Operation Affenkäfig

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Operation „Affenkäfig“ war eine gegen sowjetische Partisanen sowie die Zivilbevölkerung gerichtete Aktion der 12. Panzerdivision der deutschen Wehrmacht bei Newel in der Sowjetunion. Die Aktion fand zwischen dem 11. und 14. November 1942 im Rahmen des deutschen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion statt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Frühjahr 1942 veränderte die Wehrmacht ihre Strategie im Kampf gegen sowjetische Partisanen. Die Partisanen würden in größeren Verbänden auftreten, so berichtete der Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet Mitte, Max von Schenckendorff, im Februar 1942, und schlug größere militärische Aktionen vor. Vorbildfunktion für das Vorgehen in den mitunter schwer zugänglichen Wald- und Sumpfregionen erlangte das Unternehmen Bamberg, bei dem ein großes Gebiet umstellt wurde, in welchem sich Partisanen aufhalten sollten. Die eingesetzten Truppen verengten dann den Kessel konzentrisch zur Durchsuchung. Den Partisanen gelang es, sich dem Zugriff zu entziehen, aber mindestens 6000 Menschen der Zivilbevölkerung wurden dabei ermordet.[1]

Das Sumpfland von Polazk mit seinen dichten Wäldern und Sümpfen bot gute Voraussetzungen für Partisanenangriffe. Im November 1942 kontrollierten die Widerstandskämpfer 45 % dieser Region und waren in weiteren 22 % präsent. Die Deutschen hingegen hielten die Städte Witebsk und Polazk, die Eisenbahnlinien und Hauptverkehrswege. Das Vorgehen der 12. Panzer-Division gegen das Gebiet zwischen Newel und Polazk stand am Beginn einer Reihe von entsprechenden Aktionen in diesem Gebiet.[2]

Ablauf der Operation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sogenannten „Großunternehmen“ der Wehrmacht unterschieden sich in Größe, Aufwand und Form, aber die ortskundigen Partisanengruppen wurden selten gestellt. Diese Erfahrung machte auch die 12. Panzer-Division beim Unternehmen „Affenkäfig“. Auch hier gelang es den Partisanen der 4. Weißrussischen Partisanenbrigade, sich dem Zugriff der unter Zeitdruck stehenden deutschen Truppen zu entziehen, indem sie sich in die Wälder zurückzogen, wo die Panzer nicht hinkamen.[3] Partisanen, die sich den Kampfhandlungen entzogen, ließ die Division entkommen.[4] Die 12. Panzer-Division meldete zurück, dass die Truppe in Partisanenbekämpfung geschult werden müsste. Für das Unternehmen „Affenkäfig“ sei gegen den Rat der Division zu wenig Zeit vorgesehen worden, die man gebraucht hätte, um die Höfe, Gebäude, Scheunen, Keller usw. gründlich zu durchsuchen.[4] Das Unternehmen „Affenkäfig“ erzielte in dieser Hinsicht keine nennenswerten Erfolge.[5]

Ein Unteroffizier der 12. Panzer-Division berichtete in einem Feldpostbrief vom 16. November 1942, dass er nur sehr wenige Partisanen zu Gesicht bekommen habe und auch nur sehr wenige gefasst worden seien. Stattdessen habe man die Dörfer zerstört, die ihnen als Basis gedient hätten und alle Lebensmittel und Versorgungsgüter, die man habe finden können, an sich genommen. Viele Hühner, Schafe, Kühe und Schweine habe man geschlachtet und fette und leichte Tage dort gehabt, wie Räuber aus dem Wilden Westen.[6]

In ihrer Abschlussmeldung vom 17. November 1942 meldete die Division 56 zerstörte und fünf teilweise zerstörte Dörfer. Als Beute wurden 590 Rinder, 510 Schafe, 37 Schweine und 123 Pferde angegeben, an erbeuteten sonstigen Lebensmitteln acht Tonnen Getreide, 25 Tonnen Kartoffeln und 500 kg Futtererbsen.[7]

Der Historiker Ben H. Shepherd schlussfolgert aus dem Feldpostbrief, es sei nicht zu erwarten gewesen, dass Truppen in einer solchen brutalen Stimmung Zivilisten verschonen würden.[6] Tatsächlich hatte die Division in ihrem Befehl vom 9. November 1942 für das Unternehmen „Affenkäfig“ festgelegt, dass brutale Rücksichtslosigkeit gegenüber den „Banditen“, ihren Helfern und Helfershelfern jedem einzelnen Mann eingehämmert werden müsse.[4] Viele Einheiten im Kampf gegen Partisanen gingen deshalb gegen die Zivilbevölkerung vor und zählten ermordete Zivilisten als getötete Partisanen. Insbesondere die hohe Diskrepanz zwischen der Zahl der angeblich getöteten Partisanen und der Menge der bei ihnen gefundenen Waffen spricht dafür, dass viele der angeblich im Kampf getöteten Partisanen tatsächlich Zivilisten waren.[8]

Die 12. Panzer-Division vermeldete 132 getötete Partisanen bei eigenen Verlusten von vier Soldaten und 25 Verwundeten. Außerdem seien 61 Frauen und Kinder als „Angehörige“ von Partisanen getötet und 87 Zivilgefangene im Alter von 16 bis 50 Jahren abgeschoben worden. Dagegen verzeichnete man an zerstörten bzw. erbeuteten Waffen 32 Gewehre, ein leichtes und drei schwere Maschinengewehre, drei Geschütze, zwei Flak-Geschütze, zwei Panzerabwehrkanonen sowie vier Granatwerfer.[7]

Dadurch, dass die deutschen Truppen keine Truppen in den durchkämmten Gebieten stationierten, wurden durch die Großunternehmen zwar Unruhe unter den Partisanen gestiftet, diese aber nicht dauerhaft vertrieben.[9] Als im Rahmen des Unternehmens „Waldwinter“ Einheiten der 286. Sicherungs-Division ab dem 31. Januar 1943 im Bahndreieck Witebsk–Newel–Polozk operierten, berichteten sie, dass nicht mehr Nutztiere und Nahrungsmittel erbeutet werden konnten, weil sie im letzten Teil ihrer Operation in das Gebiet kamen, in welchem die 12. Panzer-Division Unternehmen „Affenkäfig“ durchgeführt hatte. Hier waren deshalb weder Menschen noch materielle Werte mehr aufzufinden.[10]

Nach Angaben von Gerd Niepold, ehemals Erster Generalstabsoffizier der 12. Panzer-Division und Autor ihrer Divisionsgeschichte, wurden 1945 kriegsgefangene Angehörige der Division für ihre Beteiligung am Unternehmen „Affenkäfig“ zu bis zu 25 Jahren Lagerhaft in der Sowjetunion verurteilt.[11]

Quellenlage und -überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das dritte Kriegstagebuch der Division (Berichtszeitraum 1. April bis 31. Dezember 1942) ist zusammen mit zugehörigen Dokumenten wie Befehlen und Meldungen erhalten; diese und weitere Akten liegen heute im Bundesarchiv (Abteilung Militärarchiv, Standort Freiburg, Signaturengruppe RH 27-12).[12] Als sie noch in den National Archives in Washington lagen, wurden sie mikroverfilmt.[13] Shepherd zitiert auch einen Feldpostbrief, der die Taten erwähnt.[14] Mehrere Divisionsangehörige haben nach 1945 Darstellungen und Erinnerungen verfasst (siehe hier). Die meisten Darstellungen dieser Art sind der Legende der sauberen Wehrmacht verpflichtet und erwähnen Operationen, die Kriegsverbrechen waren oder so gewertet werden konnten, nicht oder nur in beschönigender Form.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-16022-3, S. 245.
  2. Matthew Cooper: The Phantom War. The German Struggle against Soviet Partisans 1941–1944. Macdonald and Jane’s, London 1979, S. 154 f.
  3. Клетка малпы [„Affenkäfig“]. In: Энцыклапедыя гісторыі Беларусі: У 6 т. [Enzyklopädie der belarussischen Geschichte in 6 Bänden]. Band 4. БелЭн, Minsk 1997, S. 193. Vgl. auch Ben H. Shepherd: Hitler’s Soldiers. The German Army in the Third Reich. Yale University Press, New Haven 2016, ISBN 978-0-300-17903-3, S. 290.
  4. a b c Ben H. Shepherd: Hitler’s Soldiers. The German Army in the Third Reich. Yale University Press, New Haven 2016, S. 293.
  5. Matthew Cooper: The Phantom War. The German Struggle against Soviet Partisans 1941–1944. Macdonald and Jane’s, London 1979, S. 155 f.
  6. a b Ben H. Shepherd: War in the Wild East. The German Army and Soviet Partisans. Harvard University Press, Cambridge/Mass. 2004, ISBN 978-0-674-04355-8, S. 212.
  7. a b zit. nach 12. Panzer-Division Ia an Armeeoberkommando 11: Abschlussmeldung für das Unternehmen „Affenkäfig“, 17. November 1942. In: Bundesarchiv-Militärarchiv, RH 27-12/31.
  8. Ben H. Shepherd: Hitler’s Soldiers. The German Army in the Third Reich. Yale University Press, New Haven 2016, ISBN 978-0-300-17903-3, S. 290 f.
  9. Ben H. Shepherd: Hitler’s Soldiers. The German Army in the Third Reich. Yale University Press, New Haven 2016, ISBN 978-0-300-17903-3, S. 291.
  10. Heinz Kühnrich: Der Partisanenkrieg in Europa 1939–1945. 2. Aufl., Dietz, Berlin 1968, S. 171 f.
  11. Gerd Niepold: Ursprung und Lebenslauf der pommerschen 12. Panzerdivision. Selbstverlag, Koblenz 1988, S. 57.
  12. Eintrag im Findbuch des Bundesarchivs.
  13. Der Guide to German Records Microfilmes at Alexandria, VA, No. 63. Records of German Field Commands: Divisions (Part HI) (Divisions 1–9 (Supplementary), 10–21). Washington 1970 enthält unter anderem folgenden Eintrag zur 20. Panzerdivision: "Ia Kriegstagebuch 3, Russland. War journal partaining to the of the division on the northern front in the Lyuban area and to its transfer in Nov 1942 to the Roslavl area on the central front via Velikiye Luki, Nevel, and Gorodok. Also, data concerning Operation “Affenkäfig” (the destruction of partisan units in the Velikiye Luki area). The division was subordinate to AOK 18, I., XXVIII., L., XXVI., and XXX. A.K., AOK 11, LIX. A.K., H.Gr. Mitte, AOK 9, XXXII. Pz.K., and the XXIII. A.K. at various times during this period. Apr 1–Dec 31, 1942."
  14. Ben H. Shepherd: War in the Wild East. The German Army and Soviet Partisans. Harvard University Press, Cambridge/Mass. 2004, ISBN 978-0-674-04355-8, S. 212.
  15. Rolf Düsterberg: Soldat und Kriegserlebnis: Deutsche militärische Erinnerungsliteratur (1945–1961) zum Zweiten Weltkrieg. Motive, Begriffe, Wertungen (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur Band 78). De Gruyter, Berlin 2000, ISBN 978-3-484-35078-6, hier S. 141–155.