Kulturpolitikwissenschaft

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Kulturpolitikwissenschaft ist die Forschung zur Kulturpolitik und die aus dieser Forschung entstehende Lehre. In diesem interdisziplinären Teilbereich der Politikfeldanalyse wirken insbesondere Kunst- und Geschichtswissenschaften, Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften zusammen.

Die scientific community verschiedener Länder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In verschiedenen Ländern hat sich eine streitbare scientific community gebildet. Sie reagiert auf die jeweilige historische Konstellation ihrer Kulturpolitik. Anfang der 1990er Jahre entwickelten sich im angelsächsischen Raum Cultural Policy Research bzw. Cultural Policy Studies aus den Cultural Studies. Cultural Studies haben sich inzwischen in verschiedene Schulen aufgefächert. 2016 fand die 9. International Conference on Cultural Policy Research (ICCPR) in Seoul, Südkorea, statt.[1] Die 8. Ausgabe 2014 richtete das Institut für Kulturpolitik der Stiftung Universität Hildesheim aus.[2] Die ICCPR-Konferenzen stehen im Umfeld des früheren European Journal of Cultural Policy (1994–1997) und heutigen International Journal of Cultural Policy (1997-heute), das vom Centre for Cultural Policy Studies der University of Warwick herausgegeben wird.[3] Seit 1998 erstellt der Europarat eine laufend aktualisierte Bestandsaufnahme der Kulturpolitiken seiner Mitgliedsstaaten (16. Auflage 2015).[4]

In Japan gibt es eine Reihe von Lehrstühlen und eine nach deutschem Vorbild gegründete Kulturpolitische Gesellschaft (日本文化政策学会, The Japan Association for Cultural Policy Research).[5] In Finnland bietet die Universität Jyväskylä seit 1990 ein einschlägiges Doktorandenprogramm und seit 2000 ein Master's Degree Programme in Cultural Policy an.[6] In Frankreich unterhält der Staat eine eigene Forschungsabteilung innerhalb des Ministère de la Culture et de la Communication[7] und in Grenoble das Observatoire des politiques culturelles. Masterstudiengänge mit kulturpolitikwissenschaftlichem Profil führen unter anderem die Universitäten Lyon,[8] Nantes,[9] Paris Diderot-Paris 7,[10] Pau et des Pays de l’Adour[11] und Stendhal-Grenoble 3[12]. In Italien werden Scienze dei beni culturali landesweit angeboten. In Polen wurde die Kulturpolitikwissenschaft insbesondere am Instytut Kultury der Jagiellonen-Universität und am International Cultural Centre, beide Krakau, aufgebaut. Zu einem aktuellen internationalen Überblick vergleiche Laaksonen (2015).[13]

Explizit für Kulturpolitikwissenschaft berufene Hochschullehrer im deutschsprachigen Raum sind Wolfgang Schneider[14] in Hildesheim und Matthias Theodor Vogt[15] in Görlitz. Experte für kommunale Kulturpolitik ist Armin Klein. Experte für US-amerikanisch-europäische Vergleichsstudien der Kulturpolitik ist Steffen Höhne, Bauhaus-Universität Weimar. Tasos Zembylas, Spezialist für staatlich-österreichische Kulturpolitik, ist Professor für Kulturbetriebslehre am Institut für Musiksoziologie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Eine „verstärkte Kulturpolitikforschung“ ist einer der kulturpolitischen Kernpunkte der Großen Koalition von 2013. Kennzeichnend für die wissenschaftliche Situation in Deutschland sind zahlreiche Verschränkungen zwischen Kulturökonomie, Kulturmanagement und Kulturpolitik.

Außerhalb des unmittelbar akademischen Bereichs reflektieren zur Kulturpolitik zahlreiche Akteure der Zivilgesellschaft, darunter insbesondere

  • die Evangelische Akademie Loccum mit ihren (seit 1977) inzwischen 61 Kulturpolitischen Kolloquien,[16]
  • die 1983 von Willy Brandt begründeten „Kulturforen“ der SPD,[17]
  • das im Zuge der Berlin-Bonn-Ausgleichsfinanzierung 1996 gegründete Institut für Kulturpolitik[18] der Kulturpolitischen Gesellschaft,[19] der „bundesweiten Vereinigung kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen seit 1976“, mit seinem Jahrbuch für Kulturpolitik (seit 2000), den Kulturpolitischen Bundeskongressen (seit 2001) und dem Kulturpolitischen Informationssystem (Chronik wichtiger kulturpolitischer und kultureller Ereignisse seit 2000).
  • die von Norbert Lammert 2001 begründeten und stets geleiteten Potsdamer Gespräche zur Kulturpolitik[20] der Konrad-Adenauer-Stiftung,
  • Politik und Kultur, die Zeitschrift des Deutschen Kulturrates, Spitzenverband der Bundeskulturverbände, unter Leitung von Olaf Zimmermann und Theo Geißler.

UNESCO-Definition des Aufgabengebietes von Kulturpolitikwissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Generaldirektion der UNESCO führte auf Initiative der Division of Cultural Policies im November 2000 in Paris ein Expertentreffen zum Thema Cultural Policies: Training and International Cooperation durch.[21] Als konkrete Arbeitsgebiete der Kulturpolitikwissenschaft aus Sicht der UNESCO wurden benannt:

  • Kulturelle Vielfalt
  • die Rolle der Kultur in der Eine-Welt-Perspektive
  • Kultur für den Frieden
  • die Künste als Regulierungskraft von Gesellschaft
  • Dezentralisierung und Bürgerbeteiligung
  • gleichberechtigter Zugang zum kulturellen Leben insbesondere zwischen Männern und Frauen
  • Kultur für Zivilität / Bürgerschaftlichkeit
  • Kultur als Herzstück von Entwicklung.[22]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Beyme: Kulturpolitik und nationale Identität: Studien Zur Kulturpolitik Zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Autonomie, Köln 1998.
  • Claudia Burkhard: Kulturpolitik als Strukturpolitik? Konzepte und Strategien deutscher und italienischer Kulturpolitik im Vergleich. Studien zur Kulturpolitik. Cultural Policy, hrsg. v. Wolfgang Schneider, Band 17, Frankfurt am Main 2015.
  • Maria Davydchyk: Transformation der Kulturpolitik. Kulturpolitische Veränderungen nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Mittel- und Osteuropa, Wiesbaden 2012.
  • Deutscher Bundestag (Hrsg.): Schlußbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Regensburg 2008.
  • Fuchs, Max (1998): Kulturpolitik als gesellschaftliche Aufgabe. Eine Einführung in Theorie, Geschichte, Praxis. Opladen.
  • Max Fuchs: Kulturpolitik. Wiesbaden 2007.
  • Steffen Höhne (Hrsg.): „Amerika, ein Land der Zukunft“? Kulturpolitik und Kulturförderung in kontrastiver Perspektive. Weimarer Schriften zu Kulturpolitik und Kulturökonomie, 3. Leipzig 2008.
  • Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2014. Band 14 – Neue Kulturförderung. Jahrbuch für Kulturpolitik 2013. Band 13 – Kulturpolitik und Planung. Jahrbuch für Kulturpolitik 2012. Band 12 – Neue Kulturpolitik der Länder. Jahrbuch für Kulturpolitik 2011. Band 11 – Digitalisierung und Internet. Jahrbuch für Kulturpolitik 2010. Band 10 – Kulturelle Infrastruktur. Jahrbuch für Kulturpolitik 2009. Band 9 – Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik. Jahrbuch für Kulturpolitik 2008. Band 8: Kreativwirtschaft und Kreative Stadt. Jahrbuch für Kulturpolitik 2007. Band 7 – Europäische Kulturpolitik. Jahrbuch für Kulturpolitik 2006. Band 6 – Diskurs Kulturpolitik. Jahrbuch für Kulturpolitik 2005. Band 5 – Kulturpublikum. Jahrbuch für Kulturpolitik 2004. Band 4 – Theaterdebatte. Jahrbuch für Kulturpolitik 2002/03. Band 3 – Interkultur. Jahrbuch für Kulturpolitik 2001. Band 2 – Kulturföderalismus. Jahrbuch für Kulturpolitik 2000. Band 1 – Bürgerschaftliches Engagement. Jeweils Bonn / Essen.
  • Rolf Keller, (2011): Die Kulturpolitik der Schweiz. In: Klein, Armin (Hg.), Kompendium Kulturmanagement. Handbuch für Studium und Praxis, 3. Aufl., München: Franz Vahlen, 119–146.
  • Armin Klein: Kulturpolitik. Eine Einführung, 3. Aufl., (Übersetzung ins Litauische) Wiesbaden 2009.
  • Armin Klein zus. Mit Dieter Haselbach / Pius Knüsel / Stephan Opitz: Der Kulturinfarkt. Von allem zu viel und überall das Gleiche, München 2012.
  • Wolfgang Schneider(2000d): Nur noch Marketing im Musentempel? Über die Notwendigkeit von Kulturpolitik für eine Zukunft der Museen. In: Deutsches Jahrbuch für Kulturmanagement 1999, Werner Heinrichs, Armin Klein (Hrsg.), Baden-Baden, S. 78–96.
  • Wolfgang Schneider / Daniel Gad (eds.): Good Governance for Cultural Policy. An African-European Research about Arts and Development. Studien zur Kulturpolitik. Cultural Policy, hrsg. v. Wolfgang Schneider, Band 16, Frankfurt am Main 2014.
  • Sharifi, Azadeh: Theater für Alle? Partizipation von Postmigranten am Beispiel der Bühnen der Stadt Köln. Studien zur Kulturpolitik. Cultural Policy, hrsg. v. Wolfgang Schneider, Band 13, Frankfurt am Main 2011
  • UNESCO (1983): Weltkonferenz über Kulturpolitik. Schlussbericht der von der UNESCO vom 26. Juli bis 6. August 1982 in Mexiko-Stadt veranstalteten internationalen Konferenz. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission. München: K. G. Saur 1983. (UNESCO-Konferenzberichte, Nr. 5) S. 121.
  • Matthias Theodor Vogt (1994): Kulturräume in Sachsen, eine Dokumentation. Mit einer photographischen Annäherung von Bertram Kober und dem Rechtsgutachten von Fritz Ossenbühl. Kulturelle Infrastruktur Band I, Universitätsverlag Leipzig, 1. Aufl. 1994, 2. erw. Aufl. 1996, 3. Aufl. 1997.
  • Matthias Theodor Vogt (2016a); Werner J Patzelt, Erik Fritzsche, Christoph Meißelbach, Sebastian Trept, Anselm Vogler, Simon Cremer, Jan Albrecht: Ankommen in der deutschen Lebenswelt. Migranten-Enkulturation und regionale Resilienz. Reihe Kulturelle Infrastruktur Band 11. Görlitz 2016 [in Vorbereitung].
  • Bernd Wagner: Fürstenhof und Bürgergesellschaft. Zur Entdeckung, Entwicklung und Legitimation von Kulturpolitik. Essen 2009.
  • Zembylas, Tasos / Tschmuck, Peter (Hgg.): Der Staat als kulturfördernde Instanz, Innsbruck 2005.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Belege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 13. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ifacca.org, abgerufen am 8. Februar 2016
  2. https://educult.at/wimmers-weekly/beobachtungen-und-eindruecke-von-der-iccpr2014-in-hildesheim/, abgerufen am 23. Februar 2021
  3. http://www.tandfonline.com/action/journalInformation?show=editorialBoard&journalCode=gcul20#.VreNcED4hSE, abgerufen am 8. Februar 2016
  4. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.culturalpolicies.net, abgerufen am 8. Februar 2016
  5. Website der Gesellschaft (japanisch).
  6. Master's Degree Programme in Cultural Policy., abgerufen am 8. Februar 2016
  7. [1], abgerufen am 8. Februar 2016
  8. Master 2 Management et Politiques Culturelles dans les Balkans (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.univ-lyon2.fr, abgerufen am 8. Februar 2016
  9. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.univ-nantes.fr, abgerufen am 8. Februar 2016
  10. http://www.univ-paris-diderot.fr/sc/site.php?bc=formations&np=INSCRIPTSPECIAL?NS=846, abgerufen am 8. Februar 2016
  11. Master valorisation des patrimoines et politiques culturelles territoriales (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/master-cas.univ-pau.fr, abgerufen am 8. Februar 2016
  12. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.u-grenoble3.fr, abgerufen am 8. Februar 2016
  13. Laaksonen, Annamari: Policy Research by IFACCA Members: A Report. IFACCA D’ART REPORT NO 26B. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 13. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/media.ifacca.org, abgerufen am 12. Februar 2016
  14. [2], abgerufen am 8. Februar 2016
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/f-mk.hszg.de, abgerufen am 8. Februar 2016
  16. abgerufen am 8. Februar 2016@1@2Vorlage:Toter Link/www.loccum.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  17. Kulturforum (Memento des Originals vom 8. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www3.spd.de, abgerufen am 8. Februar 2016
  18. https://kupoge.de/das-institut/, abgerufen am 9. April 2023
  19. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 6. März 2001 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kupoge.de, abgerufen am 8. Februar 2016
  20. [3], abgerufen am 8. Februar 2016
  21. Cultural Policies: Training and International Cooperation. International Meeting of Experts. Organized by UNESCO in Cooperation with the French National Commission to UNESCO. Paris, UNESCO (17-18 November 2000). FINAL REPORT 31 December 2000.
  22. ”cultural diversity; the role of culture in a world perspective, promotion of culture for peace; arts as regulation strength in relation to society; decentralization with a view to broaden participation; equitable access to cultural life especially between men and women; culture for citizenship; culture at the core of development.” l.c.