P. Hamb. bil. 1

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Das letzte Blatt der griechischen Πράξεις Παύλου (Paulusakten) mit Titel und Henkelkreuz

Der Papyrus Hamburgensis bilinguis 1 (Sigel 998 nach Rahlfs) ist das Fragment einer Handschrift in griechischer und fayyumischer koptischer Sprache von etwa 300 n. Chr. Sie enthält die pseudepigraphischen christlichen Paulusakten sowie die Bücher Hoheslied, Brief des Jeremia und Ecclesiastes des Alten Testaments.

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Schrift stammt aus der Gegend von Fayyūm, wie sich dem Dialekt entnehmen lässt, und auch die wenig zuverlässigen Angaben des ägyptischen Händlers zum Fundort Tebtynis widersprechen dem nicht.[1] Die paläographischen Elemente und Buchstabenformen deuten ungefähr auf die Zeit um 300 n. Chr. für die Entstehung der Handschrift.[2]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Handschrift wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Ägypten von Carl Schmidt entdeckt. 1927 konnte sie durch die Unterstützung privater Geldgeber wie dem Hamburger Verleger Kurt Broschek (1884–1946)[3] für die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg angekauft werden, wo sie sich heute unter der Signatur P. Hamb. bil. 1 befindet.

Der Papyrus wurde von Hugo Ibscher auf Glasplatten gebracht und von Wilhelm Schubart entziffert (4).

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Format ist mit 27 × 19 ungewöhnlich groß. Der Papyrus ist ziemlich grob, schadhafte Stellen wurden bereits vom Schreiber ausgelassen. Die Ränder sind schmal und ungleichmäßig, ebenso die Zeilenlänge, was auf eine private Abschrift eines nichtprofessionellen Schreibers hinweist. Der Anfang des Buches fehlt, vom Schluss sind fünf Lagen mit einigen Lücken erhalten.

Carl Schmidt charakterisiert die Hand als ungefüge, schlechte Schulschrift, es gibt sehr lange Zeilen, diese sind aber oft schief und mit ungleichmäßigem Abstand. Der Schreiber bemüht sich um eine Schönschrift, es gelingt ihm aber nicht. Der Schreiber wechselt die Richtung der Buchstaben und die Formen.

Die paläographischen Elemente und Buchstabenformen deuten ungefähr auf die Zeit um 300 n. Chr. für die Entstehung der Handschrift.[4]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die übrig gebliebenen Teile dieser Sammelhandschrift umfassen:

  • Paulusakten griechisch. Es sind nur 11 Seiten übrig geblieben. Vermutlich sind ungefähr 48 Seiten der Acta Pauli in dieser Handschrift verloren gegangen. Dieser Textzeuge bietet noch vier Episoden: Den Tierkampf des Apostels in Ephesus, den Aufenthalt in Korinth, die Fahrt von Korinth nach Italien und das Martyrium.
  • Hoheslied altfaijumisch
  • Klagelieder Jeremias in altfaijumisch
  • Ecclesiastes griechisch
  • Ecclesiastes altfaijumisch

Veröffentlichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Veröffentlichung des ersten Teils mit den Paulusakten erfolgte 1936 durch Carl Schmidt. Die damals technisch sehr aufwendige Reproduktion der Papyrusblätter wurde mit einem hohen Druckkostenzuschuss ermöglicht. Vorangetrieben wurde das Projekt durch den Hamburger Direktor der Staatsbibliothek Gustav Wahl, dem es gelang Gelder aus verschiedenen Quellen zusammenzubringen. Unterstützung fand er bei der Hamburgischen Behörde für Volkstum, Kirche und Kunst, der Hamburger Wissenschaftlichen Stiftung und des Hamburger Landesbischofs, von privater Seite leistete Baron von Westenholz einen Beitrag und eine Gesellschaft von Freunden der Wissenschaft von der Harvard University in Cambridge unter Führung von Kirsopp Lake, darunter die Professoren Ropes, Cadbury, R. P. Blake und R. W. New, später bekannt als Mrs. Blake.[5]

Die alttestamentlichen Texte wurden 1989 veröffentlicht von Bernd Jörg Diebner und Rodolphe Kasser.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fragment der Paulusakten ist die bedeutendste griechische Abschrift des Werks im originalen Griechisch. Es gibt keine vollständige griechische Abschrift. Die koptischen Texte sind in einem Dialekt geschrieben, der älter ist als die Sprache in den sonst bekannten faijumischen Schriften. Nur wenig andere Texte sind in dieser Sprachform überliefert. Diese Handschrift ist somit auch von Bedeutung für die Koptologie.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. C. Schmidt: Πράξεις Παύλου, S. 9.
  2. C. Schmidt: Πράξεις Παύλου, S. 9–10.
  3. Leibniz Informationszentrum
  4. C. Schmidt: Πράξεις Παύλου, S. 9–10.
  5. C. Schmidt: Πράξεις Παύλου, Vorwort.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carl Schmidt (Hrg.): Πράξεις Παύλου; Acta Pauli. Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek, unter Mitarbeit von Wilhelm Schubart. Veröffentlichungen aus der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek. Neue Folge der Veröffentlichungen aus der Hamburger Stadtbibliothek, Herausgegeben von Gustav Wahl, J.J. Augustin in Glückstadt und Hamburg 1936. (Text, deutsche Übersetzung und Kommentar)
  • Otto Zwierlein: Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse. Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Bd. 96). Berlin 2010.
  • Otto Zwierlein: Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom. Vom Neuen Testament zu den apokryphen Apostelakten. (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Bd. 109). Berlin 2013.
  • Bernd Jörg Diebner: Die biblischen Texte des Hamburger Papyrus bilinguis 1 (Cant, Lam co., Eccl. gr. et co.) in ihrem Verhältnis zum Text der Septuaginta, besonders des Kodex B (Vat.gr. 1209): Beobachtungen und methodische Bemerkungen. In: Tito Orlandi, Fr. Wisse (Hrsg.): Acts of the 2nd International Congress of Coptic Studies, Roma 1980. C.I.M., Roma 1985, S. 59–74.
  • Bernd Jörg Diebner / Rodolphe Kasser: Hamburger Papyrus bil.1: Die alttestamentlichen Texte des Papyrus bilinguis 1 der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Cahiers d'Orientalisme 18). Genf 1989.