Maßtheoretische Induktion

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Bei der maßtheoretischen Induktion (auch algebraische Induktion genannt) handelt es sich um eine Beweismethode aus der Maßtheorie, die dazu verwendet wird, mathematische Aussagen für eine vorgegebene Menge von messbaren Funktionen zu zeigen.

Der grundlegende Gedanke hinter dem Verfahren ist, die Aussage zunächst nicht für alle Funktionen aus der Menge zu zeigen, sondern sich auf eine Teilmenge zu beschränken, für die die Aussage leicht zu beweisen ist. Anschließend werden sukzessive immer größere Teilmengen betrachtet und die Aussage auch für diese bewiesen. Dabei wird bei jedem Schritt ausgenutzt, dass die Aussage für die Mengen aus den vorherigen Schritten schon gezeigt wurde. Nach drei oder vier Schritten ist die Aussage schließlich für alle Funktionen nachgewiesen.

Die Methode spielt auch in der Wahrscheinlichkeitstheorie und anderen Anwendungsbereichen der Maßtheorie eine wichtige Rolle.

Die Beweismethode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegeben sei eine Menge von messbaren Funktionen . Die Behauptung ist, dass die mathematische Aussage für alle erfüllt ist. Die Methode besteht in der Regel aus vier Schritten. Manchmal wird auch Schritt 1 ausgelassen, sodass die Induktion mit insgesamt drei Schritten durchgeführt wird.

  1. Schritt: Die Aussage gilt für eine beliebige messbare charakteristische Funktion aus .
  2. Schritt: Die Aussage gilt für eine beliebige positive einfache Funktion aus .
  3. Schritt: Die Aussage gilt für eine beliebige positive messbare Funktion aus .
  4. Schritt: Die Aussage gilt für eine beliebige messbare Funktion aus .

Mit jedem Schritt wird die Menge der Funktionen, für die die Aussage bereits gilt, sukzessive größer, bis beim vierten und letzten Schritt die Aussage schließlich für alle Funktionen nachgewiesen ist.

Man beachte, dass der Beweis eines Schrittes auch alle vorhergehenden Schritte impliziert. Das gilt offenbar, da jede in einem Schritt betrachtete Funktion auch in allen nachfolgenden Schritten betrachtet wird. Beispielsweise ist jede positive einfache Funktion in Schritt 2 insbesondere auch positiv und messbar und damit auch Teil von Schritt 3. Bei einem sinnvollen Einsatz des Verfahrens ist es aus diesem Grund meistens notwendig, dass beim Beweis eines Schrittes benutzt wird, dass die Aussage für die Mengen aus den vorhergehenden Schritten schon gezeigt wurde.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beispiel 1[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz von Fubini kann mittels maßtheoretischer Induktion bewiesen werden.

Beispiel 2[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wir betrachten die Zufallsvariable und die Menge . Dabei ist mit die kleinste -Algebra gemeint, bezüglich der messbar ist. Wir betrachten nun weiter folgende Aussage:

Wir werden nun die Aussage mithilfe der maßtheoretischen Induktion zeigen. Dabei gilt in allen Schritten .

1. Schritt: Sei eine charakteristische Funktion. Dann gilt mit . Nach Definition von Messbarkeit und nach Wahl der Menge , folgt die Existenz einer Menge mit (Borelsche σ-Algebra) und der Eigenschaft . Definiere nun . Dann folgt für ein beliebiges : .
2. Schritt: Sei nun eine positive einfache Funktion. Dann gilt also mit und . Mit der Wahl von und folgt die Behauptung:
3. Schritt: Betrachte nun ein beliebiges und eine Folge von positiven einfachen Funktionen, monoton wachsend gegen konvergieren, d. h. , und für alle und für fast alle . Dann gilt für jedes unter Verwendung von Schritt 2, dass für ein geeignetes . Setze nun sofern der Grenzwert existiert und sonst. Dann folgt:
4. Schritt: Sei nun beliebig. Dann gibt es und mit . Gemäß Schritt 3 gibt es dann auch ein mit und ein mit . Setze nun und die Behauptung folgt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, Seite 109
  • Hartmut Milbrodt: Wahrscheinlichkeitstheorie: Eine Einführung mit Anwendungen und Beispielen aus der Versicherungs- und Finanzmathematik, VVW GmbH, Karlsruhe 2010, ISBN 978-3-89952-318-8, Seite 286,287