Medizin 4.0

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Medizin 4.0 bezeichnet die Verzahnung der medizinischen Versorgung mittels Informations- und Kommunikationstechnik. Der Begriff ist damit eng mit dem Begriff Industrie 4.0 verwandt.[1] Anders als dieser bezieht Medizin 4.0 als unmittelbar personenbezogene Dienstleistung[2] den Faktor Mensch in den Prozess der Leistungserstellung ein. Die Prozesse der medizinischen Leistungserstellung verschmelzen bei diesem Entwicklungsschritt immer mehr mit den Informationstechnologien. Hierdurch soll die Flexibilität der medizinischen Leistungserstellung erhöht und mehr auf den Patienten hin individualisiert werden.[3]

Bezeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Bezeichnung „Medizin 4.0“ soll ausgedrückt werden, dass ein vierter Entwicklungsschritt innerhalb der Medizin ansteht. Der erste Entwicklungsschritt meint das Entstehen der modernen Medizin im 19. Jahrhundert, die mit der Etablierung der modernen Anästhesie um das Jahr 1846 einhergeht.[4] Darauf folgt der zweite Schritt, bei dem die Technisierung in die Medizin Einzug hält. Die Einführung von Röntgengeräten zu Beginn des 20. Jahrhunderts markiert den Beginn dieses Schritts.[5] In dieser Phase entwickeln sich Krankenhäuser auch zu den Einrichtungen, in denen die medizinische Leistung immer mehr nach industriellen Prinzipien erbracht wird. Den dritten Schritt markiert die Einführung der IT in die Medizin und die zunehmende Automatisierung einzelner Aufgaben. Die Patientendaten werden digital erfasst und archiviert. Als Start für diesen Entwicklungsschritt kann die Einführung der Robotic mit dem "Puma 200" im Jahr 1985 gesehen werden.[6] Mit dem vierten Entwicklungsschritt werden die Informationen der Leistungserbringer untereinander verknüpft. Zudem treten immer mehr (teil-)autonome Systeme hinzu.

Digitaler Wandel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viele Funktionen in Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft werden immer digitaler. So sind beispielsweise elektronische Krankenakten bereits weit verbreitet, um die Daten der Patienten zu erfassen und bei medizinischen Entscheidungen auf sie zuzugreifen. Digitale medizinische Bildgebungssysteme werden von Medizinern genutzt, um Aufnahmen aus dem Körperinnern zu besprechen und mit Kollegen auszutauschen. Anwendungen aus dem Bereich "Mobile Health" (mHealth) gestatten es Ärzten und Patienten, mobile Geräte wie Smartphone und Tablets einzusetzen und dabei jederzeit und überall auf Informationen und Ressourcen zurückzugreifen.

Nach der im Jahr 2014 veröffentlichten HIMSS Analytics Mobile Devices Studie setzen mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in den USA auf Smartphones und Tablets (HIMSS Analytics 2014).[7] 69 Prozent der Krankenhausärzte greifen sowohl über einen PC oder Laptop als auch über ein mobiles Gerät auf Daten zu. Mit vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht Telemedizin Patienten einen breiteren Zugang zu Standard- und Spezialbehandlungen und schafft so geografische Barrieren ab.

Ein weiteres Beispiel für digitale Anwendungen sind Real-Time Location Systeme (RTLS), mit denen Geräte, Patienten und Mitarbeiter geortet werden können. Neben den neuen Technologien entwickeln Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft schlankere Prozesse, um automatisierte digitale Abläufe zu schaffen. Kombiniert mit den "smarten" Endgeräten entstehen hieraus weiterentwickelte medizinische Leistungen, die zur Medizin 4.0 gezählt werden können.

Problemstellungen der Medizin 4.0[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als eine Hürde, die Einführung einer Medizin 4.0 im Weg steht, kann die Angst vor der Veränderung gesehen werden. In einer Befragung aus dem Jahr 2016 gaben 27 Prozent der befragten Experten dies als Grund an. Für rund 21 Prozent von diesen ist das traditionelle Denken der einzelnen Berufsgruppen innerhalb des Systems die größte Hürde, ebenso viele erwähnen das Fehlen eines klaren rechtlichen Rahmens zum Datenschutz.[8] Durch Nudging kann es jedoch zu Fehlsteuerungen und Fehlentscheidungen kommen.[9][10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BMBF-Internetredaktion: Industrie 4.0 - BMBF. Abgerufen am 23. Mai 2017.
  2. Mathe, Magie und Patient - Kohlhammer Krankenhaus. Abgerufen am 23. Mai 2017.
  3. BMBF-Internetredaktion: Digitalisierung in der Medizin - BMBF. Abgerufen am 23. Mai 2017.
  4. Universitätsklinikum des Saarlandes - Geschichte der Anästhesie. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Mai 2018; abgerufen am 23. Mai 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uniklinikum-saarland.de
  5. UniversitätsKlinikum Heidelberg: Kleine Geschichte der Radiologie. Abgerufen am 23. Mai 2017.
  6. Catarina Caetano da Rosa: Operationsroboter in Aktion: Kontroverse Innovationen in der Medizintechnik. Transkript, ISBN 978-3-8376-2165-5.
  7. Essentials Brief: 2014 Mobile Devices Study. In: HIMSS Analytics. 9. Dezember 2014 (himssanalytics.org [abgerufen am 10. Mai 2017]).
  8. Gesundheitsbranche: Der lange Weg zur Medizin 4.0. (handelsblatt.com [abgerufen am 10. Mai 2017]).
  9. Paul Dolan u. a.: Mindplace: influencing behaviour through public policy. 2014.
  10. Carsten Könneker: Unsere digitale Zukunft: In welcher Welt wollen wir leben?, Springer-Verlag 2017, Seite 10