Kriegerdenkmal der Universität Göttingen

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Das Kriegerdenkmal der Universität Göttingen oder Ehrenmal für die gefallenen Göttinger Universitätsangehörigen wurde am 23. November 1924 (Totensonntag) vor dem Auditoriengebäude der Georg-August-Universität Göttingen feierlich enthüllt. Es soll an die 748 gefallenen Beamten, Dozenten und Studenten erinnern, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren. Es wurde von dem Bildhauer Joseph Kemmerich entworfen und ausgeführt, der 1921 nach Göttingen gekommen war und die Nachfolge des verstorbenen Johannes Hermann Otto Peters als Universitätszeichenlehrer antrat.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Universität hatte für die Planung, Finanzierung und Durchführung des Mahnmals bereits im Jahr 1915 eigens eine „Gefallenendenkmalkommission“ oder „Kommission zur Errichtung eines Ehrenmals für die gefallenen Göttinger Universitätsangehörigen“ eingerichtet. Diese beschloss im Januar 1923, das Werk durch den Verkauf von Bildern aus der universitätseigenen Gemäldesammlung zu finanzieren. Der Kunsthistoriker Georg Vitzthum von Eckstädt wandte sich daher an den Kunsthändler Rudolf Bangel, der die entsprechenden Werke begutachten und taxieren sollte. Am 3. März 1923 reiste Bangel nach Göttingen und verzeichnete 55 Gemälde auf seiner Liste für die geplante Auktion und den zugehörigen Versteigerungskatalog. Am 24. April wurden 43 Bilder angeboten, die Versteigerung der restlichen zwölf Werke erfolgte am 26. Juni. Dabei wurde insgesamt ein Nettoerlös von 12.052.300,- Reichsmark eingenommen.[1] In der Zeit der Hyperinflation verlor diese Geldsumme allerdings schnell an Wert. Auch viele der Mitglieder der naturwissenschaftlichen Fakultät hatten sich an der Geldsammlung für das Denkmal beteiligt.

Bei der Feier zur Enthüllung des Denkmals war Feldmarschall Paul von Hindenburg anwesend. Zunächst hielt der Rektor Julius Binder eine Weiherede. Anschließend sprach von Hindenburg, seit 1917 Ehrenbürger der Universität, zu den rund 7000 Gästen und legte einen großen Lorbeerkranz am Denkmal nieder.

Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorderseite mit Inschrift

Das Denkmal wurde aus drei großen Dolomitblöcken angefertigt und hat eine Höhe von 510 cm. Es sollte keine heroische Darstellung des Krieges sein. Auf dem hochragenden Steinsockel sieht man eine Gruppe von acht großen unbekleideten Jünglingen. Ihre Körperhaltung drückt Trauer und Erschöpfung aus. Sie tragen den leblosen Körper eines gefallenen Kameraden auf ihren Schultern. Der Sockel trägt neben den Namen der im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Universität an der Frontseite des Sockels eine Inschrift:

Ihren in Weltkrieg Gefallenen. Die Georgia Augusta

Im April 1957 wurde diese durch einen weiteren Text ergänzt und schließt dadurch die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs mit ein:[2]

Den Toten der Georgia Augusta 1914–1918, 1939–1945

Dabei stand der Wunsch nach Friedenserziehung im Vordergrund.[3]

Bildhauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Joseph Louis Benoit Kemmerich (1868–1933) wurde als unehelicher Sohn einer aus Köln stammenden Mutter in Lüttich geboren. Er studierte Bildhauerei an der Akademie in Lüttich und bei Charles van der Stappen an der Académie Royale des Beaux-Arts Brüssel. Seit 1904 beschickte er den Salon de Paris und den Salon de Bruxelles mit Figurengruppen und Porträtbüsten. Im Jahr 1909 erhielt er dort den ersten Preis für eine bronzene Brunnenskulptur,[4] die 1920 eingeschmolzen wurde. Da er 1919 vom „obersten Belgischen Gericht wegen Kollaboration mit der deutschen Verwaltung im Ersten Weltkrieg zum Tode verurteilt worden“ war, musste er zudem sein Vaterland fluchtartig verlassen und kam nach Göttingen. Nachdem Kemmerich 1921 einen Entwurf für die Skulpturengruppe ausgearbeitet hatte und dieser angenommen worden war, fertigte er das Monument von 1922 bis 1924 unentgeltlich an. Die Göttinger Steinmetzfirma Eichler meißelte die 748 Namen der Gefallenen in den Sockel. Die Statue des Chemikers Friedrich Wöhler, die bisher auf dem Platz gestanden hatte,[5] der für das Denkmal ausgewählt wurde, musste weichen.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carina Marunde: Das Ehrenmal für die gefallenen der Universität. In: Michael Sauer (Hrsg.): Denkmäler in Göttingen: Handreichungen für den Geschichtsunterricht. Universitätsverlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-86395-050-7, S. 64–71 (books.google.de – Leseprobe).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ausverkauf fürs Ehrenmal. In: Dinge des Wissens – die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen. Wallstein Verlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8353-1064-3, S. 91 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
  2. Ehrenmal der Gefallenen der Universität denkmale.goettingen.de.
  3. James Frank Lemmerich: Die Zeit in Göttingen. In: Aufrecht im Sturm der Zeit – der Physiker James Franck, 1882–1964. Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Diepholz / Stuttgart / Berlin 2007, ISBN 978-3-928186-83-4, S. 82–190, hier 124–125 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
  4. Marguerite Devigne: Kemmerich, Joseph Louis Benoit, belg. Bildhauer. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 20: Kaufmann–Knilling. E. A. Seemann, Leipzig 1927, S. 136 (Textarchiv – Internet Archive).
  5. Wöhler Denkmal denkmale.goettingen.de.
  6. 3.6.6. Die Universitätszeichenlehrer In: Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten Vom 14. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Universitätsverlag, Göttingen 2022, S. 134–135 (univerlag.uni-goettingen.de PDF).

Koordinaten: 51° 32′ 17,4″ N, 9° 56′ 3,5″ O