Photoplayer

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Photoplayer


US-Komiker Ben Turpin mit einem Fotoplayer
Klassifikation Chordophon (Piano)
Aerophon (Orgel)
Tasteninstrument
Membranophon (Trommeln)
Idiophon (Becken, Cowbell)
Schlaginstrument
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Tonumfang fehlt
Vorlage:Infobox Musikinstrument/Wartung/Parameter Klangbeispiel fehlt


Ein Photoplayer, auch Fotoplayer, ist ein mechanisches Musikinstrument, das in der Stummfilmzeit zur akustischen Untermalung von Filmen im Kino eingesetzt wurde.

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff war zunächst eine geschützte Warenbezeichnung der American Photo Player Company. Als Erfinder gelten die Brüder Burt und Harold A. Van Valkenburg aus Minnesota.[1] Er wird jedoch mittlerweile verallgemeinernd für mechanische Musikinstrumente für Kinozwecke verwendet. Der Name Photoplayer setzt sich aus englisch photoplay ‚Stummfilmbegleitmusik‘[2] und player piano ‚selbstspielendes Klavier‘ zusammen.[3]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie bei einem Orchestrion ist das Grundinstrument auch beim Photoplayer ein elektrisches (genauer: pneumatisches) Klavier, um das herum weitere Instrumente wie Pfeifenwerke, die Streichinstrumente (z. B. Violinen) imitieren,[4] aber auch Orgelklänge erzeugen können, Schlagzeug und Geräuscheffekte[5] angeordnet sind. Diese werden in Seitenschränken (side chests) links und rechts des Klaviergehäuses untergebracht.

Die zum Filmbegleiten besonders begehrten Geräuscheffekte waren jeweils separat von Hand abrufbar, um sie synchron zum Leinwandgeschehen betätigen zu können, z. B. Autohupen, Lokomotivpfeifen, Vogelstimmen, Haus- bzw. Telefonklingeln u. ä.[6] Das geschah durch Ziehen an Handzügen, die in Amerika cow-tails (Kuhschwänze) genannt wurden. Andere Effekte waren über Pedale zugänglich.[7]

Bei den meisten Fabrikaten konnte das Klavier auch von Hand gespielt werden, bei manchen auch das Pfeifenwerk von einer eigenen, zweiten Klaviatur aus.[8]

Üblicherweise aber wurde der Photoplayer mit Notenrollen, wie sie vom elektrischen Klavier oder dem Orchestrion bekannt sind, gesteuert, die neben der Information für Melodie und Begleitung auch solche über die Orchestrierung, d. h. den Einsatz von Schlag- und Pfeifenwerk, enthalten konnten. Damit ein unterbrechungsfreies Spiel möglich war, wie es das Begleiten abendfüllender Filme erforderte, bekamen Photoplayer zwei Notenrollen-Laufwerke eingebaut. War eine Notenrolle zu Ende gespielt, setzte die zweite ein.[9]

Bei einigen Modellen konnte der Vorführer von seiner Kabine aus über eine Druckknopftafel[10] das Abspielen fernsteuern, aufgrund des doppelt vorhandenen Notenrollen-Mechanismus auch den Stückwechsel.[11]

Notenrollen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eigens für die Illustration stummer Filme arrangierte Notenrollen waren dazu erhältlich. So stellte das Unternehmen The Filmmusic Co. of Los Angeles viele Jahre lang Picturolls her,[12] die teilweise von Hand eingespielt waren, viele davon von Künstlern wie Eddie Horton, einem nachmals in Australien und Neuseeland sehr bekannten Organisten. Sie enthielten Stücke von Kinokomponisten wie William Axt, Gaston Borch, Fred Hager, Otto Langey, Ernst Luz, Ernö Rapée oder J. S. Zamecnik[13] und trugen Stimmungsangaben wie „dramatic – agitato“ und Hinweise wie „hurry – chase – comedy“,[14] um dem Bediener des Instrumentes die Auswahl zu erleichtern. Das konnte die Platzanweiserin sein oder der Kartenabreißer.[15] Ein ausgebildeter Pianist war dazu nicht mehr notwendig.[16]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Photoplayer füllte die Lücke zwischen dem bescheidenen „Mann am Klavier“[17] und den Kinokapellen, die je nach Vermögen des Kinounternehmers zwischen drei und zwanzig Mann stark sein konnten.[18] Wem eine Kinoorgel zu teuer war, der griff gerne zum erschwinglicheren Photoplayer.[19]

Zwischen 1912 und 1928 wurden etwa 8.000 bis 10.000 Photoplayer fabriziert und verkauft.[20] Zu den größten Herstellern zählten in den USA außer der American Photo Player Company – dem Namensgeber – noch die Marken Link,[21] Seeburg[22] und Wurlitzer,[23] die auch Orchestrions und elektrische Klaviere bauten.

Einige Klavierbauanstalten in Deutschland stiegen nach 1912 ebenfalls in das Geschäft mit mechanisch betriebenen Kinoinstrumenten ein, darunter Hupfeld in Leipzig,[24] Philipps in Frankfurt/Main[25] und Welte in Freiburg/Breisgau.[26]

Mit dem Aufkommen des Tonfilms am Ende der 1920er Jahre verschwanden die Photoplayer aus den Lichtspieltheatern.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rick Altman: Silent Film Sound (= Film and culture). Neuauflage. Columbia University Press, 2007, ISBN 978-0-231-11663-3, S. 324–330.
  • American Theatre Organ Society (Hrsg.): Theatre Organ: Journal of the American Theatre Organ Society. Band 28, American Theatre Organ Society, 1986, S. 16 und 19.
  • Rudy Behlmer: An Interview with Gaylord Carter, Dean of Theatre Organists (1989). In: Mervyn Cooke: The Hollywood Film Music Reader. Oxford Univ. Press, 2010, ISBN 978-0-19-533118-9, Kapitel From “silents” to sound. No. 4, S. 29–38.
  • David Q. Bowers: Encyclopedia of Automatic Musical Instruments. The Vestal Press, Vestal, New York 1972.
  • Jan Brauers: Von der Äolsharfe zum Digitalspieler: 2000 Jahre mechanische Musik, 100 Jahre Schallplatte. Verlag Klinkhardt & Biermann, 1984, S. 87.
  • Karlheinz Dettke: Kino- und Theaterorgeln: eine internationale Übersicht. Tectum Verlag, 2001, ISBN 3-8288-8265-X, S. 17, 135.
  • Michael Graber-Dünow: „Das gibt’s nur einmal“ – Kulturarbeit im Altenpflegeheim: Hintergründe, Konzepte, Beispiele. Verlag Schlütersche, 2010, ISBN 978-3-8426-8098-2, S. 52.
  • James B. Hartman: The Organ in Manitoba: A History of the Instruments, the Builders, and the Players. Univ. of Manitoba Press, 1997.
  • David A. Jasen, Gordon Gene Jones: That American Rag. The Story of Ragtime from Coast to Coast. Schirmer Books, 2000, ISBN 0-02-864743-2.
  • A. W. Owen: The Evolution of the Theatre Organ. In: Theatre Organ Review. Vol. V, No. 17, März 1951, S. 8–9.
  • Harvey N. Roehl: The Player Piano, a historical scrapbook. Century House, Watkins Glen, New York 1958.
  • Jack Edward Shay: Bygone Binghamton. Remembering People and Places of the Past. Vol 2, Verlag AuthorHouse, 2012, ISBN 978-1-4670-6505-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörbeispiele:

  • Maud Nelissen vom Nederlands Film Museum spielt auf einem Fotoplayer der American Photoplayer Company
  • Dick Zimmerman demonstriert die Möglichkeiten eines Fotoplayer Style 25 (Klavier, Orgelpfeifen, Effekte) (englisch)
  • Joe Rinaudo erklärt einen Fotoplayer Style 20 (das kleinste Modell mit nur einem Seitenschrank) (englisch)
  • Robert Israel begleitet einen Stummfilm mit Buster Keaton (My Wife’s Relations, 1925) auf dem American Fotoplayer, Style 20
  • Glenwood Vaudeville Revue Wurlitzer Motion Picture Theatre Orchestra (Photo Player) mit zwei Klaviaturen für Piano und Orgelpfeifen, Baujahr 1918
  • Wurlitzer Style O. Photoplayer mit side chests für Pfeifen- und Schlagwerk

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Daniella Thompson: “Bread and music were staples of West Berkeley block.” 3. März 2000
  2. Maria Fuchs: Stummfilmmusik: Theorie und Praxis im „Allgemeinen Handbuch der Film-Musik“ (1927). Schüren Verlag, 2018, ISBN 978-3-7410-0087-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. The American Fotoplayer. In: Silent Cinema Society. (silentcinemasociety.org).
  4. einzig das Phonoliszt Violina der Firma Hupfeld verwendete echte Violinen, die von mechanisch betätigten „Bogen“ gestrichen wurden, vgl. technischesmuseum.at und Bowers S. 436 f.
  5. picture effects, vgl. Hartman S. 115
  6. Jasen-Jones S. 75: “Chicago’s Photo Player Company introduced its Fotoplayer 50 model, which, besides music, could produce gongs, bird calls, wind, waves”
  7. vgl. die Erklärungen von Joe Rinaudo
  8. so z. B. bei den Fabrikaten von Seeburg, vgl. Bowers S. 616: “88-note-piano, 24 8-foot stopped diapason pipes, 61 flutes, 37 quintadena pipes”
  9. dual roll mechanism, vgl. Altman S. 325.
  10. vgl. Anzeige der Link Piano Co. Binghamton, N.Y. “Link your theatre to success” bei Bowers, S. 485 und der Firma J. P. Seeburg auf S. 616
  11. vgl. Bowers S. 616 “Play Your Complete Musical Program With One Finger”
  12. vgl. Complete Catalogue of Picturolls: Indexed as to Dramatic and Emotional Character. Länge 19 Seiten, Verlag: Sherman Clay & Co., San Francisco, November 1918 ; abgeb. bei theatreorgans.com, eine Picturoll (No. 288) abgeb. bei shaw.ca, weitere bei rinaudosreproductions.com
  13. vgl. alukhet.com (Memento des Originals vom 24. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/alukhet.com, z. B. Picturoll #794 Agitato No. 2 (Dramatic – Hurry, Struggles etc.)(Rapee-Akst), Picturoll #916 Galloping Furies (Cattle Stampede – Agitato - Dramatic) oder Picturoll #1094 Horse Radish, One Step (Hurry – Bright – Chase Comedy – General Popular) Ring-Hager (d. i. Fred Hager)
  14. vgl. dazu Altman, Kapitel 17 cue-sheets and photoplay music S. 345 ff.
  15. vgl. Altman S. 325.
  16. Eine Reklame aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (aus The Moving Picture World, October 19, 1918, S. 387) warb mit dem makabren Hinweis “performs patriotically by releasing musicians needed in war service”, abgeb. bei img.com
  17. vgl. Shay S. 529 “They were used in movie houses when the manager wanted something more than just a piano but couldn’t justify organs” und Altman S. 330.
  18. vgl. Altman, Kapitel “The motion picture orchestra” S. 300 ff.
  19. vgl. Gaylord Carter (im Interview mit Behlmer S. 37): Oh, the smaller theatres that couldn’t afford pipe organs had them. und Jörg J. Riehle: 100 Jahre Kinoorgel von Rudolf Wurlitzer (04.03.2011): „Lediglich 3 % aller Kinos hatten sich zur Stummfilmbegleitung eine Kinoorgel gekauft. Davon waren lediglich 6,8 % Instrumente der Wurlitzer Company. Deutsche Hersteller wie Walcker (43,2 %) oder Welte (19,2 %) konnten größere Marktanteile erobern, weil sie ihre Instrumente preisgünstiger anboten.“
  20. vgl. Bowers S. 352
  21. Bowers S. 481–487
  22. J. P. Seeburg Piano Company, Chicago bei Bowers S. 598–619, zum Seeburg Motion Picture Player vgl. S. 616 ff.
  23. die Rudolph Wurlitzer Co. New York-Cincinnati-Chicago nannte ihr Erzeugnis Motion Picture Theatre Orchestra, vgl. Bowers S. 661–702, bes. 697 ff.
  24. Hupfeld baute das Clavimonium, das ein Klavier und ein Harmonium in einem Gehäuse vereinigte, die unabhängig voneinander, aber auch zusammen wirken konnten, vgl. Photo bei Bowers S. 435, wo es heißt: a lever can be set in any of 3 positions: piano music only, piano and organ or organ only. und das Orchestrion „Kino-Pan“, das keine Klaviatur hatte und nur über Notenrollen spielbar war. Es konnte von der Vorführerkabine aus fernbedient werden und kostete 1925 ganze 3500 $, vgl. Bowers S. 455.
  25. J.D.Philipps bot 1912 „speziell für Kinematographen'“ das "Duplex-Piano" an, bei „welchem Klavier und Harmonium allein und zusammen spielbar“ waren. Außerdem verfügte das Instrument über einen doppelten Notenrollenmechanismus, durch den es „ohne Unterbrechung beliebig lange“ spielen konnte, vgl. Anzeige, abgeb. bei Bowers S. 569
  26. Das Unternehmen, das auch eine Überseefiliale in Poughkeepsie im Bundesstaat New York unterhielt, baute für Kinozwecke das Welte Theatre Piano mit Doppelrollenmechanismus zum pausenlosen Spiel, vgl. Bowers S. 636–637 und 654