Maafa

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Maafa, alternativ auch Afrikanischer Holocaust, Holocaust der Versklavung, oder Schwarzer Holocaust,[1][2][3] sind politische Neologismen, die seit etwa 1988 fortschreitend popularisiert wurden.[4][5][6][7] Sie beschreiben die Geschichte der Gräueltaten, die Afrikanern von Nicht-Afrikanern zugefügt wurden, insbesondere von Europäern und Arabern, sowie deren bis heute anhaltende Auswirkungen. Gemeint sind dabei in erster Linie Taten im Kontext der Geschichte der Sklaverei einschließlich des ostafrikanischen Sklavenhandels und des atlantischen Sklavenhandels. Sie werden dargestellt als „bis zum heutigen Tag fortgesetzt“ durch Imperialismus, Kolonialismus und andere Formen der Unterdrückung.[4][6][7][8][5][3]

Geschichte und Terminologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verwendung des Swahili-Begriffs: Maafa, wörtl. „Großes Unglück“, wurde in Marimba Anis 1988 erschienenen Buch Let the Circle Be Unbroken: The Implications of African Spirituality in the Diaspora[9] eingeführt.[10][11] Es wurde vom Swahili Begriff für „Unglück, schreckliches Vorkommnis oder große Tragödie“ abgeleitet.[12][13] Der Begriff wurde in den 1990er Jahren popularisiert.[14] Während sowohl Maafa als auch afrikanischer Holocaust denselben Betrachtungsgegenstand beschreiben, ist die jeweilige Terminologie Teil einer anhaltenden Debatte.

Der Begriff afrikanischer Holocaust wird von einigen Akademikern wie Maulana Karenga bevorzugt, da er eine Absicht impliziert.[15] Karenga merkt als problematisch an, dass das Wort Maafa, sich auch als „Unfall“ übersetzten lässt und nach Ansicht einiger Wissenschaftler der Holocaust der Versklavung kein bloßer Unfall war. Ali Mazrui nennt das Wort „Holocaust“ ein „doppeltes Plagiat“, da der Begriff aus dem Altgriechischen abgeleitet ist und daher, obwohl er mit dem Genozid an den Juden in Verbindung gebracht wird, niemand ein Monopol auf den Begriff haben könne: „Dieses Leihen von Ausleihenden ohne Zuschreibung ist, was ich, doppeltes Plagiat` nenne. Aber dieses Plagiat sei zu verteidigen, weil das Vokabular von Gräueln wie Genozid und Versklavung keinen urheberrechtlichen Beschränkungen unterliegen sollte.“[16] Andere wie Weldon Williams kritisieren den Begriff Holocaust in diesem Zusammenhang als inadäquat, da er durch seine Verknüpfung mit einem anderen historischen Zusammenhang ein falsches Symbol setze.[17]

Einige Theoretiker des Afrozentrismus ziehen den Begriff Maafa dem Begriff des afrikanischen Holocaust vor, weil sie glauben, dass diese indigene afrikanische Terminologie die Ereignisse wahrheitsgetreuer vermittelt.[18] Der Begriff Maafa dient möglicherweise „einem ähnlich kulturell psychologischen Zweck für Afrikaner wie die Idee des Holocaust dazu dient, die kulturell spezifisch jüdische Erfahrung des Genozids unter dem deutschen Nationalsozialismus zu benennen“.[19] Weitere Kritiker, die für Maafa statt für afrikanischer Holocaust sprechen, betonen, dass das Leugnen der Gültigkeit des Menschseins des afrikanischen Volkes ein jahrhundertelanges Phänomen ist, das seinesgleichen sucht: „Die Maafa ist ein kontinuierliches, konstantes, komplettes und umfassendes System der menschlichen Negierung und Annullierung.“[7]

Die Historikerin Sylviane Diouf nennt die Begriffe Transatlantischer Sklavenhandel, Atlantischer Sklavenhandel und Sklavenhandel zutiefst problematisch, weil sie als Euphemismen für intensive Gewalt und Massenmord dienten. Wenn man sie als „Handel“ bezeichnete, so würde diese anhaltende Zeit der Verfolgung und des Leidens als kommerzielles Dilemma dargestellt und nicht als moralische Gräueltat.[20] Mit Handel als primärem Schwerpunkt verschiebe sich die umfassendere Tragödie zu einem bloßen Kollateralschaden eines kommerziellen Unternehmens, sie werde zweitrangig. Andere sind jedoch der Meinung, dass das Vermeiden des Begriffs Handel ein apologetischer Akt im Namen des Kapitalismus ist, der die kapitalistischen Strukturen von der Verwicklung in menschliche Katastrophen entlaste.[21]

Maulana Karenga (2001) setzt Sklaverei in den breiteren Kontext der Maafa und legt nahe, dass deren Auswirkungen reine körperliche Verfolgung und rechtliche Entmündigung überschreiten: Die „Zerstörung menschlicher Möglichkeiten bedeutete, die afrikanische Menschheit gegenüber der Welt neu zu definieren, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Beziehungen zu anderen, die uns nur durch diese Stereotypisierung kennen, zu vergiften und damit die wahrhaft menschlichen Beziehungen zwischen den Völkern zu schädigen“.[22]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. William D. Wright, Black History and Black Identity: A Call for a New Historiography, S. 117
  2. What Holocaust. "Glenn Reitz", archiviert vom Original am 18. Oktober 2007;.
  3. a b Ryan Michael Spitzer, "The African Holocaust: Should Europe pay reparations to Africa for Colonialism and Slavery?", Vanderbilt Journal of Transnational Law, vol. 35, 2002, S. 1319.
  4. a b Barndt, Joseph. Understanding and Dismantling Racism: The Twenty-First Century. 2007, S. 269.
  5. a b The Global African: A Portrait of Ali A. Mazrui. Omari H. Kokole (editor). Africa World Press, 1998. ISBN 978-0-86543-533-9
  6. a b Reparations for the Slave Trade: Rhetoric, Law, History and Political Realities”. Archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 14. Oktober 2015.
  7. a b c "The Maafa is a continual, constant, complete, and total system of human negation and nullification“, Jones, Lee and West, Cornel. Making It on Broken Promises: Leading African American Male Scholars Confront the Culture of Higher Education. 2002, S. 178.
  8. William D. Wright: Black History and Black Identity: A Call for a New Historiography. Greenwood Publishing Group, 2001, ISBN 978-0-275-97442-8 (englisch, google.co.uk).
  9. Marimba Ani: Let The Circle Be Unbroken: The Implications of African Spirituality in the Diaspora. Nkonimfo Publications, New York 1988 (orig. 1980).
  10. Dove, Nah. Afrikan Mothers: Bearers of Culture, Makers of Social Change. 1998, S. 240.
  11. Gunn Morris, Vivian and Morris, Curtis L. The Price They Paid: Desegregation in an African American Community. 2002 S. x
  12. Harp, O.J. Across Time: Mystery of the Great Sphinx. 2007, S. 247.
  13. Denise Nicole Cheeves: Legacy. 2004, S. 1.
  14. Pero Gaglo Dagbovie: African American History Reconsidered. University of Illinois Press, 2010, S. 191.
  15. "Interview With Dr. Maulana Karenga | The Two Nations Of Black America | FRONTLINE | PBS. In: www.pbs.org. Abgerufen am 15. Dezember 2019.
  16. “This borrowing from borrowers without attribution is what I call 'the dual plagiarism.' But this plagiarism is defensible because the vocabulary of horrors like genocide and enslavement should not be subject to copyright-restrictions”, Ancestry, Descent And Identity. Igcs.binghamton.edu, archiviert vom Original am 13. März 2012; abgerufen am 14. Oktober 2015.
  17. Weldon Williams: Naming the Unspeakable: Breaktroughs in Afrological Nomenclature. In: Katherine Bankole Medina (Hrsg.): Africalogical Perspectives: Historical and Contemporary Analysis of Race and Africana Studies. iUniverse, New York/Lincoln/Shanghai 2006. ISBN 978-0-595-47398-4, S. 51–72, hier S. 56.
  18. Tarpley, Natasha. Testimony: Young African-Americans on Self-Discovery and Black Identity. 1995, S. 252.
  19. Aldridge, Delores P. and Young, Carlene. Out of the Revolution: The Development of Africana Studies. 2000, p. 250.
  20. Diouf, Sylviane Anna: Fighting the Slave Trade: West African Strategies. 2003, S. xi.
  21. Henry Epps: A Concise Chronicle History of the African-American People Experience in America. Lulu.com, ISBN 978-1-300-16143-1, S. 57 (google.com [abgerufen am 24. Februar 2015]).
  22. “destruction of human possibility involved redefining African humanity to the world, poisoning past, present and future relations with others who only know us through this stereotyping and thus damaging the truly human relations among peoples.” Letter by Maulana Karenga, 2001. H-net.msu.edu, 29. April 2010, archiviert vom Original am 5. März 2016; abgerufen am 14. Oktober 2015.