Momentenproblem

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Momentenproblem ist ein klassisches Problem der Analysis. Statt aus einer Verteilung die Momente zu berechnen, wird das inverse Problem gelöst: aus einer gegebenen Folge von Momenten sollen Rückschlüsse auf eine mögliche, zugrundeliegende Verteilung gezogen werden, insbesondere in der Stochastik, siehe Moment (Stochastik)[1].

Dabei können zwei Fragestellungen unterschieden werden. Existiert zu einer gegebenen Folge reeller Zahlen eine Verteilungsfunktion , so dass diese Zahlen die Folge der -ten Momente für die Verteilungsfunktion bilden, dass also für ein Intervall

gilt? Ist diese Verteilungsfunktion durch die Angabe der Momente eindeutig bestimmt?[2]

Varianten des Momentenproblems[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung Momentenproblem wurde von Thomas Jean Stieltjes eingeführt, der das Problem 1894 erstmals ausführlich untersuchte und dabei die Bezeichnungen und Konzepte aus der Mechanik übernahm.[3][4][5] Je nach Träger der Verteilung (das ist das Komplement der größten offenen Menge vom Maß null), werden unterschiedliche Varianten des Momentenproblems unterschieden.

Hamburgersches Momentenproblem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Hamburgerschen Momentenproblem werden Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf betrachtet. Eine Verteilungsfunktion mit der Eigenschaft

existiert genau dann, wenn und für beliebige , die Beziehung

gilt.[2] Dabei ist im Allgemeinen die Verteilungsfunktion nicht eindeutig bestimmt.[2] Eine hinreichende Bedingung für die Eindeutigkeit von ist die Bedingung von Carleman

[2]

Die Verteilungsfunktion einer Normalverteilung ist eindeutig durch die Folge der Momente bestimmt.[6] Die Verteilungsfunktion einer Lognormalverteilung ist nicht eindeutig durch die Folge der Momente bestimmt, da es andere Wahrscheinlichkeitsverteilungen mit denselben Momenten gibt.[7][8]

Beim Stieltjesschen Momentenproblem ist und beim Hausdorffschen Momentenproblem ein beschränktes Intervall o. B. d. A. .

Trigonometrisches Momentenproblem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine weitere Variante ist das trigonometrische Momentenproblem, bei dem die Verteilung auf einem Einheitskreis in Abhängigkeit vom Winkel, also ein trigonometrisches Moment gesucht wird.[9] Gegeben sei eine Folge komplexer Zahlen. Unter welchen Voraussetzungen existiert eine Verteilungsfunktion auf dem Intervall mit der Eigenschaft

und ist diese Verteilungsfunktion eindeutig?

Die Antwort gibt ein Satz von Gustav Herglotz, der besagt, dass eine Verteilungsfunktion mit diesen Eigenschaften genau dann existiert, wenn und für beliebige , die Beziehung

gilt.[2] In diesem Fall ist eindeutig bestimmt.[2]

Eine Variante der Fragestellung ergibt sich, wenn nur endlich viele Konstanten gegeben sind und eine Verteilungsfunktion mit der Eigenschaft

gesucht ist. Dieses Problem heißt gestutztes Moementenproblem (engl. truncated moment problem).[10]

Beispiel: Bei gegebenem Mittelwert und Varianz (sowie alle weiteren Kumulanten gleich 0) ist die Normalverteilung die passende Verteilung zu den Momenten.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Momentenproblem (moment problem), S. 271–272.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Momentenproblem. Abgerufen am 15. Dezember 2020.
  2. a b c d e f Lexikon der Stochastik. S. 272.
  3. Thomas Jean Stieltjes: Recherches sur les Fractions continues. 1894 (numdam.org [PDF]).
  4. Gene H. Golub, Gérard Meurant: Matrices, Moments and Quadrature with Applications. Princeton University Press, 2009, ISBN 1-4008-3388-4, S. 15 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. James Alexander Shohat, Jacob David Tamarkin: The Problem of Moments. American Mathematical Society, 1943, ISBN 0-8218-1501-6, S. vii (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). Springer, New York 2000, ISBN 0-387-98953-6, Theorem 8.2, S. 293.
  7. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). Springer, New York 2000, ISBN 0-387-98953-6, Exercise 8.4, S. 293.
  8. C. C. Heyde: On a property of the lognormal distribution. In: Journal of the Royal Statistical Society, Series B. Band 25, Nr. 2, 1963, S. 392–393.
  9. Henry J. Landau: Moments in Mathematics. American Mathematical Society, 1987, ISBN 0-8218-0114-7, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Henry J. Landau: Moments in Mathematics. S. 3.