Präsidentenwahl in der Republik China (Taiwan) 2024

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Wahlsieger Lai Ching-te (DPP)

Die Präsidentenwahl in der Republik China (Taiwan) 2024 fand am 13. Januar 2024 statt. Am selben Tag erfolgte auch die Wahl des Legislativ-Yuans.[1]

Lai Ching-te, anglifiziert oft William Lai genannt, von der unabhängigkeitsaffinen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) gewann die Wahl mit 40 Prozent der Stimmen. Er wurde somit Nachfolger von Tsai Ing-wen von derselben Partei, unter der er die letzten vier Jahre als Vizepräsident diente und die die letzte Wahl noch mit rund 57 Prozent für sich entscheiden konnte. Tsai konnte diesmal nicht mehr antreten, da es eine Beschränkung auf zwei Amtszeiten gibt.

Dem Ausgang der beiden Wahlen wurde vor allem im Kontext der angespannten chinesisch-amerikanischen Beziehungen eine weit über die Region hinausreichende Bedeutung zugeschrieben.[2][3][4]

Ereignisse seit der letzten Wahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im August 2022 besuchte die Vorsitzende des US-ame­ri­ka­ni­schen Re­prä­sen­tan­ten­hau­ses Nancy Pelosi (links, mit Präsidentin Tsai) Taiwan. Die Volksrepublik China reagierte mit Manövern vor Taiwan.[5]

Die letzte Präsidentenwahl und Parlamentswahl fanden am 11. Januar 2020 statt. Beide Wahlen wurden von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) gewonnen, die die Mehrheit der Parlamentsmandate erhielt und deren Spitzenkandidatin Tsai Ing-wen im Präsidentenamt bestätigt wurde. Die Politik der anschließend amtierenden DPP-Regierungen unter den Premierministern Su Tseng-chang (bis 31. Januar 2023) und Chen Chien-jen (ab 31. Januar 2023) entsprach in den Grundlinien der der Vorgängerregierungen. Zentrales außenpolitisches Thema war die Behauptung der staatlichen de-facto-Unabhängigkeit Taiwans gegen eine wirtschaftlich und militärisch immer mächtiger werdende Volksrepublik China (→ Taiwan-Konflikt). Zu diesem Zweck bemühte sich die taiwanische Regierung um die Verstärkung von wirtschaftlichen und kulturellen Kontakten und Verbindungen mit anderen süd- und südostasiatischen Staaten im Rahmen der 2016 ausgerufenen „Neuen Politik der Südausrichtung“ (新南向政策, englisch New Southbound Policy).[6] Auf der anderen Seite setzte die Regierung der Volksrepublik China ihre Bemühungen um die weitere diplomatische Isolierung Taiwans in der Welt fort und erreichte mit einer Mischung aus wirtschaftlichen Lockangeboten und Diplomatie, dass wichtige langjährige Partner Taiwans diplomatische Beziehungen mit ihr aufnahmen und die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abbrachen (Nicaragua 2021,[7] Honduras 2023[8]). Außenpolitisch profitierte Taiwan von der Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China. Die taiwanische Regierung konnte wichtige Rüstungskäufe in den Vereinigten Staaten realisieren, die von früheren US-Regierungen auf Eis gelegt worden waren, um die amerikanisch-chinesischen Beziehungen nicht zu belasten. Dies schien auch angesichts des zunehmend asymmetrischer werdenden Kräfteverhältnisses an der Taiwanstraße dringend überfällig.

Der am 24. Februar 2022 begonnene russische Aggressionskrieg gegen die Ukraine wurde in Taiwan sehr aufmerksam verfolgt. Die Volksrepublik China unterstützte den Krieg zwar nicht direkt, blockierte aber diplomatische Aktionen zur Verurteilung Russlands als Aggressor beispielsweise im UN-Sicherheitsrat. Vielfach wurden Parallelen zwischen den russischen Ansprüchen gegenüber der Ukraine und den Ansprüchen der Volksrepublik China gegenüber Taiwan gezogen, und es wurde über die Möglichkeit einer chinesischen Invasion Taiwans spekuliert. Es ereigneten sich Hunderte von Verletzungen der von Taiwan beanspruchten Luftverteidigungszone durch die Luftwaffe der Volksrepublik China. Vom 2. bis 10. August 2022 und vom 8. bis 10. April 2023 hielt die chinesische Volksbefreiungsarmee kombinierte Luft- und Seemanöver um Taiwan herum ab.[9][10]

In Reaktion auf die militärische Bedrohungslage verlängerte die taiwanische Regierung den Wehrdienst von bisher vier auf zwölf Monate, steigerte die Militärausgaben und legte ein Trainingsprogramm für Reservisten auf.[11] US-Präsident Joe Biden erklärte mehrfach, dass die Vereinigten Staaten Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch unterstützen würden.[12][13]

Innenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das einschneidendste Ereignis während der Legislaturperiode war die weltweite COVID-19-Pandemie, die sich ab Jahresbeginn 2020 von China ausgehend ausbreitete. Taiwan befand sich in einer schwierigen Lage, da das Land aufgrund seiner Nicht-Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen keinen direkten Zugang zu den Ressourcen und Informationsquellen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte. Auf Betreiben der Volksrepublik China wurde Taiwan auch ein Beobachterstatus bei der WHO verwehrt. Trotzdem schaffte es Taiwan, die Pandemie im eigenen Land bemerkenswert gut unter Kontrolle zu halten, vor allem wohl aufgrund rigider Quarantänebestimmungen bei der Einreise.

Im Jahr 2017 waren die Möglichkeiten zur Initiierung von Volksabstimmungen deutlich erleichtert worden. In der Folgezeit gab es zahlreiche Referendumsinitiativen, von denen mehrere in den Jahren 2021 und 2022 von der Zentralen Wahlkommission zugelassen wurden. Die vier Referendumsfragen 2021 wurden von den Wählern alle ablehnend (wie es die DPP-Regierung empfohlen hatte) beantwortet. Beim Referendum 2022 ging es um eine Herabsetzung des Wahlalters von 20 auf 18 Jahre, eine Verfassungsänderung, die von allen im Legislativ-Yuan vertretenen Parteien befürwortet wurde. Eine knappe Mehrheit stimmte dafür, aber das Referendum erlangte wegen zu geringer Wahlbeteiligung keine Gültigkeit.

Wahltermine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 10. März 2023 gab die Zentrale Wahlkommission Taiwans den 13. Januar 2024 als Wahltermin bekannt. Die Kandidatenregistrierung wurde auf die Zeit zwischen 20. und 24. November 2023 festgelegt. Über die Zulassung der Kandidaten sollte die Wahlkommission bis zum 5. Dezember 2023 entscheiden und am 15. Dezember 2023 die Kandidatenliste verkünden.[1]

Kandidatennominierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Demokratische Fortschrittspartei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der in der Verfassung festgeschriebenen Amtszeitbegrenzung durfte Präsidentin Tsai nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren.[14] Am 12. April 2023 kürte die DPP als erste der großen Parteien ihren Spitzenkandidaten. Die Wahl fiel auf Lai Ching-te (William Lai), den amtierenden Vizepräsidenten. Lai hatte sich im Rahmen der parteiinternen Kandidatenauswahl etwa einen Monat zuvor beworben und war ohne Gegenkandidat geblieben. Seine Nominierung war in der DPP weitgehend unumstritten. Beobachter erwarteten von einem möglichen Präsidenten Lai, dass er im Wesentlichen die bisherige Politik von Präsidentin Tsai fortführen würde, konkret die Zurückweisung der Ansprüche der Volksrepublik China bei gleichzeitigem Verzicht auf eine offizielle einseitige Unabhängigkeitserklärung Taiwans.[15][16]

Taiwanische Volkspartei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ko Wen-je (TTP)

Am 17. Mai 2023 nominierte die Taiwanische Volkspartei (TPP) ihren Parteigründer und -vorsitzenden Ko Wen-je als Spitzenkandidaten. Es gab keinen parteiinternen Gegenkandidaten. Ko präsentierte sich als Kandidat, der am besten die Beziehungen Taiwans einerseits zur Volksrepublik China und andererseits zu den Vereinigten Staaten regeln könne.[17][18]

Kuomintang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hou Yu-ih (KMT)

Am 17. Mai 2023 gab die Führung der Kuomintang (KMT), der bislang größten Oppositionspartei, bekannt, dass ihr Kandidat der amtierende Bürgermeister von Neu-Taipeh Hou Yu-ih sein werde.[19] Sein parteiinterner Hauptkonkurrent war der Unternehmer und Milliardär Terry Gou, der Gründer des Elektronikkonzerns Foxconn, gewesen. Auch der Parteivorsitzende Eric Chu, der schon 2016 kandidiert hatte, hatte zeitweilig eine Kandidatur betrieben, im Frühjahr 2023 jedoch seinen Verzicht erklärt. Als Basis für die Auswahl Hous hatte eine öffentliche Meinungsumfrage in der Zeit vom 5. bis 14. Mai 2023 gedient, die durch die KMT in Auftrag gegeben wurde. Diese Meinungsumfrage ergab Zustimmungsraten für Hou von 25,43 %, für Ko (TPP) von 25,27 % und für Lai (DPP) von 30,4 %. Damit lag Hou nur knapp vor Ko und deutlich hinter Lai. Terry Gou erzielte in der Umfrage jedoch noch etwas schlechtere Ergebnisse gegen die beiden anderen Kandidaten. Außerdem wurden durch die KMT die zusammengeführten Ergebnisse von 13 Umfragen zwischen dem 18. April und 14. Mai 2023 veröffentlicht, in denen Hou ebenfalls etwas besser als Gou abgeschnitten, aber auch nur knapp vor Ko und deutlich hinter Lai gelegen hatte. Unter den KMT-Parteimitgliedern und -funktionären waren die Verhältnisse jedoch anders und eine deutliche Mehrheit befürwortete die Kandidatur Hous gegenüber der Gous.[20] Am 23. Juli 2023 wurde die Nominierung Hous vom KMT-Parteikongress bestätigt.[21] Der gekürte Kandidat Hou entsprach nicht dem traditionellen Parteiestablishment der KMT. Er war ein Benshengren, d. h. seine Vorfahren waren Han-Chinesen, die schon vor 1945 auf Taiwan ansässig waren (die KMT war als Partei auf dem chinesischen Festland gegründet worden und nach 1949 vor den Kommunisten auf die Insel Taiwan geflüchtet. Ihr Führungspersonal rekrutierte sich lange Zeit fast ausschließlich aus den Waishengren, emigrierten Festlandchinesen, oder deren Nachkommen), und er stand zeitweilig der DPP politisch nahe. Als ein Pluspunkt Hous wurde gesehen, dass er innerhalb der KMT moderate Positionen vertrat und sich bei kontroversen Themen zurückhielt. Hou sprach sich gegen eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Taiwans aus, lehnte aber auch das von der Volksrepublik China offerierte Modell „Ein Land, zwei Systeme“ und auch den sogenannten Konsens von 1992 ab, den der frühere (2008–2016) Präsident Ma Ying-jeou noch als Basis seiner Politik bezeichnet hatte.[20][22]

Andere Kandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Terry Gou (Unabhängiger)

Am 29. März 2023 erklärte der 84-jährige ehemalige Präsident des Kontroll-Yuans Wang Chien-shien seine Absicht, zu kandidieren. Er galt als chancenlos.[23] Am 11. September 2023 gab er das Ende seiner Kandidatur bekannt und begründete dies damit, dass er das pan-blaue Lager nicht spalten wolle.[24]

Am 29. August 2023 erklärte Terry Gou, der eine Zeitlang als Kuomintang-Kandidat im Gespräch gewesen war, seine Absicht, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Gou warf der amtierenden DPP-Regierung vor, Taiwan wirtschaftlich und politisch in eine kritische Lage gebracht zu haben. Er werde dagegen durch den Aufbau von Vertrauen die Lage beidseits der Taiwanstraße entspannen und „nicht zulassen, dass Taiwan zur nächsten Ukraine wird“. Kritiker warfen ihm vor, dass er aufgrund seiner ausgedehnten unternehmerischen Aktivitäten in der Volksrepublik China erpressbar sei, was er abstritt. Unternehmenssprecher von Foxconn erklärten, dass Gou schon seit Jahren nicht mehr in das Tagesgeschäft des Unternehmens involviert sei. Die KMT nannte die Ankündigung Gous „außerordentlich bedauerlich“, da dieser zuvor seine Unterstützung der Kandidatur Hous zugesagt habe, äußerte aber die Hoffnung, dass es sich Gou noch einmal anders überlegen und den KMT-Kandidaten unterstützen werde. Politische Analysten sahen durch die weitere Zersplitterung der Opposition die Wahlchancen des DPP-Kandidaten im Steigen.[25][26]

Am 14. September 2023 gab Gou bekannt, dass die Sängerin Lai Pei-hsia seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt sein werde.[27] Obwohl es Gou schaffte, die erforderliche Zahl von Unterstützerunterschriften einzusammeln, erklärte er kurz vor Ablauf der Registrierungsfrist am 25. November 2023 seinen Verzicht auf die Kandidatur. Gründe gab er dafür nicht an.[28][29]

Gescheiterte Kandidatenabsprache zwischen KMT und TPP[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angesichts der konstanten Führung des DPP-Kandidaten Lai in den Meinungsumfragen kam es am 15. November 2023, kurz vor dem Ablauf der Einreichungsfrist für die Präsidentschaftskandidatur bei der Wahlkommission, zu einer Absprache zwischen der KMT und der TPP über einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten. Beide Seiten vereinbarten, dass Meinungsumfragen aus dem Zeitraum vom 7. bis 17. November 2023 zur Grundlage genommen werden sollten, welcher der beiden Spitzenkandidaten, Ko oder Hou, der aussichtsreichere Präsidentschaftskandidat sein würde. Dieser sollte dann der gemeinsame Kandidat beider Parteien sein. Der in den Meinungsumfragen Zweitplatzierte sollte Kandidat für das Vizepräsidentenamt werden.[30] Am 17. November 2023 kam es allerdings zu Streitigkeiten zwischen beiden Partnern über die Auswertung der Meinungsumfragen, und am Folgetag verkündete Ko öffentlich die Auflösung des Wahlbündnisses. Er erklärte, weiter zu Verhandlungen bereit zu sein, beharrte aber darauf, dass er der Spitzenkandidat der TPP bleibe.[31][32] Letztlich kam es zu keiner Einigung und am letzten Tag der Registrierungsfrist, dem 25. November 2023 reichten Ko und Hou getrennt ihre Kandidaturen bei der Wahlkommission ein.

Nominierung der Vizepräsidentschaftskandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ko benannte bei der Einreichung seiner Kandidatur bei der Wahlkommission Wu Xinying (Cynthia Wu), eine TPP-Abgeordnete im Legislativ-Yuan als seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt und Hou nominierte Jaw Shaw-kong, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Broadcasting Corporation of China, als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten.[28] Wenige Tage zuvor hatte Lai am 20. November 2023 bekanntgegeben, dass Hsiao Bi-khim, die Leiterin des Taipei Wirtschafts- und Kulturbüros in den Vereinigten Staaten (das als Ersatz für eine Botschaft fungiert), seine Kandidatin für Vizepräsidentenamt sein werde.[33]

Meinungsumfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meinungsumfragen im Juni 2023 ließen vermuten, dass die kommende Wahl nicht wie bisher im Wesentlichen eine Wahl zwischen zwei großen Parteien, der DPP und der Kuomintang (KMT) sein, sondern dass als dritte Kraft die erst 2019 gegründete Taiwanische Volkspartei (TPP) hinzukommen würde. Die Zustimmungswerte für die drei Spitzenkandidaten lagen zwischen 20 und 40 Prozent.[34][35]

Zustimmungsraten zu den Präsidentschaftskandidaten (Wahl zwischen den drei Kandidaten Hou, Lai und Ko)

Wahlkampf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. Dezember 2023 begann der offizielle Wahlkampf. Die Wahlkampfphase erstreckte sich über 28 Tage bis zum 12. Januar 2024. Kampagnenaktivitäten waren täglich zwischen 7:00 und 22:00 Uhr gestattet. Ab dem 3. Januar 2024 war die Veröffentlichung öffentlicher Meinungsumfragen im Zusammenhang mit den Wahlen verboten.[36]

Themen des Wahlkampfes waren die niedrigen Gehälter insbesondere für Berufseinsteiger und ungelernte Arbeiter, die hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mieten, nicht ausreichende öffentliche Einrichtungen, beispielsweise beim öffentlichen Verkehr und im Bildungswesen sowie das als ungenügend empfundene System der sozialen Absicherung. In Meinungsumfragen benannten die Befragten als wichtigste Themen die wirtschaftliche Entwicklung, die Beziehungen zur Volksrepublik China, das Erziehungswesen und das Justizsystem. Die Wirtschaft war dabei das deutlich dominierende Thema, insbesondere auch unter jüngeren Wählern. Viele Angehörige der jüngeren Generation sind trotz Vollzeitarbeitsplatz nur mit Mühe in der Lage, ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten und eine adäquate Wohnung zu finanzieren. Insbesondere die TPP bemühte sich um das Wählerreservoir dieser unzufriedenen Jungwähler.[37] Der DPP-Kandidat Lai versprach in seinem Wahlmanifest, dem „Nationalen Projekt der Hoffnung“, eine Politik der Technologieförderung in allen Bereichen, sowie eine verbesserte Gesundheitsversorgung und mehr Chancengerechtigkeit für die jüngere Generation. Der KMT-Kandidat Hou kritisierte, dass die Tsai-Regierung ihre Wahlversprechen von 2016 nicht habe einlösen können und fokussierte sich ebenfalls auf sozio-ökonomische Reformen, die vor allem jüngen Personen, die eine Familie gründen wollten, zugutekommen sollten. Hou warnte auch vor den Ankündigungen Lais, in denen dieser sich als „politischen Arbeiter, der für die Unabhängigkeit Taiwans arbeite“ charakterisiert hatte. Eine solche Haltung könne eine direkte militärische Invasion der Volksrepublik Chinas provozieren. Deutliche Differenzen gab es auf dem Gebiet der Energiepolitik, insbesondere der Haltung zur Atomenergie. Während Lai und die DPP einen strikten Anti-Atomkraft-Kurs verfolgten und am schnellen Ausstieg aus der Kernenergie festhielten, sprach sich Hou für eine vorübergehende Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Lungmen aus, bis die erneuerbaren Energien in Taiwan genügend ausgebaut seien. Die KMT kritisierte auch die ihrer Ansicht nach intransparente Vergabe von Fördergeldern für erneuerbaren Energien durch die DPP-Regierung, die in einzelnen Fällen zu juristischen Verwicklungen wegen mutmaßlichem Subventionsbetrug geführt hatten.[38]

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Landesweite Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehrheiten nach Gemeinden und Stadtbezirken

Das Duo Lai/Hsiao gewann die Wahl deutlich vor den beiden anderen Kandidatenduos. Die Wahlbeteiligung betrug 71,9 %.

  • Wahlberechtigte: 19.548.531
  • Wähler: 14.048.310 (71,86 %)
  • Gültige Stimmen: 13.947.506
Stimmen und Prozentanteile der Kandidaten
Kandidaten (Präsident und Vize) Partei Stimmen Prozent
Lai Ching-te (賴清德),
Hsiao Bi-khim (蕭美琴)
DPP 5.586.019 40,05 %
Hou Yu-ih (侯友宜),
Jaw Shaw-kong (趙少康)
Kuomintang 4.671.021 33,49 %
Ko Wen-je (柯文哲),
Wu Xinying (吳欣盈)
Taiwanische Volkspartei 3.690.466 26,46 %
Gesamt 13.947.506 100,00 %
Quelle: Zentrale Wahlkommission

Ergebnisse nach Stadt- und Landkreisen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehrheiten nach Landkreisen und Städten

Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse nach Land- und Stadtkreisen.

Wahlbezirk Registrierte
Wähler
Ko • Wu Lai • Hsiao Hou • Jaw Ungültige Wahl-
beteiligung
Stimmen % Stimmen % Stimmen %
Stadt Taipeh 2.090.062 366.854 23,79 % 587.899 38,13 % 587.258 38,08 % 10.581 74,28 %
Stadt Neu-Taipeh 3.402.064 645.105 26,24 % 948.818 38,59 % 864.557 35,17 % 17.597 72,78 %
Keelung 312.207 58.195 26,60 % 76.079 34,77 % 84.507 38,63 % 1.578 70,57 %
Landkreis Yilan 379.026 70.171 26,27 % 119.517 44,74 % 77.441 28,99 % 1.925 70,99 %
Taoyuan 1.882.592 413.528 30,61 % 476.441 35,27 % 460.823 34,12 % 8.897 72,22 %
Landkreis Hsinchu 466.558 120.985 35,55 % 93.309 27,42 % 126.016 37,03 % 2.438 73,45 %
Stadt Hsinchu 359.465 91.384 34,30 % 92.679 34,79 % 82.326 30,90 % 1.738 74,59 %
Landkreis Miaoli 447.767 95.637 30,01 % 91.798 28,81 % 131.230 41,18 % 2.325 71,69 %
Stadt Taichung 2.328.896 513.025 30,05 % 641.622 37,58 % 552.556 32,37 % 12.714 73,85 %
Landkreis Changhua 1.032.636 214.714 28,96 % 282.514 38,11 % 244.140 32,93 % 6.389 72,41 %
Landkreis Nantou 407.149 74.854 26,05 % 103.279 35,95 % 109.163 38,00 % 2.218 71,11 %
Landkreis Yunlin 560.296 99.470 26,13 % 169.516 44,54 % 111.633 29,33 % 3.418 68,54 %
Landkreis Chiayi 423.199 67.382 23,03 % 139.510 47,69 % 85.642 29,28 % 2.464 69,71 %
Stadt Chiayi 217.549 39.950 25,34 % 68.199 43,26 % 49.507 31,40 % 939 72,90 %
Stadt Tainan 1.567.432 262.560 23,44 % 570.811 50,95 % 286.867 25,61 % 7.977 71,98 %
Stadt Kaohsiung 2.312.303 358.096 21,88 % 800.390 48,89 % 478.476 29,23 % 10.504 71,25 %
Landkreis Pingtung 681.631 103.028 21,65 % 226.110 47,51 % 146.789 30,84 % 3.452 70,33 %
Landkreis Taitung 178.728 25.590 23,28 % 30.131 27,41 % 54.220 49,32 % 895 62,01 %
Landkreis Hualien 267.824 43.047 24,72 % 43.157 24,78 % 87.953 50,50 % 1.861 65,72 %
Penghu 92.642 12.202 24,76 % 19.023 38,60 % 18.052 36,63 % 473 53,70 %
Kinmen 126.422 13.038 28,58 % 4.569 10,02 % 28.005 61,40 % 369 36,37 %
Matsu-Inseln 12.083 1.651 26,81 % 648 10,52 % 3.860 62,67 % 42 51,32 %

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Lai Yu-chen, Lee Hsin-Yin: 2024 presidential, legislative elections slated for Jan. 13: CEC. In: Focus Taiwan. 10. März 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  2. Cindy Wang, Samson Ellis: Why Taiwan’s 2024 Elections Matter From Beijing to Washington. In: The Washington Post. 5. Mai 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  3. Mark Leon Goldberg: The Geopolitical Implications of Taiwan’s Presidential Elections. In: UN Dispatch. 10. Juli 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  4. Adrian Chiu: Taiwan’s 2024 presidential election candidates: What will Hou or Lai’s election mean for tensions across the Taiwan Strait? 6. Juni 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  5. US-Demokratin: Pelosi verteidigt umstrittene Taiwan-Reise. In: ZDF. 11. August 2022, abgerufen am 29. Juli 2023.
  6. Lai Yu-chen, Lee Hsin-Yin: Cabinet launches plan to promote ‘New Southbound Policy’. In: Focus Taiwan. 5. September 2016, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  7. Instances of China’s Interference with Taiwan’s International Presence, 2021. Außenministerium Taiwans, 30. Dezember 2021, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  8. Instances of China’s Interference with Taiwan’s International Presence, 2023. Außenministerium Taiwans, 30. März 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  9. John Dotson: An Overview of Chinese Military Activity Near Taiwan in Early August 2022, Part 2: Aviation Activity, and Naval and Ground Force Exercises. In: Global Taiwan Institute. 7. September 2022, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  10. James Edgar, Matthew Walsh: China launches three days of military drills in Taiwan Strait. In: Hong Kong Free Press. 8. April 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  11. Amy Hawkins: ‘Ukrainian strategy has become a model’: Taiwanese beef up military to face China threat. In: The Guardian. 9. Juli 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  12. Elmar Theveßen: USA sichern Unterstützung zu : Bidens "Ja" an Taiwan - ein Signal an Peking. In: ZDF. 23. Mai 2022, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  13. Thomas J. Shattuck: Believe Biden When He Says America Will Defend Taiwan. In: Foreign Policy Research Institute. 22. Mai 2022, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  14. Alyssa Chen: As Taiwan gears up for 2024 presidential poll, who are the top candidates? In: The Japan Times. 6. Mai 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  15. Yu-Fen Lai: William Lai: Taiwans nächster Präsident? In: Friedrich-Naumann-Stiftung. 13. Juni 2023, abgerufen am 29. Juli 2023.
  16. Election 2024/VP Lai picked as DPP’s candidate for 2024 presidential election. In: Focus Taiwan. 12. April 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  17. Matthew Strong: Taiwan People’s Party nominates Ko Wen-je as presidential candidate. In: Taiwan News. 17. Mai 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  18. Sean Lin, Kuo Chien-shen: Election 2024/TPP formally nominates Ko as its presidential candidate. In: Focus Taiwan. 17. Mai 2012, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  19. KMT gibt Nominierung von Präsidentschaftskandidaten Hou, Yu-Ih bekannt. In: Radio Taiwan International. 17. Mai 2023, abgerufen am 29. Juli 2023.
  20. a b Russell Hsiao: Three Domestic Political Variables to Watch in Taiwan’s 2024 Presidential Election. In: Global Taiwan Institute. 31. Mai 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  21. Liu Kuan-ting, Matthew Mazzetta: Election 2024/Hou Yu-ih’s presidential nomination approved at KMT party congress. In: Focus Taiwan. 27. März 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  22. Brian Hioe: Taiwan’s 2024 Election Campaigns See Early Stumbles. In: The Diplomat. 2. Juni 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  23. Duncan DeAeth: Former Control Yuan chief announces bid for Taiwan presidency. In: Taiwan News. 29. März 2023, abgerufen am 8. August 2023 (englisch).
  24. 不願成千古罪人!王建煊宣布退選總統 直言兩岸統一沒票 („Ich will kein Sünder sein! Wang Chien-huan hat seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf angekündigt. Er äußerte, dass es derzeit keine Stimmen für die Wiedervereinigung über die Taiwanstraße hinweg gäbe“). In: rwnews.tw. 12. September 2023, abgerufen am 14. Januar 2024 (chinesisch (traditionell)).
  25. Terry Gou announces presidential bid. In: Taipei Times. 29. August 2023, abgerufen am 30. August 2023 (englisch).
  26. Terry Gou: The Taiwan iPhone billionaire who wants to be president. In: BBC News. 29. August 2023, abgerufen am 30. August 2023 (englisch).
  27. Independent candidate Terry Gou announces running mate. In: Taipei Times. 14. September 2023, abgerufen am 30. August 2023 (englisch).
  28. a b Hou, Ko to run separately, as Gou quits. In: Taipei Times. 25. November 2023, abgerufen am 25. November 2023 (englisch).
  29. Terry Gou zieht sich aus der Präsidentschaftswahl 2024 zurück. Radio Taiwan International, 24. November 2023, abgerufen am 17. Dezember 2023.
  30. Jennifer Creery, Betty Hou: Taiwan Opposition Parties Announce Alliance, Shaking Up January Election. In: Time. 15. November 2023, abgerufen am 21. November 2023 (englisch).
  31. Taiwan opposition’s doomed shotgun wedding. In: BBC News. 21. November 2023, abgerufen am 21. November 2023 (englisch).
  32. Editorial: TPP and KMT prove poor partners. In: Taipei Times. 19. November 2023, abgerufen am 21. November 2023 (englisch).
  33. Jesse Johnson: Taiwan presidential front-runner taps U.S. envoy as running mate. In: The Japan Times. 20. November 2023, abgerufen am 25. November 2023 (englisch).
  34. Editorial: A tale of three presidential polls. In: Taipei Times. 22. Juni 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  35. Orange Wang: 4-year-old Taiwan People’s Party poised to shake up 2024 presidential elections, poll suggests. In: South China Morning Post. 17. Juli 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  36. Offizieller Beginn der Wahlkampagnen am kommenden Samstag. In: Radio Taiwan International. 15. Dezember 2023, abgerufen am 17. Dezember 2023.
  37. Tessa Wong: Taiwan election: It’s not war young voters worry about—it’s jobs. In: BBC News. 12. Januar 2024, abgerufen am 12. Januar 2024 (englisch).
  38. Ching-hsin Yu: What are the key issues in Taiwan’s 2024 presidential election? Brookings Institution, 20. Dezember 2023, abgerufen am 26. Dezember 2023 (englisch).