Lucienne Peiry

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Lucienne Peiry, 2017

Lucienne Peiry (* 4. September 1961 in Lausanne) ist eine Schweizer Kunsthistorikerin.

Sie ist Expertin für Art brut, war für mehrere Ausstellungen Kuratorin und veröffentlichte mehrere Bücher zu diesem Thema[1]. Von 2001 bis 2011 leitete sie das Lausanner Collection de l’Art Brut; bis 2014 diente sie diesem Museum als Forschungsdirektorin und Botschafterin.[2] Sie hält Vorträge in der Schweiz und in Europa und ist seit 2010 auch Professorin für Art brut an der EPFL (École Polytechnique Fédérale de Lausanne)[3] und zwischen 2016 und 2017 an der Université de Lausanne, faculté des sciences sociales et politiques (Sozial- und Politikwissenschaften).[4][5]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lucienne Peiry wuchs in einfachen Verhältnissen im Schweizer Kanton Freiburg auf. Museumsbesuche waren in der Familie nicht üblich. Auf einem Schulausflug ins Musée de l’Art Brut erlebte sie ihren eigenen Worten zufolge, «une déflagration poétique», eine «poetische Explosion»: Sie begann sich für Art brut zu begeistern. An der Universität von Lausanne schrieb sie sich als Studentin der Kunstgeschichte ein. Unter Michel Thévoz schrieb sie eine Dissertation zum Thema Art brut. Sie wurde damit 1996 die erste Frau, die in Lausanne als Kunsthistorikerin promovierte.[6] Ihre Dissertation erschien 1997 bei Flammarion als Buch („L'Art Brut“)[7] und wurde 2005 ins Deutsche[8] und 2001 und 2006 ins Englische[9][10] übersetzt. 2015 erschien sie auch auf Chinesisch.[11]

Von 1987 bis 2001 arbeitete Lucienne Peiry als Kulturjournalistin für Radio suisse romande. 2001 wurde sie als Nachfolgerin von Michel Thévoz zur Direktorin der Collection de l’Art Brut berufen. In dieser Funktion unternahm sie Reisen innerhalb der Schweiz, in verschiedene europäische Länder, aber auch nach Indien, Japan, China, Benin und Bali, um dort Werke und Künstler der Art Brut zu entdecken.[12]

Sie ist Autorin von mehreren Büchern und Artikeln über die Art brut und betreute mehrere Veröffentlichungen und Ausstellungskataloge für das Museum in Lausanne, wie u. a. das Buch „Collection de l’Art Brut, Lausanne“, Paris, Flammarion-Skira, 2012 (französisch, englisch und deutsch).[13] Auf ihre Initiative hin produzierte die Collection de l’Art Brut in Lausanne zusammen mit dem Regisseur und Journalist Philippe Lespinasse und der Regisseurin Erika Manoni mehrere Filme über Künstler der Art Brut.[6] 2001 führte sie ein von ihr entwickeltes pädagogisches Programm an der Collection de l’Art Brut ein. Es handelt sich meist um Besichtigungen für das junge Publikum, Werkstätten und Publikationen.[2] 2003 organisierte sie gemeinsam mit dem Kunstmuseum Basel und dem Musée cantonal des beaux-arts de Lausanne die Ausstellung Louis Soutter et la Musique.[14] Christian Zacharias, Dirigent am Orchestre de Chambre de Lausanne, wirkte bei diesem Projekt mit. Weitere gemeinsame Projekte unternahm sie unter anderem mit dem Lausanner Théâtre de Vidy, dem Petit Théâtre und dem Freiburger Musée d’Art et d’Histoire.

2012 gab Lucienne Peiry die Stellung als Leiterin des Museums auf; stattdessen wurde sie Direktorin für Forschung und internationale Beziehungen. Bis 2014 vertrat sie das Museum im Ausland und organisierte dort Ausstellungen und Konferenzen. Sie forscht weltweit nach Künstlern und deren Schaffen (Europa, Asien, Afrika) und organisiert einschlägige Publikationen. Lucienne Peiry hat eine Ausstellung zu Armand Schulthess’ Gesamtkunstwerk kuratiert. Diese Ausstellung wurde zum ersten Mal 2014 in Neuchâtel Centre Dürrenmatt präsentiert[15] und 2016 in Lugano (Museo Cantonale d’Arte).[16] Für jede Ausstellung wurden jeweils dreisprachige Kataloge veröffentlicht.[17][18]

2017 kuratierte Lucienne Peiry die Ausstellung „Inextricabilia. Enchevêtrements magiques“[19] in der Kunststiftung La maison rouge in Paris,[20][21][22][23][24] zu der auch ein Katalog veröffentlicht wurde.[25] Ein Jahr später kuratierte sie in Lausanne (HEP)[26] eine Ausstellung über Curzio Di Giovanni, in der circa 80 Zeichnungen zum ersten Mal öffentlich gezeigt wurden, sowie die Ausstellung „Rhinocéros féroce?“[27][28], wo sie Kunst und Wissenschaft in Dialog zusammen brachte. Dabei wurden gezeichnete und gemalte Nashörner von Gaston Dufour gemeinsam mit echten ausgestopften Nashörnern gezeigt (Musée cantonal de zoologie, Lausanne, 2019-2020).[29][30] Der Katalog „Écrits d'Art Brut. Graphomanes extravagants“ (Seuil Verlag, 2020) wurde anlässlich der von Lucienne Peiry kuratierten Ausstellung „Écrits d’Art Brut – Wilde Worte & Denkweisen“ im Tinguely Museum in Basel veröffentlicht[31]. Das Kunstmuseum der Stadt Le Locle in der Schweiz zeigt vom Mai bis September 2022 ihre Ausstellung „Parures d’Art Brut“.[32]

Seit 2021 sitzt sie im Forschungskomitee zum Art Brut im Centre Pompidou in Paris. Dieses Komitee wurde nach der Schenkung der Sammlung Bruno Decharme gegründet[33].

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lucienne Peiry, l’art brut tout en finesse. In: Le Temps. 16. Dezember 2021, ISSN 1423-3967 (letemps.ch [abgerufen am 28. Juli 2022]).
  2. a b Collection de l'Art Brut - Lucienne Peiry. Abgerufen am 6. September 2017.
  3. Lucienne Peiry : Contacts. Abgerufen am 6. September 2017.
  4. Unisciences - UNIL - Lucienne Peiry. Abgerufen am 6. September 2017.
  5. Konstantin Büchler: Lucienne Peiry à l'honneur sur Alumnil. In: notesartbrut.ch. 28. Oktober 2015, abgerufen am 5. Januar 2020 (französisch).
  6. a b BCUL - Personnalités vaudoises. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. September 2017; abgerufen am 6. September 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dbserv1-bcu.unil.ch
  7. Lucienne Peiry: L'art brut. Flammarion, Paris 1997, ISBN 978-2-08-012233-9.
  8. Lucienne Peiry: Art Brut : Jean Dubuffet und die Kunst der Aussenseiter. Flammarion, Paris 2005, ISBN 2-08-021029-7.
  9. Lucienne Peiry: Art brut : the origins of outsider art. English-language ed Auflage. Flammarion, Paris 2001, ISBN 2-08-010584-1.
  10. Lucienne Peiry: Art brut : the origins of outsider art. 2nd English language ed Auflage. Flammarion, Paris 2006, ISBN 978-2-08-030543-5.
  11. Lucienne Peiry: L'art brut. Shandagpress, Shanghai 2015, ISBN 978-7-5671-1750-1.
  12. Collection de l'Art Brut - Lucienne Peiry. Abgerufen am 6. September 2017.
  13. Lucienne Peiry, Sarah Lombardi: Collection de l'art brut Lausanne. Skira Flammarion, Paris 2012, ISBN 978-2-08-125323-0.
  14. Collection de l’Art Brut - Louis Soutter et la musique. Abgerufen am 6. September 2017.
  15. Centre Dürrenmatt Neuchâtel « Le labyrinthe poétique d'Armand Schulthess ». Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. September 2017; abgerufen am 6. September 2017 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundesmuseen.ch
  16. Archivio 2016 - Armand Schulthess - MASILugano. Abgerufen am 6. September 2017 (italienisch).
  17. Janine Perret Sgualdo, Armand Schulthess, Beate Schlichenmaier, Duc-Hanh Luong, Beat Geier, Jean-Paul Clerc, Denise Hofer und Candido Matasci: Le labyrinthe poétique de Armand Schulthess. Edizioni Sottoscala, Neuchâtel/Bellinzona, Centre Dürrenmatt/Sottoscala 2014, ISBN 978-88-95471-19-8 (französisch, italienisch, deutsch).
  18. Armand Schulthess domaine 1. Sottoscala, Bellinzona 2016 (italienisch, französisch, deutsch).
  19. Inextricabilia, enchevêtrements magiques. Abgerufen am 6. September 2017.
  20. Sara Genin: Quand l’art, le sacré et le magique ne font plus qu’un. 21. August 2017, abgerufen am 2. September 2017.
  21. Arts plastiques : avec « Inextricabilia », les fétiches s’exposent – JeuneAfrique.com. In: JeuneAfrique.com. 1. August 2017 (jeuneafrique.com [abgerufen am 2. September 2017]).
  22. Pierre Normann Granier: 2190 - maison rouge - Inextricabilia. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. September 2017; abgerufen am 2. September 2017 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.francefineart.com
  23. Jean-Jacques Birgé: Enchevêtrements magiques à La Maison Rouge. In: Club de Mediapart. (mediapart.fr [abgerufen am 2. September 2017]).
  24. Philippe Godin: la Diagonale de l’art - INEXTRICABILIA, épisode 1  - Libération.fr. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. August 2017; abgerufen am 2. September 2017 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/diagonaledelart.blogs.liberation.fr
  25. Lucienne Peiry, Alain Epelboin, Catherine Grenier, Nanette Jacomijn Snoep, Yvonne Lehnherr.: Inextricabilia, enchevêtrement magiques : art brut, art sacré, art contemporain, art rituel africain : [exposition, Paris, la Maison rouge, 23 juin-17 septembre 2017]. Flammarion und la maison rouge, Paris 2017, ISBN 978-2-08-141182-1.
  26. https://www.24heures.ch/culture/arts-visuels/vertigineuse-escalade-face-humaine/story/10951639
  27. Virginie Nussbaum: Dialogues de rhinocéros. Le Temps, 25. Oktober 2019, abgerufen am 25. Oktober 2019 (französisch).
  28. Florence Millioud-Henriques: Conversation entre rhinocéros. In: www.24heures.ch. 24 Heures, 10. Oktober 2019, abgerufen am 10. Oktober 2019 (französisch).
  29. Lucienne Peiry: Exposition: Rhinocéros féroce? Nectar, Espace 2, RTS, 9. Oktober 2019, abgerufen am 9. Oktober 2019 (französisch).
  30. Lucienne Peiry: Lucienne Peiry "Rhinocéros féroce ?" Vertigo, RTS, 23. Dezember 2019, abgerufen am 23. Dezember 2019 (französisch).
  31. Écrits d’Art Brut – Wilde Worte & Denkweisen. In: Tinguely Museum. Abgerufen am 1. Februar 2022.
  32. Art Brut Ornaments, auf mbal.ch, abgerufen am 11. September 2022
  33. Clémentine Mercier: Au Centre Pompidou, l’art brut trouve sa place dans les collections du musée. In: Libération. 11. Juni 2021, abgerufen am 1. Februar 2022 (französisch).
  34. Die Seite enthält einen biografischen Abschnitt und zwei Radiosendungen von Sonia Devillers "Le Grand Bain", wo Lucienne Peiry eingeladen wurde: "De Bali au Bénin : tour du monde de l'Art Brut" 12. August 2014, und "L'art peut-il échapper aux artistes ?" 15. August 2012.