Prekärotopia

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Prekärotopia (Originalschreibweise: PREKÄROTOPIA) ist ein prekäres Singspiel von Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner. Es handelt vom utopischen Versuch, gemeinsam zu verändern. Die Uraufführung fand am 30. März 2019 im Kunstbau des Münchner Lenbachhaus statt.[1]

Eine Installation aus Skulpturen, Musik und Videos diente als Kulisse für die Aufführungen. Diese Installation war als Ausstellung vom 31. März bis 22. April im Kunstbau des Münchner Lenbachhaus zu besichtigen. Die drei Künstlerinnen verbinden die verschiedenen Ebenen aus Skulptur, Film, Musik und Performance zu einem kollektiv entwickelten und produzierten Gesamtkunstwerk. Dabei dienen ihnen historische Vorbilder wie die Dreigroschenoper oder das Triadische Ballett als Inspiration.

Prekärotopia erhielt 2019 den Kunstpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.[2]

2020 wurde das Singspiel in veränderter Form im A.K.T; in Pforzheim erneut aufgeführt.[3] Die Ausstellung im Alfons-Kern-Turm wurde durch ein umfangreiches digitales Programm begleitet.[4]

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Handlung des Singspiels wird über die Texte der dreizehn Lieder erzählt.

Die drei Figuren Poupée, Speaker und Trickster leben in einem fiktiven System Prekärotopia, zu dem sie unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte einnehmen: Poupée lebt zufrieden an der naiv-bunten Oberfläche von Prekärotopia; Speaker kritisiert und revoltiert gegen die Scheinwelt und will das System verändern; Trickster ironisiert und kommentiert, bleibt aber dennoch dem System verhaftet. Angestachelt von Speakers Aktivismus zerstören die drei Protagonistinnen gemeinsam die vorhandenen Hierarchien und scheitern im Versuch etwas Anderes, etwas Neues zu schaffen und aktiv zu verändern. Die kollektive Euphorie des Aufbruchs und Neuanfangs endet in der Desillusionierung und Vereinzelung der Figuren.

Gestaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Figuren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Speaker (gespielt von Beate Engl) ist eine idealistische Aktivistin. Sie klagt couragiert die gesellschaftlichen Hierarchien an, wird aber im Verlauf des Stückes selbst von Geld und Macht absorbiert. Am Ende erstarrt sie zum Rednerpult.

Poupée (gespielt von Leonie Felle) glaubt an die Liebe und an ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes Handeln. Doch im Laufe der Geschichte erkennt sie die Widersprüchlichkeit des Systems und ihre vermeintliche Freiheit wird als naiver Selbstbetrug enttarnt.

Trickster (gespielt von Franka Kaßner) ist ein scharfsichtiger Freigeist und bissiger Spötter. Sie durchschaut zwar das System und erkennt dessen Ungerechtigkeiten, kann diese aber nur ironisieren, nicht lösen.

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das prekäre Singspiel haben die Künstlerinnen dreizehn Songs gemeinsam getextet und komponiert. Der Soundtrack wurde zusammen mit Musikern aufgenommen. Musik und Texte in deutscher und englischer Sprache bilden die Grundlage des Singspiels. Die Musik bewegt sich zwischen Punk und Synthiepop, Chanson-, Swing- und Jahrmarkt-Klängen. Durch diese musikalische Bandbreite werden die drei Charaktere der Figuren herausgearbeitet und ihre individuellen Eigenschaften und Emotionen unterstrichen.

Der Soundtrack ist auf Vinyl-LP in einer nummerierten Auflage von 500 Stück beim Münchner Label Gutfeeling Records erschienen.[5]

Playlist

  1. Welcome to Prekärotopia[6]
  2. Prekariat zum Diktat[7]
  3. Mad as hell[8]
  4. Wir schleifen die Kugel rund
  5. Hierarchieabbau
  6. Triumph
  7. Brückenkonstrukt[9]
  8. Kapitalismus-Triett
  9. Ich fühl mich heute so schwarz-weiß
  10. Out of order
  11. Warum habt ihr mich nicht gefragt
  12. Keiner für alle

Skulptur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beate Engl, Leonie Felle und Franka Kaßner entwickelten in enger Zusammenarbeit alle Skulpturen als Bühnen- und Ausstellungselemente. Im Zentrum steht die Treppen-Skulptur „Hierarchie“, die von den Protagonistinnen sowohl als performatives Instrument als auch als Bühne benutzt wird.

Die drei Charaktere besitzen jeweils eigene skulpturale Elemente als Attribute: Trickster fährt z. B. mit dem „Broiler“ auf die Bühne, einer fahrbaren Skulptur in Form eines überlebensgroßen Brathähnchens; Poupeé wird begleitet von „Poupées Disco“, einer farbigen Lichtinstallation; Speaker ergibt sich der „Hand des Kapitals“, einer Skulptur in Form eines riesigen ausfahrbaren Arms.

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den dreizehn Songs produzierten die Künstlerinnen Musikvideos gemeinsam mit einem Kamerateam.[10] Die Videos unterstreichen und intensivieren den visuellen Zugang zu den einzelnen Figuren. Sie dienen als Erweiterung der Handlung und zeigen die Figuren mit ihren skulpturalen Attributen in fiktiven Settings. Durch filmische Mittel wird eine emotionale Atmosphäre erzeugt, die einerseits die Figuren charakterisiert und andererseits imaginäre Räume schafft.[11]

  • Digital 35, 16:9
  • Gesamtlänge des Films: 41 min
  • Film: Andrian Campean, Hagen Keller, Felix Pflieger, Felix Press
  • Konzept und Schnitt: Beate Engl, Leonie Felle, Franka Kaßner

Performance[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte in dreizehn Szenen wird von den Künstlerinnen bei der Aufführung gesungen und gespielt. In selbst entworfenen Kostümen verkörpern sie ihre jeweiligen Figuren: Speaker gespielt von Beate Engl, Poupée gespielt von Leonie Felle, Trickster gespielt von Franka Kaßner. Die Interaktionen und Handlungen der Figuren illustrieren nicht die Handlung, sondern bleiben abstrakt und bildhaft.

Beispielsweise dekonstruieren die drei Performerinnen in der Szene „Hierarchieabbau“ die Treppenskulptur zum Rhythmus einer Schlagzeugimprovisation. Die akustische und skulpturale Choreographie wird begleitet vom Filmbild einer zerstörerischen Handlung.

In jeder Szene verschränken sich Performance und skulpturale Elemente auf unterschiedliche Weise mit den Ebenen von Film und Musik. Die Narration und die Konflikte der Figuren werden durch diese Multidimensionalität vertieft.

Preise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lenbachhaus – PREKÄROTOPIA. 20. Januar 2019, abgerufen am 20. Januar 2019.
  2. a b Bayerische Akademie der Schönen Künste: Öffentliche Jahressitzung 2019. Abgerufen am 29. Dezember 2022.
  3. In Trümmern liegt die Stadt. PZ-News, 16. Oktober 2020, abgerufen am 26. November 2020.
  4. PREKÄROTOPIA im A.K.T;. Abgerufen am 26. November 2020.
  5. gutfeeling records Label-Shop: Engl, Felle, Kaßner – Prekärotopia. Abgerufen am 26. Oktober 2019.
  6. Welcome to PREKÄROTOPIA – der 1. Song aus dem prekären Singspiel. In: Lenbachhaus. 9. April 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
  7. Prekariat zum Diktat – der 2. Song aus dem prekären Singspiel. In: Lenbachhaus. 17. April 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
  8. Mad as Hell – der 3. Song aus dem prekären Singspiel. In: Lenbachhaus. 22. April 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
  9. PREKÄROTOPIA – Brückenkonstrukt, 2019. Abgerufen am 26. Oktober 2019.
  10. PREKÄROTOPIA – Making off. Abgerufen am 26. Oktober 2019.
  11. Musikvideos auf Vimeo: PREKÄROTOPIA. Abgerufen am 26. Oktober 2019.