O komm, du Geist der Wahrheit

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O komm, du Geist der Wahrheit ist ein evangelisch-lutherisches Kirchenlied zum Pfingstfest. Der Pastor und spätere Superintendent Philipp Spitta schrieb es wohl zu Pfingsten 1827[1] im Domänendorf Lüne bei Lüneburg und veröffentlichte es 1833 in seiner Liedersammlung Psalter und Harfe. Der Text ist ein Bittgebet zum Heiligen Geist um Bekennermut in „glaubensarmer Zeit“.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philipp Spitta nahm nach dem ersten theologischen Examen, wie viele Pfarramtskandidaten seiner Zeit, eine Hauslehrerstellung an. Die besten[1] der Lieder, die er später veröffentlichte, entstanden in diesen Jahren. Sie zeugen von einer intensiven, gefühlsbetonten und antirationalistischen Frömmigkeit und stehen im Kontext der romantischen Gegenbewegung gegen die Aufklärung und einer Rückbesinnung auf die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche.

Obwohl Spittas Sammlung Psalter und Harfe laut Untertitel „zur häuslichen Erbauung“,[2] also für die Andachten einer Hausgemeinschaft bestimmt waren, wurden die Lieder schon bald in Gesangbücher für den Gottesdienst in der Kirche übernommen, zumal sie alle auf bekannte Kirchenliedmelodien singbar waren.

Form[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sieben Strophen des Pfingstliedes bestehen aus acht jambischen, dreihebigen Zeilen, die abwechselnd weiblich und männlich reimen. Dieses Strophenschema ist in der Kirchenlieddichtung häufig.[3] O komm, du Geist der Wahrheit wurde in der Vergangenheit mit verschiedenen Melodien dieser Strophenform gesungen.[4]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das lyrische Wir des Liedes ist die Gemeinde. Adressat ist (explizit nur in den Strophen 1–3, 5 und 7) der Heilige Geist, um dessen kraftvolles Kommen gebeten wird. Als Hintergrund der Bitte beschreibt das Lied eine glaubensarme (europäische) Christenheit, die umkehren und, angespornt durch das Beispiel der neubekehrten „Heiden“ und unbeeindruckt von „aller Feinde Toben“, das Evangelium verkünden soll. Der damals im Zuge des Kolonialismus sehr aktiven Mission in fernen Kontinenten wird damit das Anliegen der inneren Mission, der Glaubenserneuerung in Deutschland und Europa, zur Seite gestellt.

Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

O komm, du Geist der Wahrheit in Psalter und Harfe 1834

1. O komm, du Geist der Wahrheit,[5]
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.

2. O du, den unser größter
Regent uns zugesagt:
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharf geschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.

3. Unglaub und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh.[6]
Du musst uns Kraft verleihen,
Geduld und Glaubenstreu
und musst uns ganz befreien
von aller Menschenscheu.

4. Es gilt ein frei Geständnis
in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis
bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde Toben,
trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben
das Evangelium.

5. In aller Heiden Lande
erschallt dein kräftig Wort,
sie werfen Satans Bande
und ihre Götzen fort;
von allen Seiten kommen
sie in das Reich herein;
ach soll es uns genommen,
für uns verschlossen sein?

6. O wahrlich, wir verdienen
solch strenges Strafgericht;
uns ist das Licht erschienen,
allein wir glauben nicht.
Ach lasset uns gebeugter
um Gottes Gnade flehn,
dass er bei uns den Leuchter
des Wortes lasse stehn.[7]

7. Du Heilger Geist, bereite
ein Pfingstfest nah und fern;
mit deiner Kraft begleite
das Zeugnis von dem Herrn.
O öffne du die Herzen
der Welt und uns den Mund,
dass wir in Freud und Schmerzen
das Heil ihr machen kund.[8]

Melodie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die heute in allen Gesangbüchern dem Lied zugeordnete Melodie/? gehört ursprünglich zum Abschiedslied Entlaubet ist der Walde von Thomas Stoltzer (1475–1526) und war in der Urfassung sehr stark durch Melismen ausgeschmückt. Trotzdem wurde sie hoch populär, mit Chorsätzen von Ludwig Senfl und Caspar Othmayr. Dazu auch kamen auch bald die ersten geistlichen Umdichtungen Ich dank dir, lieber Herre (Johann Kolrose um 1535) und Lob Gott getrost mit Singen (Johann Horn 1544). Zur Umdichtung Herr Jesu, Licht der Heiden (Johann Franck 1653) bearbeitete Johann Crüger die Melodie zu einem einfacheren Rhythmus und ließ nur das schwungvolle Schlussmelisma stehen. Auch die älteren Texte wurden auf Crügers Version gesungen. Ihre Lebhaftigkeit entspricht der dringenden Bitte um den lebenspendenden Geist.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ulrich Parent, Joachim Stalmann: 136 – O komm, du Geist der Wahrheit. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 4. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-50325-3, S. 68–70.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Parent S. 68
  2. Titelseite
  3. Vgl. O Haupt voll Blut und Wunden, Wie soll ich dich empfangen, Valet will ich dir geben, Lob Gott getrost mit Singen, Wie lieblich ist der Maien u. v. a.
  4. 1, 2, 3
  5. Joh 16,13 LUT
  6. Eph 6,11–17 LUT
  7. Offb 2,5 LUT
  8. Text nach EG 136