Les Baumettes (Gefängnis)

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Les Baumettes ist ein Gefängnis im 9. Arrondissement der französischen Stadt Marseille.

Gefängnis les Baumettes 2017, im Vordergrund der Neubau les Baumettes 2

Details[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gefängnis wurde zwischen 1933 und 1939 erbaut.[1] Es umfasst ein Areal von 30.370 m² und 1373 Haftplätze, von denen 1182 Plätze für männliche Häftlinge reserviert sind. Am 1. Januar 2017 waren 1'666 Personen inhaftiert, bei einer wegen Bauarbeiten reduzierten Anzahl Haftplätze von 1'196, was einer Belegung von 139,3 % entsprach.[2]

Besondere Ereignisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Älterer Teil des Gefängnisses

Laut Europarat handelt es sich bei diesem Gefängnis um die schlimmste Haftanstalt Frankreichs. Álvaro Gil-Robles, ehemaliger Menschenrechtskommissar des Europarates, beschwerte sich bei seinem Besuch im September 2005 über die katastrophalen hygienischen Zustände in der restlos überfüllten Haftanstalt. Häftlinge erbrächen sich und urinierten in den Zellen, ohne dass diese gesäubert würden. Oftmals seien in einer Zelle von sieben Quadratmetern bis zu vier Insassen untergebracht, und viele der Häftlinge müssten auf dem nackten Boden schlafen. Álvaro Gil-Robles gab an, Häftlinge gesehen zu haben, die sich mit Rasierklingen verstümmelten und Blut auf Wände schmierten.

Das ist ein abstoßender Ort. Mit Ausnahme von Moldawien habe ich niemals zuvor entsetzlichere Haftbedingungen erlebt. Unter diesen Bedingungen kommen die Menschen schlimmer heraus als sie hineinkamen.

Zitat Alvaro Gil-Robles

In regelmäßigen Abständen werden Häftlinge in die Krankenstation des Gefängnisses gebracht, die Verletzungen aufweisen, die anscheinend Folgen polizeilicher Gewalt sind. Man separiert die Häftlinge lediglich nach Geschlecht. Dadurch kommt es durchaus vor, dass ein Kleinkrimineller mit einem Gewaltverbrecher in derselben Zelle einsitzt. Um der abschreckenden Wirkung willen werden nach Les Baumettes auch prominente Straftäter eingewiesen.

In Les Baumettes fanden die viertletzte (Ali Benyanès, 1973[1]), die drittletzte (Christian Ranucci, 1976[1]) und die letzte (Hamida Djandoubi, 1977[1]) Hinrichtung in Frankreich statt.

Nach einem Empörung hervorrufenden Bericht des Generalinspektors für die Freiheitsentzugsanstalten (Contrôleur général des lieux de privation de liberté) Jean-Marie Delarue vom 6. Dezember 2012[3] hat die Menschenrechtsorganisation für Gefangene Observatoire international des prisons (OIP) vor dem Conseil d’État und dem Verwaltungsgericht in Marseille mehrfach Klage eingereicht, dass in der Marseiller Haftanstalt Sofortmaßnahmen ergriffen werden sollten. Es ergingen Urteile, dass binnen kurz gesetzter Frist alle Zellen belüftbar werden, elektrisches Licht erhalten, die Verletzungsgefahr und die vielen Ratten, Kakerlaken und Asseln in den Örtlichkeiten beseitigt werden sollen – Maßnahmen, die seit teils zwanzig Jahren verschleppt worden waren. Vertreter der OIP äußerten sich in dem Sinne, dass man nach diesem durch Rechtsstreit gesuchten und erreichten Ergebnis den offenbar gangbaren Klageweg öfter bemühen wolle. Die Strafvollzugsbehörde hat Eilmaßnahmen ergriffen.[4]

Les Baumettes im Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im November 2012 kam der in Schwarzweiß gedrehte Film „Être là“ des französischen Dokumentarfilmers Régis Sauder heraus, in dem er die zermürbende Tätigkeit des ausschließlich weiblichen Personals – Krankenschwestern, Physiotherapeutinnen, Psychiatriepflegerinnen – auf der Krankenstation des Gefängnisses zeigt.[5] Der Film wurde innerhalb von drei Wochen von Sauder selbst gedreht, nur assistiert von einem Mitarbeiter, der die Tonaufnahmen machte.

Eine Szene aus dem Film Catch Me If You Can wurde in Les Baumettes gedreht.

Neubauprojekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2013 bis 2016 wurde an Stelle des Frauengefängnisses der Neubau Les Baumettes 2 errichtet. Er bietet 600 Haftplätze für Männer und 174 für Frauen sowie einen Sanitärbereich von 3000 m2 und einen neuen Haupteingang für das ganze Gefängnis.[6] 2021 wurden die restlichen Altbauten abgerissen, und 2022 wurde mit dem Bau der letzten Etappe Les Baumettes 3 begonnen, die 740 Haftplätze bieten wird.[7]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gefängnis steht im gleichnamigen Quartier am südlichen Stadtrand von Marseille an der Straße zur Calanque de Morgiou.

  • Anschrift: Centre pénitentiaire de Marseille, 239, chemin de Morgiou, 13 404 Marseille cedex 20

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Les Baumettes (Marseille) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Pascaline Roi, Sarah Guille, Christelle Chaulet, Maxime Dray, Patricia Bussy, Carine Kreb, Jean-Paul Labourette, Dominique Auzias: Guide de l’habitat Marseille. Hrsg.: Johanna Manca (= Collection Petit futé). Les Nouvelles Éditions de l’Université, Paris 2012, ISBN 978-2-7469-5994-1, S. 80.
  2. Statistique mensuelle des personnes écrouées et détenues en France. (PDF) situation au 1er janvier 2017. Direction de l'Administration Pénitentiaire, 1. Januar 2017, S. 24, abgerufen am 27. März 2017 (französisch).
  3. « Les Baumettes ce sont des oubliettes », Artikel von Simon Piel über die Haftbedingungen in Le Monde vom 6. Dezember 2012.
  4. « Le Conseil d'Etat ordonne la dératisation des Baumettes », Artikel von Franck Johannès in Le Monde vom 22. Dezember 2012.
  5. Interview mit Régis Sauder zum Film
  6. Centre pénitentiaire de Marseille - Les Baumettes 2. République Française. Ministère de la justice. Agence publique pour l'immobilier de la justice, abgerufen am 19. November 2022 (französisch).
  7. Centre pénitentiaire de Marseille - Les Baumettes 3. République Française. Ministère de la justice. Agence publique pour l'immobilier de la justice, abgerufen am 19. November 2022 (französisch).

Koordinaten: 43° 14′ 1,4″ N, 5° 24′ 48,3″ O