Minenräumschnur

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Eine MCLC explodiert vor zwei gepanzerten Fahrzeugen während der Übung Bright Star, 2001
Das Conger-System aus dem Zweiten Weltkrieg

Eine Minenräumschnur oder Minenräumleiter (im englischen Mine Clearing Line Charge, abgekürzt MCLC oder MICLIC; /mɪk.lɪk/ oder „mick-lick“) ist ein Gerät, das verwendet wird, um unter Kampfbedingungen einen Durchbruch in Minenfeldern zu ermöglichen. Obwohl es viele Typen gibt, besteht das Grundkonzept darin, dass viele an einer Linie verbundene Sprengladungen auf das Minenfeld geschleudert werden und dann explodieren. Dadurch sollen alle vergrabenen Minen gezündet und so den Truppen der Weg zum Überqueren frei gemacht werden.

Das System kann entweder tragbar oder fahrzeugmontiert sein. Tragbare Minenräumschnüre werden hauptsächlich dazu verwendet, kleinere Wege für abgesessene Infanterie freizumachen, während größere Minenräumschnur dazu dienen, Wege für Kampffahrzeuge freizumachen. Die Systeme garantieren nicht die Räumung aller Arten von Minen.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Briten und das Commonwealth entwickelten ihre Systeme bereits während des Zweiten Weltkriegs. Die Kanadier entwickelten 1941 bis 1942 „Snake“, eine übergroße Anwendung des Bangalore-Torpedos.[2]

Eine flexiblere Anwendung erlaubte das im Jahre 1944 entwickelte System „Conger“.[2] Conger hatte einen gewebten Schlauch mit einem Durchmesser von 2 Zoll (51 mm), der von einer 5 Zoll (127 mm) großen Rakete gezogen wurde. Die Abschussvorrichtung war auf einem Universal Carrier montiert, der zu einem gepanzerten Kettenanhänger modifiziert wurde. Der Carrier wurde von einem Panzer, oft einem Churchill AVRE, gezogen. Die Rakete wurde abgefeuert und zog den Schlauch über das zu räumende Gebiet. Anschließend wurde mit Druckluft der flüssige Sprengstoff – etwas mehr als einer Tonne „822C“-Nitroglycerin – in den Schlauch gepumpt, bevor er zur Detonation gebracht wurde.[3] Das System wurde nur einmal aktiv eingesetzt; am 25. September 1944 von der britischen 79th Armoured Division beim Kampf um Calais (Operation Undergo).[4] Das flüssige Nitroglycerin war sehr gefährlich und so kam es am 20. Oktober 1944 bei dem niederländischen IJzendijke beim Transport zu einer starken Explosion mit großen Verlusten bei den kanadischen Streitkräften.[5]

Japanischer MCLC-Start
Minenräumschnur in der Luft
Ausgelegte Minenräumschnur zur Vernichtung überschüssiger Munition

In den 1950er Jahren führten die Briten den Giant Viper als Anhänger ein. Das System hat eine 67 mm dicke und 230 m lange Sprengschnur, die mit Plastiksprengstoff PE6 gefüllt ist. Diese wird von einem Verbund aus acht Raketen über das Minenfeld gezogen. Am Ende der Sprengschnur befinden sich drei kleine Bremsfallschirme, welche dafür sorgen, dass die Sprengschnur im Flug und nach der Landung gestreckt bleibt.[6][7][8]

Im Jahr 1991, während des Zweiten Golfkriegs wurden Minenräumschnursysteme, wie die Giant Viper, von den Streitkräften der Multi-National Force (Koalition der Willigen) eingesetzt, um in ausgedehnte irakische Minenfelder entlang der saudisch-kuwaitischen Grenze einzudringen.[9][10]

Während des südafrikanischen Grenzkrieges nutzten südafrikanische Streitkräfte das Plofadder-System, um Wege durch angolanische und kubanische Minenfelder freizumachen.[11]

Gegenwärtige Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den derzeit im Einsatz befindlichen Systemen gehören das britische Python Minefield Breaching System, das einen 7,3 Meter breiten und 180–200 Meter langen Weg räumen kann, und das amerikanische M58 Mine Clearing Line Charge, das einen 8 m breiten und 100 m langen Weg freimachen kann.[12] Bei beiden handelt es sich um große, schwere Systeme, die in einem von einem Fahrzeug gezogenen Anhänger eingesetzt werden.

Die US-Armee nutzt außerdem das Antipersonnel Obstacle Breaching System, das einen Weg von 0,6 bis 1,0 Metern mal 45 Metern frei macht und leicht genug ist, um von zwei Soldaten getragen zu werden.

Die Bundeswehr nutzt die Minenräumleiter 80. Das System wird von vier Soldaten an den Einsatzort gebracht. Der 80 kg schwere Sprengstoff ist wie die Sprossen in einer Strickleiter angeordnet und kann eine bis zu 70 m tiefe Gasse räumen.[13]

Es gab Berichte darüber, dass russische Streitkräfte die UR-77 Meteorit Systeme in Syrien als Angriffswaffen zur Zerstörung von Gebäuden bei städtischen Kämpfen einsetzten.[14]

Gegenmaßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige moderne Minen, wie die italienische SB-33-Mine, verfügen über einen Zündmechanismus, der die Mine bei allmählichem, gleichmäßigem Druck zur Explosion bringt, den Zünder jedoch blockiert, wenn sie einem plötzlichen Stoß ausgesetzt wird. Solche Minen sind resistent gegen die Auslösung durch Minenräumschnüre, sie werden nur direkt durch die Explosion zerstört. Während bei gewöhnlichen Minen 95 % in einer fahrzeugbreiten Gasse unschädlich gemacht werden, fällt die Quote bei resistenten Minen auf etwa 75 %.[15]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fahrzeug M58 MICLIC (MIne Clearing Line Charge)
  • Python Minefield Breaching System
  • Charge Line Minenräumung (Fahrzeug) – Inder
  • UR-77 (УР-77) Sowjetisches Meteoriten-Minenräumsystem (von einer Rakete abgefeuerter Sprengschlauch), Ersatz des UR-67-Systems basierend auf dem BTR-50PK-Chassis.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mine Clearing Line Charge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Yuri Veremeyev: Инженерная техника Советской Армии. (deutsch: Engineering equipment of the Soviet Army). In: Cайер. 2000, archiviert vom Original am 8. Mai 2001; (russisch).
  2. a b Schneck William C.: The Origins of Military Mines: Part II. In: Federation of American Scientists. November 1998, abgerufen am 16. Juni 2023.
  3. David Fletcher: The Universal Tank. HMSO, 1993, ISBN 0-11-290534-X.
  4. William C. Schneck: "The Origins of Military Mines" in: The Engineer, Band 28, Ausgabe 4, 1988, S. 48 [1]
  5. Patrick Delaforce: "Smashing the Atlantic Wall: The Destruction of Hitler’s Coastal Fortresses", Verlag Casemate Publishers, 2005, ISBN 978-1-84415-256-8, S. 180 [2]
  6. "Breaching the Iraqi Line", in: "Jane’s Defence Weekly", 15. Dezember 1990 [3]
  7. Eddie Banks: Anti-personnel Landmines: Recognising & Disarming, Verlag Brassey's, 1997, ISBN 978-1-85753-228-9, S. 14
  8. Albert F. Dorris: "Engineer Support for the Combined Arms Team" in: "Armor", Band 89, September-Oktober 1980, Verlag U.S. Armor Association, S. 41 [4]
  9. Alberto Bin, Richard Jones: Desert Storm: A Forgotten War. Praeger, Westport / Connecticut 1998, ISBN 978-0-275-96319-4, S. 157.
  10. Boulting, Roy: Modern Warfare: The Persian Gulf War. [DVD]. Hrsg.: Total Content Digital. (englisch).
  11. Equipment Details. In: War in Angola. 29. Oktober 2020, abgerufen am 16. Juni 2023.
  12. M58 Mine Clearing Line Charge (MICLIC). In: Federation of American Scientists. 12. September 1989, abgerufen am 16. Juni 2023.
  13. Wehrtechnik, Band 24, 1992, Seite 92–12
  14. Sebastien Roblin: Russia's 'Meteorite' Could Be Putin's Secret Weapon to Kill Ukraine's Cities. In: 19FortyFive. 26. April 2022, abgerufen am 16. Juni 2023 (englisch).
  15. Thomas Houlahan: "Mine Field Breaching in Desert Storm," Journal of Mine Action, Vol. 5, Iss. 3, Article 9. 2001 [5]