Muhammad Husain Kaschmīrī

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Porträt von Muhammad Husain

Muhammad Husain Kaschmīrī (persisch محمد حسین کشمیری, DMG Muḥammad Ḥusain Kašmīrī), (st. 1611/12) war der am höchsten geschätzte Kalligraph am Hof des Mogulherrschers Akbar, der ihm den Ehrentitel Zarrīn Qalam (pers. Goldener Stift) verliehen hat. Er war ein Meister des Nastaʿlīq, das sowohl im Safawiden- als auch im Mogulreich besonders beliebt war. Abū 'l-Fazl widmet ihm einen ausführlichen Abschnitt im Āʾīn-i Akbarī, in dem er die ausgewogenen Proportionen seiner Schrift lobt und darauf hinweist, dass Kenner der Materie ihn dem berühmten safawidischen Meister Mīr ʿAlī Haravī für ebenbürtig halten. Aus der Zeit zwischen 1582 und 1602 sind mehrere Manuskripte bekannt, die von Muhammad Husain kopiert wurden, darunter ein Gulistān von Saʿdī, ein Akbar-nāma und eine Chamsa von Amīr Chusrau Dihlavī. Daneben existiert eine größere Anzahl von Einzelblättern mit Versen, die sich teilweise in mogulzeitlichen Alben befinden.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Muhammad Husain Kaschmiri und der Maler Manohar, ca. 1610. Die Signatur des Kalligraphen ist in der obersten Zeile des Dreiecks.

Muhammad Husains Nisba „Kaschmīrī“ lässt darauf schließen, dass er aus Kaschmir stammt. Das Jahr seiner Geburt ist nicht bekannt. Es gibt jedoch ein Porträt von ihm in einem Gulistān von 1582, auf dem er etwa 35 bis 40 Jahre alt zu sein scheint.[1] Er dürfte daher in den 1540er Jahren geboren und vermutlich als Jugendlicher an den Hof gekommen sein, denn Abū 'l-Fazl berichtet, dass er „im Schatten des Thrones seiner Majestät ein großer Meister der Kalligraphie geworden ist“.[2] Das früheste von ihm signierte Werk stammt aus dem Jahr 1560.[3] Laut Bayani hat Muhammad Husain den Söhnen Akbars Unterricht gegeben.[4]

Auch unter Akbars Sohn und Nachfolger war er am Hof beschäftigt und hatte dort den Rang des obersten Schreibers inne.[4] In seinen Memoiren erwähnt Dschahāngīr den Kalligraphen gleich zweimal: Im März 1607 berichtet er im Zusammenhang mit einem Besuch in Sheikhupura von einer Inschrift, die „Mullā Muhammad Husain Kaschmīrī, der größte Meister der Kalligraphen seiner Zeit“ geschrieben hat. Diese Inschrift war im Auftrag Dschahāngīrs in einen Stein des Hiran Minar, gemeißelt worden, eines Turmes, den er zum Gedenken an eine zahme Antilope (pers. āhū) hatte erbauen lassen.[5] Diese Inschrift hat die Zeit nicht überdauert. In einem weiteren Eintrag hält er fest, dass er „Muhammad Husain dem Schreiber“ am 9. Dezember 1609 einen Elefanten geschenkt hat.[6] In dem unter Dschahāngīr konzipierten Gulschan-Album findet sich die letzte von Muhammad Husain unterzeichnete Kalligraphie. Sie trägt das Datum 1019 H. (1610/11). Der Meister ist laut Bayani im darauffolgenden Jahr gestorben.[7]

Albumseite mit Kalligraphie von Muhammad Husain Kaschmiri

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt zahlreiche Werke von Muhammad Husain, die er mit verschiedenen Namenskombinationen unterschrieben hat, zum Beispiel: Muhammad Husain Kaschmīrī, Muhammad Kaschmīrī, Muhammad Husain Kātib, Muhammad Husain al-Kātib, Muhammad Husain Zarrīn Qalam Dschahāngīrschāhī, Muhammad Husain al-Kātib al-Kaschmīrī, Kaschmīrī al-Kātib oder auch nur Kaschmīrī.[8]

Gulistān von 1582[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dieses Gulistān von Saʿdī ist heute zum einen wegen der über 1800 über den Text verteilten Vögel bekannt, die der damals noch junge Maler Manohar gemalt hat. Zum anderen sind die Kolophonporträts der Handschrift bemerkenswert: Sie zeigen Manohar zusammen mit Muhammad Husain. Das Porträt des Kalligraphen hat aber vermutlich nicht Manohar, sondern dessen Vater Basāwan gemalt.[9] Es ist das einzige bekannte Porträt von Muhammad Husain.

Gulistān von 992/1584[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwei Jahre nach dem Gulistān von 1582 hat Muhammad Husain die Abschrift eines weiteren Gulistān fertiggestellt.[10] Laut Kolophon hat er den Text 1584 in der Bibliothek von ʿAbd al-Mutallib Chān vollendet, einem von Akbars Amiren, der später zu den persönlichen Dienern des Padischah gehörte.[11] Dschahāngīr hat auf dem Deckblatt eine Inschrift hinterlassen, in der er Muhammad Husain gleich zweimal erwähnt und mitteilt, dass Akbar den Kalligraphen für dieses Werk mit 1000 Goldstücken belohnt hat.[1] In seinen anderen Inschriften erwähnt Dschahāngir nur dann den Namen des Kalligraphen, wenn es sich um Werke von Berühmtheiten wie Mīr ʿAlī Haravī oder Sultān ʿAlī handelt. Muhammad Husain wurde folglich auch von Akbars Nachfolger zu den Schreibern der allerhöchsten Kategorie gerechnet.[1]

Nachwort des Gulschan-Albums mit Signatur von Muhammad Husain Zarrīn Qalam Dschahāngīrschāhī

Weitere Handschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Muhammad Husain kopierte Werke sind außerdem ein Bahāristān von Dschāmī aus dem Jahr 1595,[12] die prachtvolle Chamsa von Amīr Chusrau Dihlavī (1597),[13] das Chester-Beatty Akbar-nāma und ein Dīwān des Tschischti-Sufis Amīr Hasan Dihlavī (st. 1327), der 1601/02 für die Bibliothek Scheich Farīd Buchārī angefertigt wurde.[14]

Auch wenn die Arabische Kalligraphie den Eindruck erweckt, ein müheloses und rasches Schreiben zu ermöglichen, ist tatsächlich das Gegenteil der Fall: sie war zeitaufwändig und erforderte sorgfältige Planung.[15] Von Muhammad Husains Kollege ʿAbd ar-Rahīm ʿAmbarin Qalam ist bekannt, dass dieser die Prachthandschrift der Chamsa von Nizamī[16] in einem konstanten Tempo von sechzehneinhalb Zeilen pro Tag innerhalb von zwei Jahren kopiert hat. Wenn man davon ausgeht, dass die Chamsa von Amīr Chusrau, eine Handschrift derselben Spitzenqualität, im gleichen Tempo geschrieben wurde, dürfte Muhammad Husain zwei Jahre für die Niederschrift der 233 Folios benötigt haben.[1]

Die letzte größere Abschrift von Muhammad Husain stammt aus dem Jahr 1610/11 und ist eine neue, viel gelobte Version von Chosrau und Schirin, die Āsaf Chān Mīrzā Jaʿfar Beg (st. 1612) verfasst hatte.[17] Der Mīrzā, ein General mit einem hohen Mansab von 5000, hatte sein Werk vermutlich als Geschenk für Dschahāngīr auf Marmorpapier mit Goldrahmen und farbigen Rändern kopieren lassen.[18]

Das Gulschan-Album[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Vorwort und Nachwort zum Gulschan-Album stammen von Muhammad Husain. Semsar schließt daraus, dass der Kalligraph für das gesamte Albumprojekt, das nach seinem Tod erweitert wurde, zuständig war.[19] Die vorletzte Zeile des Epilogs datiert das Album durch das Abdschad-System auf 1019 H (1610/11).

Einzelseiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt zahlreiche Einzelblätter mit Kalligraphien.[20] Viele davon gehören oder gehörten verschiedenen Mogul-Alben an, in denen sie zuweilen Werken von Mīr ʿAlī Haravī gegenübergestellt werden.[21] Eine sehr beliebtes Muster von Albumseiten zeigt einen Vierzeiler, Rubāʿī, in großer Schrift, der diagonal über das Blatt geschrieben ist. Auf diese Weise bleiben oben rechts und unten links kleine Dreiecke frei, wobei der untere Winkel gewöhnlich den Namen des Kalligraphen enthält. Der Reim im Zentrum ist bei diesem Muster oft von kleiner geschriebenen Schriftbeispielen umgeben. Diese Textbausteine werden gewöhnlich von anderen Werken entnommen, die, wenn überhaupt, nur eine schwache Beziehung zu den Versen in der Mitte haben.[22] Es gibt daneben diverse andere Gestaltungsformen für kalligraphische Albumseiten.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mehdi Bayānī: Aḥvāl va āsār-i ḫušnavīsān. (Leben und Werk der Kalligraphen). Teheran, 1363HŠ (=1984/85) Band 3. S. 702–704.
  • Sheila Blair: Islamic Calligraphy. Edinburgh University Press 2008. ISBN 978-0-7486-3540-5.
  • Emily Hannam: Eastern Encounters. Four Centuries of Paintings and Manuscripts from the Indian Subcontinent. Royal Collection Trust, London 2018. ISBN 978-1-909741-45-4.
  • Iranian Masterpieces of Persian Painting. Tehran Museum of Contemporary Art. Institute for Promotion of Visual Arts in association with the Tehran Museum of Contemporary Art. Tehran ²2011, ISBN 978-600-91382-2-7.
  • Samsam-ud-daula Shāh Nawāz Khān und sein Sohn Abdul Hayy: The Maāthir-ul-umara. Band 1. Übersetzt durch H. Beveridge. Low Price Publications, Delhi 1999. (Repr. 1952) ISBN 81-7536-159-X.
  • Semsar, Mohammad-Hasan: Golestan Palace Library. A Portfolio of Miniature Paintings and Calligraphy. Zarrin & Simin Books, Tehran 2000. ISBN 964-92113-2-2.
  • John Seyller: Pearls of the Parrot of India. The Walters Art Museum Khamsa of Amīr Khusaw of Dehli. The Walters Art Museum, Baltimore (Maryland) 2001. ISBN 0-911886-51-6.
  • John Sellyer: The Colophon Portrait of the Royal Asiatic Society Gulistan of Saʿdi. In: Artibus Asiae Vol. 68/2 (2008) S. 333–342.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Muhammad Husain Kaschmīrī – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Seyller, Pearls of the Parrot, S. 39.
  2. The Ā-īn-i Akbarī Vol. I. By Abu L-Fazl Allami. Translated into English by H. Blochmann, M.A. Calcutta, Madras. Ed. by Lieut.-Colonel D.C. Phillott. Low Price Publications. Delhi 1994. S. 109.
  3. Das mit „Muhammad al-Husainī“ signierte Werk trägt das Datum 968 (= 1560/61) und befindet sich in einem Album im Topkapi Saray Museum, H. 2137, Folio 37a. Seyller, Pearls of the Parrot, S. 39 und Fußnote 3, S. 43.
  4. a b Bayānī: Aḥvāl va āsār-i ḫušnavīsān. 1984/85, S. 702.
  5. Ǧahāngīr, Nūr ud-Dīn Muḥammad: Ǧahāngīrnāma. Tūzuk-i Ǧahāngīrī. Ed. Muḥammad Hāšim. o. O. (Teheran) 1359 HŠ (1980), S. 53.
  6. The Jahangirnama. Memoirs of Jahangir, Emperor of India. Translated, edited and annotated by Wheeler M. Thackston. Smithsonian Institution, Washington D.C. in association with Oxford University Press, New York 1999. S. 104.
  7. Bayani, Aḥvāl va āṣār-i ḫušnavīsān, S. 703.
  8. Seyller, Pearls of the Parrot, S. 43. Bayani, Aḥvāl va āsār-e ḫušnevīsān, S. 704.
  9. Sellyer, The Colophon Portrait, Artibus Asiae (2008) S. 333–342, der gesamte Artikel behandelt allein diese These.
  10. Dieses Gulistān befindet sich heute in Windsor, Royal Collection Trust, RCIN 1005022. Der Einband, Deckblatt, Kolophon und einige Textseiten sind auf den Internetseiten des Royal Collection Trust zu sehen, RCIN 1005022.
  11. Samsam-ud-daula Shāh Nawāz Khān, The Maāthir-ul-umara, Band 1, S. 40.
  12. Bahāristān von Dschāmī, Bodleian Library MS. Elliott 254.
  13. Chamsa von Amīr Chusrau im Walters Art Museum, W.624.
  14. Maulavi Abdul Muqtadir: Catalogue of the Arabic and Persian Manuscripts in the Oriental Public Library at Bankpore. Calcutta 1908, Band 1, Nr. 132, S. 196–198.
  15. Blair, Islamic Calligraphy, S. 60.
  16. British Library Or. 12208.
  17. Ein ausführlicher Artikel über Āsaf Chān Mīrzā Qiwām ud-Dīn Jaʿfar Beg in den The Maāthir-ul-umara. Band 1, S. 282–287.
  18. Maulavi Abdul Muqtadir: Catalogue of the Arabic and Persian Manuscripts in the Oriental Public Library at Bankpore. Calcutta 1912, Band 3, Nr. 274, S. 14–16.
  19. Semsar, Golestan Palace Library, S. 253.
  20. Eine sehr ausführliche Liste von Einzelseiten liefert Seyller, Pearls of the Parrot S. 43.
  21. Zwei Beispiele in der Royal Library, Windsor Castle, RCIN 1005039 und RCIN 1005061: Hannam, Eastern Encounters. S. 66–67, Nr. 4 und Nr. 5.
  22. Blair, Islamic Calligraphy, S. 430.