Postvirales Syndrom

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Der Begriff Postvirales Syndrom umfasst eine Gruppe von schweren, meist chronischen Multisystemerkrankungen, welche in den meisten Fällen als Folge von akuten Viruserkrankungen wie z. B der echten Grippe, COVID-19 und dem Pfeifferschem Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus) entstehen.

Beispiele hierfür sind die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom und das Post-Covid-Syndrom.

Die genaue Ursache der Erkrankungen ist nicht abschließend geklärt, die Forschung dahingehend ist nicht zuletzt aufgrund vieler Post-COVID-Fälle sehr aktiv.

Auftreten / Epidemiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Krankheitshäufigkeit liegt je nach Studienlage bei 0,1–0,9 % der weltweiten Bevölkerung.

Die Zahl der Betroffenen in Deutschland wird auf ca. 300.000 Menschen geschätzt, davon ungefähr 7,5 % Kinder. Es wird eine hohe Dunkelziffer vermutet, Frauen sind statistisch häufiger betroffen als Männer.

Infolge der COVID-19-Pandemie sind die Fallzahlen steigend. Insgesamt ist die Prävalenz jedoch aufgrund der sich stetig verändernden Erkrankungen, Diagnosekriterien und Definitionen sehr schwer zu bestimmen. Zudem kommt es häufig zu Fehldiagnosen.

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erkrankungen gehen mit massiv reduzierter Lebensqualität und teils sogar mit eingeschränkter Alltagsfunktion einher. Betroffene Patienten können oft nur eingeschränkt Hobbys und sozialen Kontakten nachgehen oder alltägliche Aufgaben erfüllen. Vor allem betroffene Kinder leiden oft an einer erheblichen Belastungsintoleranz.

Hauptsymptome umfassen chronische Erschöpfungszustände (Fatigue), Schlafstörungen, emotionale Instabilität, Angst, depressive Symptomatik, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisdefizite, Ataxie, bis hin zu anhaltenden grippalen Symptomen, neuen Allergien, Kreislaufproblemen wie Palpitationen, Tachykardie, Schwindel, Hyper- oder Hypotonie, Reizdarmsyndrom, Gewichtszu- oder -abnahme sowie eine Belastungsintoleranz bzw. eine sogenannte postexertionelle Malaise, also eine Verschlechterung des Zustandes nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Dies kann tage- oder auch wochenlang anhalten und bedingt meist eine anhaltende Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Patienten.

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das postvirale Syndrom ist immer eine Ausschlussdiagnose, das heißt, dass alle anderen Ursachen der Symptomatik ausgeschlossen werden müssen, bevor die Diagnose gestellt wird.

Derzeit ist es labordiagnostisch noch nicht möglich, das postvirale Syndrom zu diagnostizieren, es gibt noch keine spezifischen Biomarker für die Erkrankung. Daher ist die klinische Diagnostik mit Anamnesefragebogen und ausführlichem Patientengespräch, auch hinsichtlich vorangegangener viraler Infekterkrankungen, essentieller Bestandteil der Diagnostik.

Die Heterogenität der Symptomatik erfordert eine Reihe zu beachtender Differenzialdiagnosen. Häufig bestehen bei der Erkrankung auch Komorbiditäten.

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis jetzt gibt es keine spezifische Therapie zur Behandlung des postviralen Syndroms.

Wichtig ist hierbei die Aufklärung über die Erkrankung und die damit einhergehenden Einschränkungen sowie unterstützende psycho-, ergo- und physiotherapeutische Behandlung.

Weiterer essenzieller Bestandteil der Therapie ist das sogenannte Pacing, bei dem mithilfe von Aktivitätsprotokollen und Fitnesstrackern der Alltag der Patienten hinsichtlich deren körperlichen Möglichkeiten bestmöglich geplant werden kann.

Ansonsten findet die Therapie vorwiegend symptomatisch statt, sowohl medikamentös als auch nicht-medikamentös. Die medikamentöse Behandlung findet hierbei jedoch immer als Off-Label-Use statt. Mehr körperliche Aktivität und Sport können die Symptomatik verschlimmern.

Spezifische Therapiemöglichkeiten mit bspw. Immunglobulinen, Apherese oder Chemotherapeutika werden aktuell umfassend erforscht.

Prognose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt bisher wenig bis keine Langzeitstudien zur Prognose der Erkrankung, häufig tritt jedoch eine Symptomlinderung nach einigen Jahren ein. Vermutet wird als Ursache hierfür ein besseres Management sowie ein differenzierter persönlicher Umgang mit der Erkrankung.

Bei psychiatrischen Komorbiditäten sowie bei ausgeprägter Symptomfokussierung ist die Prognose schlechter.

Eine vollständige Heilung ist jedoch selten.

Literaturverzeichnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lim, Son: Review of case definitions for myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome (ME/CFS). In: Journal of Translational Medicine. Band: 18, Nummer: 1, 2020, doi:10.1186/s12967-020-02455-0.
  • Kasper, Fauci: Harrisons Innere Medizin. ABW Wissenschaftsverlag 2016, ISBN 978-3-940-61550-3.
  • Kingdon et al.: Functional Status and Well-Being in People with Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome Compared with People with Multiple Sclerosis and Healthy Controls. In: PharmacoEconomics - Open. Band: 2, Nummer: 4, 2018, doi: 10.1007/s41669-018-0071-6.p.381-392.
  • Renz-Polster, Scheibenbogen: Post-COVID-Syndrom mit Fatigue und Belastungsintoleranz: Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom. In: Die Innere Medizin. Band: 63, Nummer: 8, 2022, doi: 10.1007/s00108-022-01369-x.p.830-839.
  • Santa Rasa et al.: Chronic viral infections in myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome (ME/CFS). In: Journal of Translational Medicine. Band: 16, Nummer: 1, 2018, doi:10.1186/s12967-018-1644-y.
  • Lim et al.: Systematic review and meta-analysis of the prevalence of chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (CFS/ME). In: Journal of Translational Medicine. Band: 18, Nummer: 1, 2020, doi:10.1186/s12967-020-02269-0