Kriwitschen

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Die Kriwitschen (russisch кривичи, wiss. Transl.: kriviči) waren ein ostslawischer Stamm, der an der oberen Düna um Polazk im heutigen Belarus sowie am oberen Dnepr um Smolensk im heutigen westlichen Russland siedelte. Möglicherweise sind sie mit dem von Herodot so bezeichneten Volk der Crobyzi Thraces identisch.[1]

Verbreitungsgebiet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kultur der Lang-Kurgane

Kriwitschen siedelten nach der Nestorchronik in verschiedenen Gebieten[2]

Archäologische Forschungen vermuten aufgrund charakteristischer Lang-Kurgane (Hügelgräber mit länglicher Form, 50 m × 7 m × 1 m) Siedlungen der Kriwitschen auch

Die estnische Archäologin M. Aun setzt die Entstehung dieser Lang-Kurgane im Gebiet des östlichen Estland östlich des Peipussees im 1. Jahrtausend an,[3] der russische Archäologe W. W. Sedow unterscheidet zwei Gruppen von Kurganen: eine am Peipussee um Pskow (6./7. Jhd.) (Siedlungsgebiet der Tschuden) und eine spätere an oberer Dwina und Dnjepr (8./9. Jhd.) (Siedlungsgebiet der Kriwitschen).[4]

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name leitet sich möglicherweise aus dem Baltischen her. Das gesamte Gebiet entlang der Düna war baltisches Siedlungsgebiet. Auch archäologische Funde ergaben baltische Elemente in der materiellen Kultur. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer ursprünglich baltischen Herkunft eines Teils der Kriwitschen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Nestorchronik riefen im Jahr 862 die Kriwitschen zusammen mit ihren Nachbarn, den ostseefinnischen Tschuden und Wes, sowie den Ilmenslawen die skandinavischen Waräger dazu auf, über sie zu herrschen. Sie waren eines der wichtigsten Stämme, die im Rahmen der slawischen Ostsiedlung die heutigen zentralrussischen Gebiete zwischen der Wolga und der Oka besiedelten, die den Kern des späteren Großfürstentums Wladimir-Susdal darstellten. Nördlich von ihnen erfolgte die slawische Kolonisierung durch die Ilmenslawen, im Süden grenzten sie an die Wjatitschen. Wie bei den meisten ostslawischen Stämme verschwindet ihre Erwähnung ab dem 12. Jahrhundert aus den Chroniken, was viele Historiker als Zeugnis der stattgefundenen Herausbildung eines altrussischen Volkes sehen.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahrscheinlich nach den Kriwitschen heißt Russland in der lettischen Sprache Krievija.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sedov, V. V.: Krivitschi, in: Sovjetskaja archeologija, Bd. 1, 1960
  • Schich, M. M.: K voprosu ob etnitscheskoj prinadleshnosti krivitschej (Zur Frage der ethnischen Herkunft der Kriwitschen), Vestnik Lipezkovo gosudarstvennovo pedagogitscheskovo universiteta.Serija gumanitarnye nauki., Bd. 1 (8), 2013, S. 8–17 online
  • Schmidt, E. A.: Krivitschi Smolenskogo Podneprov'ja i Podvin'ja v svete archeologitscheskich dannych (Die Kriwitschen im Smolensker Dnjeprgebiet und im Dünagebiet im Lichte archäologischer Erkenntnisse), Smolensk 2012 online

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Herodot IV.49, vgl. Friedrich Carl Hermann Kruse: Ur-Geschichte des Esthnischen Volksstammes und der Kaiserlich Russischen Ostseeprovinzen Liv-, Esth- und Curland. Severin, Moskau 1846, S. 158.
  2. Von diesen auch die Kriwitschen, diese siedelten an der oberen Wolga, und an der oberen Düna und am oberen Dnjepr, ihre Stadt ist Smolensk, dorthin haben sich die Kriwitschen niedergelassen
  3. M. Aun: Kurgannye mogilniki Wostotschnoj Estonii wo wtoroj polowine 1 tysjatscheletija naschej ery (Kurgane des östlichen Estlands in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends unserer Zeitrechnung), Tallinn 1980
  4. W. W. Sedoow: Kultura pskowskich dlinnych kurganow (Kultur der langen Kurgane bei Pskow) in: Slawjane w rannem srednewekowe, Moskau 1995, S. 211–217, 416, online (russisch) (Memento vom 11. Juni 2003 im Internet Archive)