Parallelcousinenheirat

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Parallelcousinenheirat bezeichnet die Eheschließung eines Mannes mit seiner parallelverwandten Cousine: mit einer Tochter des Vaterbruders (Parallel-Onkel) oder der Mutterschwester (Parallel-Tante). Die Parallelverwandtschaft besteht darin, dass entweder beide Väter oder beide Mütter des Ehepaares Geschwister sind (parallel: gleichen Geschlechts).[1] Im folgenden Schaubild sind für den Sohn nur zwei Töchter der vier Elterngeschwister interessant:

 
 
 
 
 
Großeltern vaterseitig
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Großeltern mutterseitig
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Vaterschwester  ♀
Kreuz-Tante
 
Vaterbruder 
Parallel-Onkel
 
 Vater
 
Mutter 
 
 Mutterschwester
Parallel-Tante
 
♂  Mutterbruder
Kreuz-Onkel
 
 
[Kreuzcousins/-cousinen]
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[Kreuzcousins/-cousinen]
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Tochter:
Parallelcousine
 
 
 
Sohn
(Parallelcousin)
 
 
 
Tochter:
Parallelcousine
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Eine Heirat zwischen Parallelcousin und -cousine (Vetter und Base) kann auch entfernteren Grades sein und bezieht sich meist auf die Kinder des Vaterbruders oder des vaterseitigen Großvaters.[2] Sie dient vor allem dem Zweck, durch die endogame Verbindung (innerhalb derselben Abstammungsgruppe) den Familienzusammenhalt zu stärken und den gemeinsamen Familienbesitz zu sichern. Auch wird erhofft, durch den Zusammenschluss zukünftige Streitigkeiten zwischen den beiden Familiengruppen zu verhindern.

Vaterseitige parallele Cousin-Cousinen-Ehen mit der Bint ʿamm (Tochter des Vaterbruders) sind vor allem im arabischen Kulturraum verbreitet;[1] diese Heiratsregel hat sich im Nahen Osten und später darüber hinaus mit der Islamisierung ausgebreitet. Allerdings wird sie vom Koran in keiner Weise empfohlen, die 4. Sure an-Nisā' verbietet in Vers 23 sogar Onkel-Nichten-Verbindungen (siehe auch Islamisches Eherecht).[3] Da die bint ʿamm als Cousine bereits zur Familie des Bräutigams gehört, ist für sie kein Brautpreis zu zahlen, der an ihre Familie ginge. Parallelcousinenheiraten finden sich auch im konservativen und im orthodoxen Judentum und werden schon im 1. Buch Mose (Genesis) in der Vätergeschichte beschrieben.[4]

Im Gegensatz dazu sehen viele der weltweit 1300 indigenen Völker und Ethnien[5] parallele Cousins und Cousinen als gleichgestellt zu eigenen Geschwistern.[1] Entsprechend ist bei ihnen die Parallelcousinenheirat kaum verbreitet – im Gegensatz zur Kreuzcousinenheirat mit einer Tochter des Mutterbruders oder der Vaterschwester.

Genetische Beratungsstellen weisen darauf hin, dass Kinder von blutsverwandten Paaren ein erhöhtes Risiko von Erbkrankheiten oder Behinderungen haben (siehe Erbkrankheitsrisiken bei Verwandtenehen).[6]

Heiraten vaterseitiger Cousinen im europäischen Adel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine doppelte Parallelcousinenheirat war 1846 die Ehe zwischen Königin Isabella II. von Spanien und Franz d’Assisi von Bourbon-Spanien, deren beider Väter Brüder (aus dem Hause Spanien) und beider Mütter Schwestern waren (aus dem Hause Neapel-Sizilien). Zwei Brüder hatten zwei Schwestern geheiratet und verheirateten wiederum ihre Kinder miteinander, was von der katholischen Kirche verboten war, aber trotzdem ihren Segen erhielt (siehe auch Ehehindernis im kanonischen Recht, Blutschande).

Einige Beispiele sind aus Bürgerfamilien bekannt, so pflegte die Bankiersfamilie der Rothschilds Verwandtschaftsheiraten über viele Generationen, wie auch die Nachkommen des hanseatischen Unternehmers Johann Henry Schröder.

Nach der biblischen Erzelternerzählung heiratete Isaak, Sohn von Erzvater Abraham, mit Rebekka eine doppelte Parallelnichte, die über ihren Vater Betuël Enkelin des Abraham-Bruders Nahor und über ihre Mutter Enkelin des Abraham-Bruders Haran war.[7] Demgegenüber sind Onkel-Nichten-Ehen in der Heiligen Schrift des Islam verboten (Koran, 4. Sure an-Nisā', Vers 23).[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gabriele Paleczek: Einige Bemerkungen zur Problematik der Parallelcousinenheirat. In: Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Band 120, Wien 1990, S. 199–216.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger: Parallelkusinenheirat. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, abgerufen am 21. Oktober 2013 (das ansonsten umfangreiche Glossar bietet wenig hierzu).
  • Brian Schwimmer: Lineage Endogamy / Parallel Cousin Marriage. In: Tutorial: Kinship and Social Organization. Department of Anthropology, University of Manitoba, Kanada, September 2003, abgerufen am 21. Oktober 2013 (englisch, das ansonsten umfangreiche Verwandtschaftstutorial bietet wenig hierzu).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Gabriele Rasuly-Paleczek: Einführung in die Formen der sozialen Organisation (Teil 3/5). (PDF; 853 kB) Universität Wien, 2011, S. 128–129 und 138, abgerufen am 21. Oktober 2013: „Zum anderen bewirkt das verwandtschaftsterminologische System, welches in den meisten Fällen die Parallelcousins terminologisch mit den Geschwistern gleichsetzt (vgl. z. B. Iroquois-, Crow- und Omaha-System), dass diese Parallel-Cousins infolge des Inzesttabus als Heiratspartner nicht in Frage kommen, somit lediglich die Cross-Cousins, die nicht dem Inzesttabu unterliegen als Ehepartner möglich sind. (vgl. SCHUSKY 1965:S.60).“ S. 138: „In den meisten Gesellschaften werden die Parallel-Cousins mit den Geschwistern gleichgesetzt (vgl. z. B. Crow- und Omaha-System) und unterliegen damit dem Inzestverbot und können daher nicht geheiratet werden. […] die Heirat mit der patrilateralen Parallel-Cousin[e], die viel Aufmerksamkeit erregt hat, auch wenn sie nur in sehr wenigen Gesellschaften, z. B. im Nahen Osten (bei den Kurden, Arabern, Teilen der Turkvölker) vorkommt. (vgl. VIVELO 1981:S.243 und SEYMOUR-SMITH 1986:S.215)“.
  2. Brian Schwimmer: Lineage Endogamy / Parallel Cousin Marriage. In: Tutorial: Kinship and Social Organization. Department of Anthropology, University of Manitoba, Kanada, September 2003, abgerufen am 21. Oktober 2013 (englisch): „[…] there are a few marked cases of preferential marriages between fellow members of the same lineage. They are normally organized though the practice of parallel cousin marriage, usually between the children of two brothers, who are both members of their fathers’ patrilineage.“
  3. a b Rudi Paret: Koran Sure 4: Die Frauen. In: koransuren.de. Deutsche Koran Übersetzung, abgerufen am 21. Oktober 2013 (Paret, 1901–1983, war deutscher Philologe und Islamwissenschaftler, von ihm stammt die in Wissenschaftskreisen maßgebliche Übersetzung des Korans ins Deutsche; die Internetseite bietet den Vergleich zwischen 4 Übersetzungen): „Verboten (zu heiraten) sind euch eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern, eure Tanten väterlicherseits oder mütterlicherseits, die Nichten, […]“.
    Siehe auch: Kurt Rudolph: Der Koran – Kapitel 4 – Vierte Sure: Die Frauen. In: Projekt Gutenberg-DE. Abgerufen am 21. Oktober 2013 (Quelle: Reclam Verlag 1970): „Verwehrt sind euch eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern, eure Vatersschwestern und Mutterschwestern, eure Bruderstöchter und Schwestertöchter, […]“.
  4. Brian Schwimmer: Sagas of the Hebrew Patriarchs – Genealogy of the Hebrew Patriarchs and Matriarchs. In: Tutorial: Kinship and Social Organization. Department of Anthropology, University of Manitoba, Kanada, September 2003, abgerufen am 21. Oktober 2013 (englisch): „These well known legends provide illustrations of some basic principles of the ancient Hebrew social order along with some contradictory evidence on the dynamics of endogamy, inheritance, and succession. […] The delineation of the Israelites as a favoured peoples is determined through a process of lineage endogamy (inmarriage) […]“.
  5. Der Ethnographic Atlas by George P. Murdock (Memento des Originals vom 2. August 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/eclectic.ss.uci.edu enthält mittlerweile Datensätze zu 1300 Ethnien, Stand Dezember 2012 im InterSciWiki (Memento des Originals vom 10. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/intersci.ss.uci.edu.
  6. Hansjakob Müller u. a.: Medizinische Genetik. Familienplanung und Genetik. In: Schweizer Medizin Forum. Nr. 5, Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Basel 2005, S. 639–641, hier S. 640, Tabelle 2 Genetische Risiken bei Verwandtenehen (PDF-Datei; 123 kB; 3 Seiten): „Cousin-Cousine 1. Grades: 6 % | Cousin-Cousine 2. Grades:4 % [Risiko für nicht blutsverwandte Paare: 3 %] […] Studien haben gezeigt, dass die gemeinsamen Nachkommen von Verwandten höhere genetische Risiken tragen als diejenigen von Nicht-Verwandten. Bei Cousin und Cousine 1. Grades ist das Risiko für körperliche und geistige Behinderungen im Vergleich zum Risiko in der normalen Bevölkerung noch doppelt so gross.“
  7. 1. Buch Mose (Genesis) 24,15 EU: „Rebekka […] war dem Betuël geboren worden, dem Sohn der Milka, die die Frau Nahors, des Bruders Abrahams, war.“ Anmerkung: Rebekka (Schwester von Laban) war die Tochter des Aramäers Betuël (Sohn von Abrahams Bruder Nahor) und Milka. Milka wiederum war die Tochter von Abrahams jüngerem Bruder Haran, sie war also die Nichte ihres Ehemannes Nahor (Onkel-Nichte-Heiraten sind auch später im Gesetz Mose nicht verboten, im Islam allerdings schon). Rebekka war also eine doppelte Parallel-Nichte 2. Grades von Isaak: sowohl über ihren Vater wie über ihre Mutter mit seinem Vater in der Seitenlinie blutsverwandt.