Nürnberger Rotlichtviertel

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Das Rotlichtviertel von Nürnberg an der Frauentormauer bei Nacht (2023)

Das Nürnberger Rotlichtviertel stellt eines der ältesten Rotlichtviertel Deutschlands dar und befindet sich in den Gassen rund um das westliche Ende der Frauentormauer im Nürnberger Stadtbezirk St. Lorenz.[1][2]

Gebiet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heute erstreckt sich das Gebiet des Rotlichtviertels rund um das westliche Ende der Frauentormauer zwischen Spittler- und Färbertor sowie der Ottostraße und Engelhardsgasse, die bei St. Jakob wieder zusammentreffen. In diesem Bereich befinden sich diverse Prostitutionsstätten, FKK-Clubs, Bars, Stripclubs, Stundenhotels, Nachtclubs sowie Diskotheken und weitere einschlägige Lokalitäten. In diesem posieren die Sexarbeiterinnen in den Schaufenstern der einzelnen Häuser. Diese tragen in der Regel die jeweilige Hausnummer als Namen. In früheren Zeiten erstreckte sich das Gebiet des Rotlichtviertels teils auch in die jeweils von der Engelhardsgasse abgehenden Straßen Pfeifer- sowie Schottengasse.[3][4][5][6]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Quellen weisen bereits seit 1381 auf die Ausübung von Prostitution in Frauenhäusern hin. Als bis 1400 die letzte Stadtmauer Nürnbergs errichtet wurde, schloss diese von nun an auch das Gebiet zwischen der Jakobskirche und dem Plärrer zum befestigten Stadtgebiet ein. In diesem Bereich entwickelte sich schließlich aus der Ansiedlung vereinzelter Häusern das sogenannte Jakober Viertel. Nahe des Plärrers, dem Markt für konzessionslose Händler außerhalb der Stadtmauern, entstand mit der Zeit entlang der Frauentormauer ein etablierter Bereich mit Frauen- und Freudenhäusern.[7][8][9]

Partie an der Frauentormauer am Spittlertor (1891)

19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem 19. Jahrhundert ist der Begriff Hinter der Mauer bekannt, wobei um diese Zeit sexuelle Dienstleistungen in sogenannten Weinhandlungen angeboten wurden. In den 1870er Jahren gab es auch Rabattmarken sowie Postkartenmotive von jungen Frauen, die an der Frauentormauer vor den Weinhandlungen posierten. Dienste durften hierbei nur ledige und kinderlose Frauen anbieten.[10][11]

20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im westdeutschen Nachkriegsdeutschland, in dem Prostitution zwar legal, aber sittenwidrig war, entwickelte sich das Viertel mit seinen verschiedenen Häusern zu einem offiziellen Rotlichtbezirk. Obwohl mittlerweile für den gesamten Nürnberger Innenstadtbereich ein Verbot von Prostitutionsstätten besteht, genehmigte die Stadt an dieser historischen Stelle eine Ausnahme.[12][13]

21. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während 1999 von etwa 600 Prostituierten in der Stadt rund 200 in den Häusern an der Frauentormauer arbeiteten, waren es 2019 von 1.600 Sexarbeiterinnen täglich etwa 600. Von allen in der Sexarbeit tätigen Personen in Nürnberg hatten 95 Prozent keine deutsche Staatsbürgerschaft und stammten häufig aus Osteuropa.[14][15][16] Am 1. Juli 2021 eröffnete das Gesundheitsamt der Stadt eine Fachstelle sexuelle Gesundheit und bietet dort Beratungstermine für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter an. Personen unter 21 Jahren müssen die Beratung alle sechs Monate wahrnehmen, alle anderen ein Mal pro Jahr.[17][18]

Mit der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus im März 2020 und den damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, mussten auch die Lokalitäten entlang der Frauentormauer schließen.[19][20] Die Sexarbeiterinnen verlegten ihr Geschäft in der Folge in ungeschützte und illegale Privaträume, ehe kleinere Häuser unter strengen Hygieneauflagen im Juni 2021 wieder öffnen durften. Viele der ehemaligen Tätigen kehrten jedoch nicht mehr in die legalen Stätten zurück, sondern bieten ihre Dienste weiterhin privat an.[21] Als Auswirkung ist hierbei das in Erscheinung treten immer jüngerer Prostituierter entlang der Frauentormauer zu beobachten, wobei hierbei häufig der Verdacht des Menschenhandels im Raum steht. Auch pendelten sich die Zahlen der Freier bislang nicht mehr auf das Niveau vor den Schließungen ein.[22][23][24][25]

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Claudia Thoben: Prostitution. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (Gesamtausgabe online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Nürnberger Rotlichtviertel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Frauentormauer: Zu Besuch auf einer der ältesten Rotlichtmeilen auf nordbayern.de, vom 11. Februar 2019, abgerufen am 11. Oktober 2023
  2. Claudia Thoben: Prostitution. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (Gesamtausgabe online).
  3. „Jenseits des Weißen Turmes“ auf medienwerkstatt-franken.de, von 1999, abgerufen am 11. Oktober 2023
  4. Freier und Frauen bleiben weg: Flaute an der Nürnberger Frauentormauer auf nn.de, vom 21. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2023
  5. Frauen im Schaufenster: Spaziergang an der Frauentormauer auf br.de, vom 2. Juli 2018, abgerufen am 11. Oktober 2023
  6. Hinter den Kulissen: Prostitution in Nürnberg auf frankenfernsehen.tv, vom 19. Februar 2014, abgerufen am 11. Oktober 2023
  7. „Jenseits des Weißen Turmes“ auf medienwerkstatt-franken.de, von 1999, abgerufen am 11. Oktober 2023
  8. Claudia Thoben: Prostitution. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (Gesamtausgabe online).
  9. Wiltrud Fischer-Pache: Am Plärrer. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (online).
  10. „Jenseits des Weißen Turmes“ auf medienwerkstatt-franken.de, von 1999, abgerufen am 11. Oktober 2023
  11. Claudia Thoben: Prostitution. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (Gesamtausgabe online).
  12. „Jenseits des Weißen Turmes“ auf medienwerkstatt-franken.de, von 1999, abgerufen am 11. Oktober 2023
  13. Hinter den Kulissen: Prostitution in Nürnberg auf frankenfernsehen.tv, vom 19. Februar 2014, abgerufen am 11. Oktober 2023
  14. „Jenseits des Weißen Turmes“ auf medienwerkstatt-franken.de, von 1999, abgerufen am 11. Oktober 2023
  15. Einblick ins Milieu: Zu Besuch in Nürnbergs Rotlicht-Viertel auf nordbayern.de, vom 11. Februar 2019, abgerufen am 11. Oktober 2023
  16. Frankens Rotlicht-Hochburg: Wie gefährlich ist die Sex-Arbeit für die Frauen? auf focus.de, vom 27. Februar 2019, abgerufen am 11. Oktober 2023
  17. Stadt Nürnberg eröffnet am 1. Juli Fachstelle für sexuelle Gesundheit auf merkur.de, vom 30. Juni 2021, abgerufen am 11. Oktober 2023
  18. Freier und Frauen bleiben weg: Flaute an der Nürnberger Frauentormauer auf nn.de, vom 21. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2023
  19. Lichter aus im Rotlicht-Viertel auf radio8.de, vom 17. März 2020, abgerufen am 11. Oktober 2023
  20. Bordelle müssen schließen: Corona trifft auch Frauentormauer auf nordbayern.de, vom 17. März 2020, abgerufen am 11. Oktober 2023
  21. Sexarbeit in der Pandemie: Mehr Prostitution im Verborgenen auf sueddeutsche.de, vom 4. Oktober 2021, abgerufen am 11. Oktober 2023
  22. Mehr illegale Prostitution: Sexarbeit spürt noch Corona-Folgen auf br.de, vom 4. Oktober 2021, abgerufen am 11. Oktober 2023
  23. Immer mehr junge Frauen, immer weniger Freier: Nürnberger Rotlichtmilieu in der Krise auf nordbayern.de, vom 23. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2023
  24. Freier und Frauen bleiben weg: Flaute an der Nürnberger Frauentormauer auf nn.de, vom 21. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2023
  25. Frankens Rotlicht-Hochburg: Wie gefährlich ist die Sex-Arbeit für die Frauen? auf focus.de, vom 27. Februar 2019, abgerufen am 11. Oktober 2023

Koordinaten: 49° 26′ 52″ N, 11° 4′ 6,6″ O