Otto Diedrich Richborn

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Otto Diedrich Richborn (* 1674 in Hamburg; † 1729) war ein deutscher Orgelbauer.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Biografisch ist nur wenig über Richborn bekannt. Er stammte aus Hamburg, wo er als Sohn des bekannten Orgelbaumeisters Joachim Richborn geboren wurde. Als er zehn Jahre alt war, starb sein Vater. Zwischen 1697 und 1700 war er Geselle von Arp Schnitger. Anschließend machte er sich selbstständig und führte als einziger Orgelbauer in Hamburg konsequent die Schnitger-Tradition fort.[1] Er wohnte „Auf dem Sande“, wo seine Schwester im Jahr 1715 ihre Hochzeit feierte. Sein Bruder Johann Albert half in der Orgelwerkstatt und übernahm nach dem Tod Otto Diedrich dessen Haus.[2]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben verschiedenen Reparaturen ist nur ein größerer Orgelneubau nachweisbar, den Richborn in der St.-Pauli-Kirche (ehemals im Stadtteil St. Pauli, heute in Altona) ausführte. Diese Orgel musste erst 1932 einem Neubau nach den Vorstellungen Hans Henny Jahnns weichen. Eine erhaltene Entwurfszeichnung des Gehäuses der Richborn-Orgel zeigt, dass er bei Aufbau und äußerer Gestaltung der Orgel ganz Schnitgerschen Prinzipien folgte.[3]

Während seiner Gesellenzeit bei Schnitger ist Richborn neben Christian Vater und Nicolai Gerdes beim Neubau in Oldenbrok 1697 als dessen Geselle nachweisbar und bei Reparaturarbeiten der Orgel der St. Lamberti in Oldenburg 1699/1700 neben dem Gesellen Johann Matthias Naumann.[4] Richborn war auch an Schnitger Neubau der Orgel von St. Cyprian und Cornelius (Ganderkesee) beteiligt.

Im Jahr 1704 reparierte Richborn als mittlerweile selbstständiger Orgelbauer für Dieterich Buxtehude die große Orgel der Lübecker Marienkirche und lieferte drei neue Register, die nach Buxtehudes Urteil allerdings nur „zimblich wollgerathen“ waren und bereits im nächsten Jahr überholt werden mussten.[5] 1712 und 1719 führte er in der Dreifaltigkeitskirche (Hamburg-Hamm) sowie 1720 in der Franziskanerkirche St. Maria Magdalena Reparaturen durch.[6]

Ein Jahr nachdem sich Johann Sebastian Bach 1720 erfolglos um die Stelle in St. Jacobi beworben hatte, wurde auf Veranlassung des neuen Organisten Johann Joachim Heitmann am 16. September 1721 mit Meister „Reichborn“ ein detaillierter Vertrag über Pflegemaßnahmen und Reparaturen an der Schnitger-Orgel von St. Jacobi geschlossen.[7] Ebenfalls 1721 stimmte Richborn die Orgel im Hamburger Heilig-Geist-Hospital einen halben Ton tiefer. Eine kleine Orgel mit acht Registern aus dem Jahr 1723 wurde nach La Orotava (Teneriffa) exportiert und 1990 von Bartelt Immer restauriert. Umfangreichere Reparaturen wurden 1727–1729 in St. Severini (Hamburg-Kirchwerder) ausgeführt und parallel 1727–1728 an der Orgel von St. Cosmae et Damiani (Stade). Jedoch veränderte Richborn nicht den Pfeifenbestand.[8]

Werkliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Register Bemerkungen
1697 Oldenbrok Christuskirche II/p 12 Mitarbeit beim Neubau von Schnitger als dessen Geselle; 1752–1754 ersetzt
1699 St. Cyprian und Cornelius Ganderkesee
II/p 16 Mitarbeit beim Neubau von Schnitger als dessen Geselle; erhalten → Orgel von St. Cyprian und Cornelius (Ganderkesee)
1699/1700 Oldenburg (Oldb) St. Lamberti III/P 35 Mitarbeit als Geselle von Schnitger bei Reparaturen der Orgel von Hermann Kröger (1635–1642); 1800 ersetzt
1704 Lübeck Marienkirche
III/P 35 Reparatur der großen Orgel und Erweiterung um 3 Register; nicht erhalten
1712, 1719 Hamburg-Hamm Dreifaltigkeitskirche (Hamburg-Hamm) II/P 21 Reparatur der Schnitger-Orgel (1694–1695); nicht erhalten
1720 Hamburg St. Maria Magdalena II/P 23 Reparatur der Orgel von Gottfried Fritzsche (1629–1630); nicht erhalten
1718–1721 Hamburg-Altona-Altstadt St.-Pauli-Kirche II/P 27 Neubau der Orgel, der bis 1932 weitgehend erhalten blieb; möglicherweise Pfeifenmaterial in der Mennonitenkirche Friedrichstadt erhalten
1721 Hamburg Hauptkirche Sankt Jacobi
IV/P 59 umfangreiche Reparaturen; Pfeifenbestand erhalten → Orgel der Hauptkirche Sankt Jacobi (Hamburg)
1721 Hamburg Heilig-Geist-Hospital Umstimmung der Orgel von Joachim Appeldohm (1640–1643); nicht erhalten
1723 La Orotava, Teneriffa San Juan Bautista I 8 Neubau; erhalten
1727–1728 Stade St. Cosmae et Damiani
III/P 42 umfangreiche Reaparturen der Orgel von Berendt Hus/Arp Schnitger (1669–1688); erhalten → Orgel von St. Cosmae et Damiani (Stade)
1727–1729 Kirchwerder St. Severini II umfangreiche Reaparturen der Orgel von Hinrich Speter (1641); einige Register erhalten

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jan von Busch: Die untergegangene Schreiber-Orgel in Koldenbüttel und ihre orgelbauenden Organisten. In: Ars Organi. Band 66, Nr. 2, 2018, S. 73–82 (Der Artikel behandelt auf den S. 78–80 Details zur Geschichte der Richborn-Orgel der St.-Pauli-Kirche (Hamburg-Altona-Altstadt) (73–76 online, PDF).).
  • Mads Kjersgaard, Dietrich Wölfel: Zwei Positive des Orgelbauers Jochim Richborn von 1667 und 1673. Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, ISBN 3-7950-1267-8.
  • Ibo Ortgies: Die Praxis der Orgelstimmung in Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert und ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musikpraxis. Göteborgs universitet, Göteborg 2004 (gbv.de [PDF; 5,4 MB] rev. Fassung 2007).
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5.
  • Heimo Reinitzer (Hrsg.): Die Arp-Schnitger-Orgel der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg. Christians, Hamburg 1995, ISBN 3-7672-1187-4.
  • Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
  • Kurt Piper: Zur Genealogie der Hamburger Orgelbauerfamilie Reichborn. In: Zeitschrift für niederdeutsche Familienkunde. Band 43, 1968, ISSN 0044-3190, S. 43–50.
  • Gustav Fock: Hamburgs Anteil am Orgelbau im niederdeutschen Kulturgebiet. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Nr. 38, 1939, S. 289–373 (agora.sub.uni-hamburg.de – Richborn auf S. 361–364).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Fock: Arp Schnitger und seine Schule. 1974, S. 76.
  2. Fock: Hamburgs Anteil am Orgelbau. 1939, S. 361 (agora.sub.uni-hamburg.de abgerufen 10. Dezember 2012.)
  3. Abbildung bei Busch: Die untergegangene Schreiber-Orgel. 2018, S. 81. Busch weist darauf hin, dass in einer 1831 für die Schule in Koldenbüttel erbauten Schulorgel älteres Pfeifenmaterial verwendet wurde. Er führt Gründe für die Möglichkeit an, dass dieses Pfeifenmaterial der ehemaligen Richborn-Orgel in St. Pauli entstammen könnte. Die Schulorgel befindet sich heute in der Mennonitenkirche Friedrichstadt (Busch: Die untergegangene Schreiber-Orgel. 2018, S. 77–78 und 80).
  4. Fock: Arp Schnitger und seine Schule. 1974, S. 129, 137.
  5. Ortgies: Die Praxis der Orgelstimmung. 2004/2007, S. 291, gbv.de (PDF; 5,2 MB).
  6. Fock: Arp Schnitger und seine Schule. 1974, S. 67 f.
  7. Reinitzer: Die Arp-Schnitger-Orgel. 1995, S. 289–291.
  8. Vogel: Orgeln in Niedersachsen. 1997, S. 156.