Ossicon

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Rothschild-Giraffe (Giraffa camelopardalis rothschildi) mit Ossiconen (ein größeres und kleineres Paar und ein einzelnes mittig)
Okapi (Okapia johnstoni) mit Ossiconen
Schädel eines Giraffenbullen mit Ossiconen, die Hörner sind mit dem Schädel verwachsen
Neugeborene Giraffe mit zwei schwarzen Haarbüscheln über den Knorpelansätzen

Ossicon (auch Ossiconus,[1] Ossikon,[2] Stirnzapfen[3] und Hornzapfen) wird das permanente Horn bei den Giraffen (Giraffa) und beim Okapi (Okapia) sowie bei ihren ausgestorbenen Vorfahren genannt. Es ist ein hautbedeckter Knochenauswuchs auf dem Schädel,[4] der als in der Haut angelegter Knorpelansatz sich später in paarige oder unpaarige Hörner umwandelt (bei der Rothschild-Giraffe fünf Hörner, eines mittig auf der Stirn).

Bei den Giraffen tragen beide Geschlechter die Hörner, während bei den Okapis nur die Männchen welche haben. Nur bei den Okapis sind die Hornspitzen frei von Haut.

Namensherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der britische Zoologe Ray Lankester gab 1901 den hautüberzogenen Hörnern der Giraffenartigen (Giraffidae) erst den Namen ossicusps,[5] um sie aber von den hautüberzogenen Geweihen der Hirsche (Cervidae) zu unterscheiden, nannte er sie 1902 vellericorns. Im Jahr 1907 äußerte Lankester sich, dass er den Begriff ossicusps allgemeiner verwenden möchte, gleichzeitig reservierte er den Begriff ossicone für die eigentümlichen, separat verknöchernden Zapfen der Giraffenartigen.[6] Weitgehend in Übereinstimmung mit Lankesters Vorgabe wird der Begriff „Ossicon“ heute speziell nur noch für die Hörner der Giraffen und des Okapi sowie für vergleichbare Bildungen bei ausgestorbenen Formen innerhalb der Giraffenartigen und dem unmittelbaren Verwandtschaftskreis (Giraffomorpha) verwendet.[7][8][9]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da die Ossiconen nicht abgestoßen werden, nehmen einige Wissenschaftler an, dass die Giraffenartigen von den Hornträgern (Bovidae) abstammen, die meisten Autoren jedoch ordnen die Abstammung den Hirschen zu.[10]

Die „Hörner“ der Giraffenartigen werden bereits im Embryonalstadium angelegt, was von anderen Stirnwaffenträgern abweicht. Bei der Geburt sind diese als flache, anfangs frei bewegliche Knorpelansätze in der dicken Haut eingebettet. Die fötalen Ossiconen und die der neugeborenen Giraffen haben einen oval-länglichen Querschnitt, wobei ihre Achse posteromedial-anterolateral verläuft, und die Kopfhaut darüber ist von langen schwarzen Haaren bedeckt, wenn sie geboren werden.[11] Sie richten sich innerhalb weniger Tage nach der Geburt schon auf und verknöchern während des Wachstums. Bis zum Alter von vier Jahren bei den Männchen und bis zu sieben Jahren bei den Weibchen verknöchern und verwachsen sie fest mit dem Schädel. Es ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob die Ossiconen ein evolutionäres Überbleibsel, also ein primitiver Typ der komplexeren Hörner anderer Familien sind, oder ob sich ursprünglich große Hörner zurückgebildet haben, während der Hals der Giraffen immer länger wurde.[12][13]

Die Position der Ossiconen auf der Kranznaht des Schädels wurde erstmals 1838 von Richard Owen beschrieben.[14] Der regelmäßige Wechsel der Apikalhaut wurde in den 1950er Jahren im Zoologischen Garten in Prag bei beiden Geschlechtern während einer achtjährigen Studie beobachtet.[15]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Helmuth Zapfe: Die Fauna der miozänen Spaltenfüllung von Neudorf an der March (Slowakei). Palaeomerycidae. - PDF Free Download. 1993, S. 92, abgerufen am 4. Juni 2022 (deutsch).
  2. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Referate: Kristallographie, Mineralogie. I. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, 1934, S. 169 (Ossikonen von Samotherium und Palaeotragus).
  3. Wilfried Westheide, Gunde Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-3-8274-2220-0, S. 634, 650, 710.
  4. Milton Hildebrand, George Goslow: Vergleichende und funktionelle Anatomie der Wirbeltiere. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-18951-7, S. 683.
  5. Ray Lankester: On Okapia, a new genus of Giraffidae from Central Africa. In: Transactions of the Zoological Society of London. Band 16, 1901, S. 279–314 (S. 286 und 291–300) ([1]).
  6. Ray Lankester: The origin of the lateral horns of the giraffe in foetal life on the area of the parietal bones. In: Proceedings of the Zoological Society of London. 1907, S. 100–125 ([2]).
  7. Bryan Shorrocks: The Giraffe: Biology, Ecology, Evolution and Behaviour. John Wiley & Sons, 2016, ISBN 978-1-118-58747-8, S. 53.
  8. N. Solounias und N. Tang: The two types of cranial appendages in Giraffa camelopardalis (Mammalia, Artiodactyla). In: Journal of Zoology. Band 222, 1990, S. 293–302.
  9. Israel M. Sánchez, Juan L. Cantalapiedra, María Ríos, Victoria Quiralte und Jorge Morales: Systematics and Evolution of the Miocene Three-Horned Palaeomerycid Ruminants (Mammalia, Cetartiodactyla). In: PlosOne. Band 10 (12), 2015, S. e0143034 doi:10.1371/journal.pone.0143034.
  10. Susan Lyndaker Lindsey, Mary Neel Green, Cynthia L. Bennett: The Okapi: Mysterious Animal of Congo-Zaire. University of Texas Press, 2010, ISBN 978-0-292-78832-9, S. 28, 41 f.
  11. George A. Bubenik, Anthony B. Bubenik: Horns, Pronghorns, and Antlers: Evolution, Morphology, Physiology, and Social Significance. Springer Science & Business Media, 2012, ISBN 978-1-4613-8966-8, S. 187.
  12. Anne Innis Dagg: Giraffe: Biology, Behaviour and Conservation. Cambridge University Press, 2014, ISBN 978-1-107-72944-5, S. 95 ff. (Horns).
  13. Bryan Shorrocks: The Giraffe: Biology, Ecology, Evolution and Behaviour. John Wiley & Sons, 2016, ISBN 978-1-118-58747-8, S. 53.
  14. Graham Mitchell: How Giraffes Work. Oxford University Press, 2021, ISBN 978-0-19-757119-4, S. 71: „The two posterior or true horns are not supported exclusively by an enlarged frontal bone, but rest each upon the coronal suture which traverses precisely the middle of the expanded base.“
  15. Ludek Dobroruka: Periodisches Auswechseln der Apikalhaut an Ossiconen bei der Giraffe. In: Berichte über die wissenschaftliche Biologie. Springer-Verlag., 1968, S. 365 f.