Kieferts Wurstpavillon

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Kieferts Wurstpavillon
Kieferts Wurstpavillon nach dem Abbau, hier 2016 während der Lagerung auf dem Betriebshof der Bremer Straßenbahn AG

Kieferts Wurstpavillon nach dem Abbau, hier 2016 während der Lagerung auf dem Betriebshof der Bremer Straßenbahn AG

Daten
Ort Bremen
Architekt Eberhard Gildemeister
Lore Krajewski (Rekonstruktion)
Bauherr Otto Kiefert
Baujahr 1931, rekonstruiert 1949
Höhe 2,55 m
Grundfläche etwa 30–32 m²
Besonderheiten
Abbau 1998, Sanierung 2016 (nach Zwischenlagerung)

Kieferts Wurstpavillon ist ein Gebäude in Bremen, das von 1931 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und als Rekonstruktion von 1949 bis 1998 auf dem Bahnhofsplatz des Bremer Hauptbahnhofs stand. Der Pavillon diente als Imbissstand und Kiosk. Seit 2016 ist er im Besitz des Bremer Focke-Museums, auf dessen Freigelände er seinen endgültigen Standort erhalten soll.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang der 1930er Jahre kam der Unternehmer Otto Kiefert auf die Idee, den Reisenden am Bremer Hauptbahnhof eine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ anzubieten. In seinem Auftrag plante der Bremer Architekt Eberhard Gildemeister einen Verkaufspavillon, der gegenüber dem Haupteingang des Bahnhofs errichtet wurde. Der Pavillon ist 6,80 Meter lang, die gerundeten Schmalseiten haben eine Breite von 4,71 Meter. Er ist 2,55 Meter hoch, rundum verglast und hat ein weit auskragendes flaches Flugdach.[1][2]

Otto Kiefert, der seinen Gaststättenbetrieb gerade gegründet hatte, eröffnete den Verkaufsstand am 1. April 1931.[3] Er betrieb dort eine Trinkhalle mit Zubehörverkauf und bot zudem Obst und Blumen an.[4]

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude zerstört. Die Architektin Lore Krajewski, Schülerin und Kollegin Eberhard Gildemeisters, rekonstruierte den Pavillon im Jahr 1949 im Auftrag von Martin Kiefert (1921–2017)[5], dem Sohn des Unternehmensgründers. Krajewski ersetzte die ehemaligen Holzteile durch Leichtmetall. Der rekonstruierte Pavillon wurde fortan als Imbissstand betrieben und bot vor allem Wurst mit Senf, Kartoffelsalat, belegte Brötchen, Suppen und Getränke an.[4][3] Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Wurstpavillon mit dem rot-weißen Volant unterhalb der umlaufenden Flugdachblende und dem Schriftzug mit dem Namen Kieferts am Dach zu einer Bremensie.[6]

Ende der 1990er-Jahre wurde der Bahnhofsplatz umgestaltet. Der Pavillon stand der geplanten Umsteigestation für Regionalbusse im Weg. Er wurde 1998 abgebaut und in der Neustadt auf einem Grundstück in kommunalem Besitz aufgestellt.[6] Als dieses Grundstück verkauft wurde, schenkte Joachim Kiefert – der Enkel des Unternehmensgründers – von der Martin Kiefert Gaststättenbetriebe Gmb & Co KG den Gildemeister-Pavillon 2010 „wie er steht und liegt, ohne jede Gewähr“[6][7] der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Den Schenkungsvertrag unterschrieb er am 22. November 2010 auf einer Wurstpappe.[6][7][8] Die BSAG brachte den Pavillon auf ihrem Betriebshof in der Neustadt unter, wo er unterhalb der über das Betriebsgelände hinwegführenden Hochstraße im Verlauf der BAB 281 regengeschützt abgestellt und gelagert wurde.[2]

Durch Berichte in den Medien wurde das Focke-Museum auf den Pavillon aufmerksam und zeigte Interesse, ihn zu übernehmen.[7] Im August 2016 gab die BSAG den Pavillon als Schenkung an das Focke-Museum, das Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, weiter. Das Museum schloss einen Leihvertrag über sieben Jahre mit dem Bremer Investor und Bauunternehmer Thomas Stefes ab, der für den Gebäudekomplex der ehemaligen Bremer Bank am Domshof die „Markthalle Acht“ entwickelte.[9] Stefes verpflichtete sich zur Sanierung. Nach Ablauf der Leihfrist soll der Pavillon auf dem Gelände der Focke-Museums aufgestellt werden.[6]

Mitte August 2016 wurde der Pavillon vom BSAG-Gelände zum Betriebshof eines Kranunternehmens transportiert,[2] wo der rund 15 Tonnen schwere Pavillon saniert wurde.[6] Um das Gewicht der Pavillonkonstruktion zu reduzieren, wurde eine 30 Zentimeter starke Betonsohle entfernt.[6] Außerdem wurde die umlaufende Werbetafel auf dem Dach mit dem früheren Firmennamen demontiert. Der instandgesetzte Pavillon wurde Mitte November 2016 in die Markthalle versetzt.[10]

Ende November 2016 wurde die Markthalle Acht eröffnet, der „Kult-Imbiss“ diente zunächst nur als Ausstellungsstück.[10] Ab August 2017 wurde der Pavillon im Lichthof der Markthalle als Aperitivo-Bar nach italienischem Vorbild genutzt.[11] Im April 2022 wurde der Pavillon von der Markthalle, in der der Platz anderweitig benötigt wurde, in die Halle der ehemaligen Atlas-Werke in der Überseestadt transportiert. In der Halle wird eine „Event-Location“ betrieben.[12]

Gutachten des Landesamtes für Denkmalpflege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als rechtlich fliegender Bau steht der Pavillon nicht unter Denkmalschutz, denn für diese Art von Bauwerken ist das Landesamt für Denkmalpflege Bremen nicht zuständig.[6] Als der Pavillon der Neugestaltung des Bahnhofsplatzes weichen musste, beschäftigte sich die Landesdenkmalpflege 1998 gleichwohl in einem Gutachten mit dem Bauwerk und riet unbedingt zur Erhaltung. Der Pavillon sei „mit seiner Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ ein „lokales Zeugnis der Entwicklung des modernen Bahnreisewesens“. Die Architektur vermittele den „Eindruck von Leichtigkeit und konstruktiver Klarheit“. Das Gutachten hob die „großzügige Verglasung, die gerundeten Schmalseiten des Baus, die Betonung der Horizontalen“ und das „filigrane, weit vorspringende, flache Flugdach“ hervor.[7] Es würdigte nicht nur die architektonische Bedeutung: „Dass der Pavillon ein erhaltenswertes Soziotop darstellt, wovon man sich bei einer Bratwurst leicht überzeugen kann, sei nur nebenbei bemerkt.“[13]

Ausgleichsmaßnahme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2005 errichtete die Firma Kiefert einen neuen Wurstpavillon auf einem kleinen Platz an der Bahnhofstraße/Ecke Philosophenweg im Bremer Ortsteil Bahnhofsvorstadt. Die Stadt Bremen erteilte die Genehmigung aufgrund einer von ihr gegebenen Zusage bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und dem Abbau des Gildemeister-Pavillons sowie als „Ausgleich für rückläufige Umsätze an zwei weiteren Standorten“ von Kiefert in Bremen infolge von städtebaulichen Maßnahmen.[14]

Der neue Wurstpavillon an der Bahnhofstraße wurde in Anlehnung an den von Lore Krajewski rekonstruierten Gildemeister-Pavillon gestaltet. Er erhielt unter anderem einen ellipsenförmigen Grundriss, ein Flugdach und eine umlaufende Dachblende mit Werbebeschriftung. Ende 2005 wurde er in Betrieb genommen.[14][15]

Hörfunk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kieferts Wurstpavillon – Ein Stück Bremer Stadtgeschichte. In: Bremen Eins, Sendereihe Land und Leute, gesendet am 5. Juli 2016
  • Franziska Rattei: Kieferts Wurstpavillon. In: Nordwestradio, Sendereihe Schauplatz Nordwest, gesendet am 5. Juli 2016 (3:44 Minuten; vgl. Programmhinweis auf radiobremen.de, mit Audiozugang zu der Hörfunk-Kurzreportage)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jürgen Hinrichs: Bei ihm ging’s um die Wurst. In: Weser-Kurier.de. Bremer Tageszeitungen AG, 27. Mai 2017, abgerufen am 10. Juni 2017.
  2. a b c Pascal Faltermann: Vorbereitung für neue Markthalle am Domshof. Traditionsimbiss von Martin Kiefert geht auf Reise. In: Weser-Kurier.de. Bremer Tageszeitungen AG, 16. August 2016, abgerufen am 28. November 2016.
  3. a b Florian Hanauer: Kiefert-Pavillon: 15-Tonnen Bremensie wird verladen. In: Weser-Report.de. KPS Verlagsgesellschaft mbH, 16. August 2016, abgerufen am 16. August 2016.
  4. a b (fr): Martin-Kiefert-Betriebe bestehen 50 Jahre. In: Weser-Kurier. 1. April 1981, S. 14.
  5. Traueranzeige für Martin Kiefert. In: trauer.weser-kurier.de. Bremer Tageszeitungen AG, 24. Mai 2017, abgerufen am 9. Juni 2017.
  6. a b c d e f g h Thomas Kuzaj: „Verschwunden“: Die ovale Wurstbude vom Hauptbahnhof kommt in die Markthalle. Ein Pavillon auf Reisen. In: Kreiszeitung.de. Kreiszeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 16. August 2016, abgerufen am 28. November 2016.
  7. a b c d Jürgen Hinrichs: Bremens schönste Bude. Der alte Wurstpavillon von Kiefert hat plötzlich wieder eine Zukunft / Focke-Museum an Übernahme interessiert. In: Weser-Kurier. 21. Februar 2014, S. 9 (online [abgerufen am 28. November 2016]).
  8. Siehe Foto 2/15 in der Fotostrecke: 70 Jahre lang vor dem Hauptbahnhof. Kiefert-Würstchenbude zieht um. In: Weser-Kurier.de. Bremer Tageszeitungen AG, 16. August 2016, abgerufen am 29. November 2016 (Fotos: Karsten Klama).
  9. Sabine Doll: Am Domshof. Erster Mieter in neuer Markthalle Acht öffnet. In: Weser-Kurier.de. Bremer Tageszeitungen AG, 16. September 2016, abgerufen am 29. November 2016.
  10. a b Sabine Doll: Markthalle mit Kult-Imbiss. Am Sonnabend eröffnet das Millionenprojekt am Domshof – es soll die Innenstadt beleben. In: Weser-Kurier. 25. November 2016, S. 9 (online [abgerufen am 29. November 2016]).
  11. (HBK): Kiefert-Pavillon wird zur Bar. In: Weser-Kurier. 18. August 2017, S. 13 (online [abgerufen am 18. August 2017]).
  12. Thomas Kuzaj: Der Bremer Kiefert-Pavillon zieht wieder einmal um. In: kreiszeitung.de. 31. März 2022, abgerufen am 31. August 2022.
  13. Jürgen Hinrichs: Beim Pavillon geht es jetzt um die Wurst. In: weser-kurier.de. 3. Februar 2014, abgerufen am 9. Juni 2017.
  14. a b Heinz Holtgrefe: Neuer Wurst-Pavillon von Kiefert in der Bahnhofstraße. „Ausgleich für rückläufige Umsätze an zwei anderen Standorten“. In: Weser-Kurier. 9. September 2005, S. 14.
  15. Volker Junck: Wurst kommt vom Pavillon. Neuer Kiefert-Imbiss eingeweiht. In: Weser-Kurier. 20. Dezember 2012, S. 7.