KZ-Außenlager Germering-Neuaubing

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
KZ-Außenlager Germering-Neuaubing (München)
KZ-Außenlager Germering-Neuaubing (München)
Deutschland
München
Germering
Neuaubing
Lage der beiden KZ-Außenlager Germering und München-Neuaubing in/bei München.
BW

Die KZ-Außenlager Germering-Neuaubing waren zwei der 169 Außenlager des Konzentrationslagers Dachau. Der Flugzeughersteller Dornier-Werke Neuaubing ließ 1944 das KZ-Außenlager Germering westlich von München bauen, zudem das KZ-Außenlager München-Neuaubing, für hunderte eingesetzte KZ-Häftlinge. Die Anzahl der verstorbenen Gefangenen ist unbekannt. Lager für über tausend Zwangsarbeiter waren spätestens 1941 errichtet worden.

Zwischen den beiden KZ-Außenlagern lag das davon unabhängige Zwangsarbeiterlager Neuaubing, das dem Bahn-Ausbesserungswerk München-Neuaubing zugeordnet war. In München befanden sich weitere KZ-Außenlager wie Agfa Kamerawerke und München-Riem.

Dornier-Werke Neuaubing[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fabrikhallen der ehemaligen Dornier-Werke Neuaubing (Foto 2014)
Dornier Do 217 (1942)

1934 hatten die Dornier-Werke die Fabrik der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft (ISG) an der Brunhamstraße in München-Neuaubing gepachtet und 1935 mit der Produktion des Bombers Do 23 begonnen, 1936 mit den Flugzeugrümpfen der Do 17 und Do 217.[1] 1937 kauften und erweiterten sie die Fabrik mit weiteren Grundstücken und Gebäuden zur Ausweitung des Rüstungsgeschäfts. Für die 2800 Dornier-Mitarbeiter wurde 1938 bis 1939 die Siedlung am Gößweinsteinplatz gebaut. 990 Exemplare der Do 217 wurden im Werk Neuaubing von Ende 1940 bis Mitte 1944 produziert, zudem die Junkers Ju 88 und die Messerschmitt Me 410.[1] Spätestens ab 1943 setzte Dornier auch KZ-Häftlinge ein,[2] unter anderem Sinti und Roma.[3]

Im Juli 1944 wurden die Dornier-Werke Neuaubing schwer von Bomben getroffen.[1] Bei einem Bombenangriff starben 24 KZ-Häftlinge bei Dornier Neuaubing, weitere 60 wurden verwundet.[4]

KZ-Außenlager Germering[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das KZ-Außenlager Germering war schon ab März 1942 geplant worden. Die Genehmigung des Baus dieses „Gefolgschaftslagers“ an der Oberen Bahnhofstraße (bei der Dornierstraße[5]) durch die Dornier-Werke Neuaubing erfolgte im September 1943 durch den Gemeinderat Germering.[6]

Ab Oktober 1943, noch vor dem Bau des KZ-Außenlagers, war SS-Hauptscharführer Wilhelm Wagner Kommandoführer des Außenkommandos Germering. Ab Januar 1944 blieb er mit den Häftlingen im KZ-Außenlager Germering, bis er im April 1944 zum KZ-Außenlagerkomplex München-Allach (BMW) versetzt wurde.[2] Der International Tracing Service (ITS) bestätigt die Errichtung dieses Außenlagers im Januar 1944.[7] Schon im März 1944 wurde eine Erweiterung auf 22 Gebäude geplant, sechs davon sollten Funktionsgebäude werden – dies hätte einer Auslegung auf 1600 Häftlinge entsprochen.[6]

Bis Juli 1944 waren sechs Unterkunfts- und drei Mannschaftsbaracken errichtet sowie ein Quergebäude. Bis September wurden zwei weitere Unterkunftsbaracken fertiggestellt. Ein weiterer Ausbau erfolgte nicht mehr. Nach Augenzeugenberichten wurde das KZ-Außenlager ausschließlich von SS-Männern bewacht, es war danach[6] wie auch nach Luftbildern mit Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen umgeben.[5]

Der ehemalige Häftling Anton Jež (†) gab an, während des Aufbaus des Lagers hätten dort täglich 125 Mann gearbeitet. Der ITS gibt in seinem Verzeichnis eine mittlere Belegstärke von 50 Mann an,[6] im Rahmen des Dachau-Hauptprozesses wurden 300 genannt.[2] Die Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Dachau gibt etwa 280 Gefangene an, als Tätigkeit das Aufräumen nach Bombenangriffen für Dornier.[8] Während laut ITS am 1. Oktober 1944 das Lager letztmals erwähnt wurde, gaben Zeugen an, es sei erst im Mai 1945 aufgelöst worden. Es gibt Hinweise, dass in der fraglichen Zeit die Häftlinge täglich per Lkw vom KZ Dachau zum Arbeitseinsatz nach Germering und zurücktransportiert wurden.[7]

KZ-Außenlager München-Neuaubing[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schild beim ehemaligen Dornier-Werk Neuaubing

Zusätzlich zum Germeringer Außenlager gab es das damals genannte „SS-Arbeitslager Neuaubing“[8]. In den Dachauer Prozessen werden in zwei Verhandlungen die Lager Germering und Neuaubing jeweils als zwei verschiedene Lager benannt.[9] In einem Protokoll wird im Detail angegeben, dass ein SS-Wachmann um den 20. August 1944 vom Außenlager Neuaubing zum Außenlager Germering wechselte. Beide Außenlager werden dabei einzeln aufgeführt und jeweils explizit mit einer Belegung von etwa 300 Häftlingen angegeben.[10] In der Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Dachau wird das KZ-Außenlager München-Neuaubing mit etwa 500 Gefangenen angegeben, als Tätigkeit der Flugzeugbau für Dornier.[8]

Zwangsarbeiterlager[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dornier setzte für seine Produktion Zwangsarbeiter ein. So waren es Ende 1941 laut Meldung 844, und 1913 im Frühjahr 1944. Sie waren in verschiedenen Lagern in der Nähe untergebracht.[1] Eines der Zwangsarbeiterlager der Dornier-Werke, das „Russenlager“, befand sich ab 1941 rund um die heutige Kreuzung von Hohenstein- und Hoheneckstraße. 833 Zwangsarbeiter, darunter 144 Frauen, schliefen dort in neun Baracken. Am 21. Juli 1944 wurden die Baracken bei einem Bombenangriff zerstört.[1]

Juristische Aufarbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wilhelm Wagner, später im KZ-Außenlagerkomplex München-Allach (BMW) und KZ-Außenlager Riederloh tätig, wurde 1945 im Rahmen des Dachau-Hauptprozesses zum Tode verurteilt,[2] das Urteil 1946 vollstreckt. Zwei weitere SS-Wachmänner wurden in den Dachauer Prozessen zu je zwei Jahren Haft verurteilt.[10][9]

Nachnutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1956 bis 1991 produzierte Dornier wieder Flugzeuge in der Fabrik in Neuaubing, dann übernommen von EADS bzw. Airbus und bis zur Schließung 1995 weiterbetrieben.[1] Die ehemals von der ISG übernommene Fabrikhalle steht unter Denkmalschutz.[11] Die Baracken des KZ-Außenlagers Germering wurden von Heimatvertriebenen und Wohnungslosen bewohnt, von Unternehmen als Lager und zur Produktion verwendet. Eine Baracke wurde 2005 noch bewohnt.[6] Das „Russenlager“ für Zwangsarbeiter wurde nach dem Krieg für deutschstämmige Flüchtlinge instand gesetzt und in den 1980er Jahren mit einer Wohnsiedlung überbaut.[1]

Erinnerung und Gedenken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein öffentliches Mahnmal oder eine Gedenktafel für die KZ-Häftlinge gibt es nicht.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Autobiografisch

  • Anton Jež: Am dünnen Schicksalsfaden – Via dolorosa 2000 – Berichte über Lagererlebnisse in den Konzentrationslagern: KL Dachau, KZ Neuaubing / Germering - 1944, KZ Überlingen (Aufkirch) - 1944/45 und KZ Allach 1945. Bericht. Selbstverlag, Ljubljana 2013, ISBN 978-961-276-947-5, „KZ Neuaubing/Germering, ein ungewöhnliches Dachauer Kommando“ – Erinnerungen des Häftlings Nr. 66836, S. 5–35 (77 S., Dieses Buch von 2013 ist der 2. Teil seiner Aufzeichnungen, mit dem Kapitel 3).

KZ-Außenlager Germering-Neuaubing und Dornier-Werke Neuaubing

  • Franz Srownal: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 336 f. (607 S.).
  • Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum, Geoffrey P. Megargee (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, Germering (aka Neuaubing), S. 478 (englisch, 900 S., ushmm.org [PDF; 68,0 MB; abgerufen am 23. September 2020] Encyclopedia Vol-I, Part A).
  • Edith Raim: „… was Menschen fähig sind“ – Nationalsozialismus im Brucker Land. In: Reinhard Jakob im Auftrag des Landkreises Fürstenfeldbruck (Hrsg.): Jexhof-Hefte. Band 26. Bauernhofmuseum Jexhof, Schöngeising 2010, ISBN 978-3-932368-19-6, Der Landkreis Fürstenfeldbruck im nationalsozialistischen Lagersystem, S. 305–313 (400 S., Zur Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof, 28. Mai 2010 bis 9. Januar 2011 / Zum KZ-Außenlager Germering).
  • Elvira Auer: Aubing-Lochhausen-Langwied – Dornier-Werk. In: Landeshauptstadt München Kulturreferat (Hrsg.): KulturGeschichtsPfad. 2. Auflage. Band 22. München 2015, OCLC 911203111, Dornier-Werk, S. 42–46, 58 f., 64 (99 S., muenchen.de [PDF; 7,2 MB; abgerufen am 20. August 2022]).

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eintrag Germering in Arolsen Archives International Center on Nazi Persecution (UNESCO-Weltdokumentenerbe) über International Tracing Service (ITS), Bad Arolsen, online unter collections.arolsen-archives.org.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g Elvira Auer: Aubing-Lochhausen-Langwied – Dornier-Werk. In: Landeshauptstadt München Kulturreferat (Hrsg.): KulturGeschichtsPfad. 2. Auflage. Band 22. München 2015, OCLC 911203111, S. 42–46, 64 (99 S., muenchen.de [PDF; 7,2 MB; abgerufen am 20. August 2022]): „wurden Zwangsarbeiter eingesetzt: Im Dezember 1941 waren es 855, im Frühjahr 1944 sogar 1.913. Diese waren in verschiedenen Lagern in Werksnähe untergebracht. Im Neuaubinger Dornier-Werk kamen auch mindestens 60 Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau zum Einsatz.“
  2. a b c d Charles E. Cheever: Case No. 000-50-2 (US v. Martin Gottfried Weiss et al) Trial concluded 13 December 1945. Originaldokument. In: Headquarters Third US Army and Eastern Military District – Office of Judge Advocate (Hrsg.): The Dachau Trials: Dachau Cases. Dachau 1945, S. 2, 31 f., 94 f., 146 f. (englisch, 166 S., jewishvirtuallibrary.org [PDF; 40,0 MB; abgerufen am 20. August 2022] Dokument des Dachau-Hauptprozesses; hier: Wilhelm Wagner / Zur Dornier-Kantine s. S. 95): “Wagner in his own handwriting on 31 October 1945 […]: ‚[…] I was a detail leader in charge of a detail at Germering […]‘ […] In April 1944, he went to Allach […] he received in October 1943, a detail, which went to Germering each day […]. From 3 January 1944 on he remained with the detail in Germering.”
  3. Walter Weiss: Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau, 1943–44 – vor dem Hintergrund ihrer Verfolgung unter der Naziherrschaft. Konferenzschrift. Hrsg.: Wacław Długoborski. Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświe̜cim/Polen 1998, ISBN 978-83-8504706-3, I.5. Sklavenarbeit von Sinti und Roma im „Dritten Reich“, S. 85 (452 S.).
  4. Irmtraud Permooser: Der Luftkrieg über München 1942-1945 – Bomben auf die Hauptstadt der Bewegung. Dissertation. 2. Auflage. Aviatic, Oberhaching 1997, ISBN 978-3-925505-37-9, S. 272 (398 S.): „24 KZ-Häftlinge fielen im Deckungsgraben der Firma Dornier in Neuaubing, 60 wurden verwundet.“
  5. a b Archivar erinnert an KZ-Lager in Germering. In: merkur.de. 11. März 2020, abgerufen am 20. August 2022 (Lokales / Fürstenfeldbruck): „Germering – Stadtarchivar Guckenbiehl präsentierte in seinem Vortrag über die Grabungsergebnisse auch neue Erkenntnisse vom ehemaligen Gefangenenlager in der Dornierstraße.“
  6. a b c d e Franz Srownal: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Band 2. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3, S. 336 f.
  7. a b Evelyn Zegenhagen: Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA). Enzyklopädie. In: United States Holocaust Memorial Museum (Hrsg.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. I A. Indiana University Press, Bloomington, USA 2009, ISBN 978-0-253-35328-3, Germering (aka Neuaubing), S. 478 (englisch): “Aerial photographs prove that as of July 1944, six barracks for inmates, three barracks for guards, and one other building had been erected. Another aerial photograph from September 1944 shows the completion of two more barracks. […] The camp was surrounded by a barbed-wire fence and watchtowers and guarded by SS.”
  8. a b c Außenlager und Außenkommandos des KZ Dachau. (PDF; 28 KB) Ausstellungstafeln. In: hdbg.de. Haus der Bayerischen Geschichte, 22. April 2003, S. 1 f., abgerufen am 20. August 2022 (Ausstellung KZ-Gedenkstätte Dachau / Die Ausstellung / 10 Außenlager und Außenkommandos des KZ Dachau / Karte der Außenlager): „Ort Germering / Bezeichnung SS-Arbeitslager Germering / Zeit des Bestehens 1944 / Zahl der Häftlinge ca. 280 / Arbeit Fa. Dornier (Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen) […] Ort München-Neuaubing / Bezeichnung SS-Arbeitslager Neuaubing / Zeit des Bestehens 1944–1945 / Zahl der Häftlinge ca. 500 / Arbeit Fa. Dornier (Flugzeugbau)“
  9. a b Elmer Moody: Case No. 000-50-2-14 (US vs. Jacob Au et al) Tried 5 November. 46. Originaldokument. In: Deputy Judge Advocate’s Office – War Crime Group (Hrsg.): The Dachau Trials: Dachau Cases (1945 – 1947) – Other Dachau Cases. Dachau 1946, 3. Evidence, S. 3 (englisch, 6 S., jewishvirtuallibrary.org [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 20. August 2022]): “was an Air Force and SS guard at outcamps Allach, Neu Aubling and Germering from 24 March 1944 to February 1945 […] At camps in Neu Aubling and Germering”
  10. a b Elmer Moody: Case No. 000-50-2-12 (US vs. Andreas Mueller et al) Tried 6 November. 46. Originaldokument. In: Deputy Judge Advocate’s Office – War Crime Group (Hrsg.): The Dachau Trials: Dachau Cases (1945 – 1947) – Other Dachau Cases. Dachau 1946, 3. Evidence, S. 4 f. (englisch, 8 S., jewishvirtuallibrary.org [PDF; 1,8 MB; abgerufen am 20. August 2022]): “was an SS guard at outcamp Neu Aubling from 5 August 1944 to about 20 August 1944; outcamp Germering from 20 August 1944 to October 1944; […] Approximately 300 prisoners from Camp Neu Aubling worked in the Dornier factory. At Camp Germering, approximately 300 prisoners worked in either the airplane factory or in the construction barracks.”
  11. Internationale Schlafwagengesellschaft. In: bayern.de. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, abgerufen am 20. August 2022 (D-1-62-000-8687): „Brunhamstraße 19 a […] Ehem. Wagenhalle der Compagnie Internationale des Wagons-Lits bzw. Internationale Schlaf- und Speisewagen-Gesellschaft, eingeschossiger Hallenbau mit Oberlichtern […]“

Koordinaten: 48° 8′ 27,6″ N, 11° 25′ 37,2″ O