Kettenreaktion verursachen.[A 2] Dabei drohe eine Freisetzung großer Mengen radioaktiven Materials. Gefährdet seien unter anderem Fische in der Barentssee. Daher müsse K-27 bis 2014 gehoben und der Kernbrennstoff geborgen werden, ebenso K-159.[4] Nach Angaben des Staatlichen Russischen Instituts für Strahlenschutz (IBRAE) entweichen seit 1981 jährlich 851 Millionen Becquerel Radioaktivität.

Nach Angaben der Bellona Foundation bekam die Bergung der beiden versenkten U-Boote sowie des weiteren Atommülls im Bereich der Arktis bei der russischen Regierung vor allem aufgrund der Pläne zur Exploration arktischer Erdgas- und Erdölvorkommen sowie die Gefahr, die durch die Reaktoren und Atommüllvorkommen ausgeht, in den letzten Jahren eine höhere Priorität und führte zum Plan der vollständigen Entfernung durch die Föderale Agentur für Atomenergie Russlands (Rosatom). Speziell im Fall der K-27 wird dabei befürchtet, dass es bei der Bergung zu einer unkontrollierten Kettenreaktion und einer Explosion kommen könnte.[5] Im Januar 2016 wurde angekündigt, dass das in Italien hergestellte Bergungsschiff Itarus für die Bergung der U-Boote und der Atommüllcontainer genutzt werden soll.[6][7]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Belege und Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bemerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nicht 75, sondern nur 30 Meter Wassertiefe werden in einem Artikel von Anna Kireewa auf Bellona.org vom 27. Februar 2012 genannt[1]
  2. laut einer Tonbandaufzeichnung, die im Fernsehbericht abgespielt wurde, und auf der der stellvertretende Minister für Atomenergie, Sergei Antipow, zu hören sein soll, genügen bereits 5 Liter Wasser, um eine solche Reaktion auszulösen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ю.В. Апальков: Подводные лодки советского флота 1945–1991, том I. S. 101, 102
  2. a b K-27 bei deepstorm.ru, gesichtet am 26. September 2012
  3. a b Вячеслав Николаевич Мазуренко: К-27 "Жидкий Металл"
  4. Report Mainz vom 25. September 2012: Heimlich versenktes Atom-U-Boot droht Arktis radioaktiv zu verseuchen
  5. Anna Kireeva: Raising sunken nuclear subs finally taking center stage. Bellona Foundation, 22. April 2015.
  6. Charles Digges: Russia receiving ship capable of lifting nuclear waste from Arctic waters from Italy. Bellona Foundation, 24. Juli 2015.
  7. Charles Digges: Italy sending Russia a new nuclear waste transport vessel to haul submarine reactors. Bellona Foundation, 19. Februar 2016.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ю.В. Апальков: Подводные лодки советского флота 1945–1991, том I (etwa: J.W. Apalkow: U-Boote der sowjetischen Marine 1945–1991, Teil 1.) 2009, ISBN 978-5-903080-55-7 (russisch)
  • Вячеслав Николаевич Мазуренко: К-27 "Жидкий Металл", (etwa: Wjatscheslaw Nikolaewitsch Masurenko: K-27 "Flüssiges Metall") auf Sammlung auf world.lib.ru (russisch)
  • С.А. Спирихин: Надводные корабли, суда и подводные лодки постройки завода №402. (etwa: S.A. Spirichin: Überwasserschiffe, Fahrzeuge und U-Boote gebaut auf Werft Nr. 402.) Archangelsk, 2004, ISBN 5-85879-155-7 (russisch)
  • Виталий Петрович Власов: ПОДВОДНЫЕ ЛОДКИ ИСТОРИЯ РАЗВИТИЯ. (etwa: Vitali Wlassow: Geschichte der U-Boote.) Jekaterinburg, 2003

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]