Pyruvatkinasemangel

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Klassifikation nach ICD-10
D55.2 Anämie durch Störungen glykolytischer Enzyme

Anämie (durch): – hämolytisch, nichtsphärozytär (hereditär), Typ II – Hexokinase-Mangel – Pyruvatkinase[PK]-Mangel – Triosephosphat-Isomerase-Mangel

ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Pyruvatkinasemangel (PK), genauer Pyruvatkinase-Mangel der Erythrozyten oder Hämolytische Anämie durch Mangel der erythrozytären Pyruvatkinase ist eine seltene angeborene Störung der Glykolyse mit dem Hauptmerkmal einer hämolytischen Anämie.[1]

Die Erkrankung gilt als die häufigste Ursache einer angeborenen, nicht-sphärozytären hämolytischen Anämie.[2]

Die Erstbeschreibung stammt aus dem Jahre 1961 durch die US-Amerikaner William N. Valentine und Mitarbeiter.[3]

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Prävalenz wird mit 3,2–8,5 pro einer Million in westlichen Ländern angegeben, die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv.[2] Bei den Amischen soll die Häufigkeit höher liegen.[4]

Ursache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Erkrankung liegen Mutationen im PKLR-Gen auf Chromosom 1 Genort q22 zugrunde, welches die Aktivität der Pyruvatkinase in den Erythrozyten stört mit vermindertem ATP- und erhöhten 2,3-Diphosphoglycerat (2,3-DPG)-Spiegel im Erythrozyten und wohl infolge Ausfilterung (selektiver Sequestrierung) der nicht regulären jungen Erythrozyten, besonders der Retikulozyten, in der Milz zu einer chronischen hämolytischen Anämie führt.

Die Pyruvat-Kinase ist wichtig zur Energiebereitstellung in den Erythrozyten, die für eine normal lange Lebensspanne der Erythrozyten notwendig ist. Da Erythrozyten keine Mitochondrien haben, muss die gesamte Energie bzw. ATP als Energieträger über Glykolyse gewonnen werden, die durch die Pyruvat-Kinase katalysiert wird. Bei einem Pyruvat-Kinase-Mangel kommt es zu einer Schwellung und vorzeitigen Zerstörung der Erythrozyten mit einer Hämolyse.

Bisher wurden mehr als 300 ursächliche PKLR-Mutationen beschrieben.[2][5][6]

Klinische Erscheinungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erkrankung ist klinisch heterogen mit einem sehr breiten klinischen Spektrum.[2][7]

Hauptsymptom ist die hämolytische Anämie. In schweren Fällen kommt es schon zu Manifestationen beim Neugeborenen mit schwerer Neugeborenengelbsucht und lebensbedrohlicher Anämie bei Geburt. In leichteren Fällen zeigt sich eine kompensierte Hämolyse ohne erkennbare Anämie.

Häufig finden sich auch ein chronischer Ikterus mit Gallensteine und Splenomegalie. Es kommen bei Kindern auch Gedeihstörungen, beim Erwachsenen Ulcus cruris, Osteoporose, thrombotische Komplikationen und eine Eisenüberladung mit Hämochromatose vor. Diese Symptome können unabhängig vom Schweregrad der Anämie und unabhängig von Transfusionen auftreten.

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Diagnose basiert auf Zeichen der Hämolyse, Messung der Enzymaktivität und wird durch Nachweis der PKLR-Genmutation gesichert.[8]

Differentialdiagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Pyruvatkinasemangel kann sekundär bei Leukämie, myelodysplastischen Syndromen und sideroblastischer Anämie auftreten.[2]

Abzugrenzen ist der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel.[8][9]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die symptomatische Behandlung erfolgt meist mit Bluttransfusionen, bei schweren Verläufen kann auch eine Splenektomie den Transfusionsbedarf vermindern. Für eine ursächliche Behandlung müsste eine Stammzelltransplantation erfolgen.[2]

In einer multizentrischen prospektiven randomisierten Placebo-kontrollierten Studie konnte Mitapivat den Hämoglobin-Wert bei 40 % der Patienten um mindestens 1,5 g/dl erhöhen, dies wurde unter Placebo bei niemandem beobachtet. Mitapivat ist ein oraler Pyruvat-Kinase-Aktivator in Erythrozyten und in den USA für die Behandlung der hämolytischen Anämie bei Erwachsenen mit Pyruvat-Kinase-Mangel zugelassen.[10]

Heilungsaussicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Prognose hängt unter anderem vom Schweregrad der Anämie ab.[2][11]

Bei Tieren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Pyruvatkinasemangel kommt auch bei Haushunden und Hauskatzen vor. Bei letzteren sind Abessinier- und Somali-Katzen häufiger betroffen, nach einer Studie aus England 36 % der Somalis. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt, weshalb es nur bei homozygoten Merkmalsträgern zu klinischen Erscheinungen kommt. Für die Diagnostik ist ein Gentest verfügbar.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • S. van Straaten, M. Bierings, P. Bianchi, K. Akiyoshi, H. Kanno, I. Badell Serra, J. Chen, X. Huang, E. van Beers, S. Ekwattanakit, T. Güngör, W. A. Kors, F. Smiers, R. Raymakers, L. Yanez, J. Sevilla, W. van Solinge, J. C. Segovia, R. Van Wijk: Worldwide study of hematopoietic allogeneic stem cell transplantation in pyruvate kinase deficiency. In: Haematologica. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] Dezember 2017, doi:10.3324/haematol.2017.177857, PMID 29242305.
  • R. Huisjes, W. W. van Solinge, M. D. Levin, R. van Wijk, J. A. Riedl: Digital microscopy as a screening tool for the diagnosis of hereditary hemolytic anemia. In: International journal of laboratory hematology. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] November 2017, doi:10.1111/ijlh.12758, PMID 29090523.
  • R. F. Grace, A. Zanella, E. J. Neufeld, D. H. Morton, S. Eber, H. Yaish, B. Glader: Erythrocyte pyruvate kinase deficiency: 2015 status report. In: American Journal of Hematology. Band 90, Nummer 9, September 2015, S. 825–830, doi:10.1002/ajh.24088, PMID 26087744, PMC 5053227 (freier Volltext) (Review).
  • A. Rüfer, W. A. Wuillemin: Die Milz bei nicht-malignen hämatologischen Erkrankungen. In: Therapeutische Umschau. Revue therapeutique. Bd. 70, Nr. 3, März 2013, S. 157–162, doi:10.1024/0040-5930/a000384, PMID 23454562 (Review).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zu Pyruvatkinase-Mangel im Flexikon, einem Wiki der Firma DocCheck
  2. a b c d e f g Hämolytische Anämie durch Mangel der erythrozytären Pyruvatkinase. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
  3. W. N. Valentine, K. R. Tanaka, S. Miwa: A specific erythrocyte glycolytic enzyme defect (pyruvate kinase) in three subjects with congenital non-spherocytic hemolytic anemia. In: Transactions of the Association of American Physicians. Bd. 74, 1961, S. 100–110, PMID 13924348.
  4. Medlineplus
  5. Pyruvate kinase deficiency. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  6. G. Canu, M. De Bonis, A. Minucci, E. Capoluongo: Red blood cell PK deficiency: An update of PK-LR gene mutation database. In: Blood cells, molecules & diseases. Bd. 57, März 2016, S. 100–109, doi:10.1016/j.bcmd.2015.12.009, PMID 26832193 (Review).
  7. emedicine.medscape
  8. a b Miamed
  9. I. I. Sedano, B. Röthlisberger, A. R. Huber: Hereditäre Enzymdefekte der Erythrozyten: Glukose-6-Phosphatdehydrogenase-Mangel und Pyruvatkinase-Mangel. In: Therapeutische Umschau. Revue therapeutique. Bd. 63, Nr. 1, Januar 2006, S. 47–56, doi:10.1024/0040-5930.63.1.47, PMID 16450734 (Review).
  10. Hanny Al-Samkari, Rachael F. Grace, Marta Morado-Arias, D. Mark Layton, Koichi Onodera, Madeleine Verhovsek, Wilma Barcellini, Satheesh Chonat, Malia P. Judge, Erin Zagadailov, Rengyi Xu, Peter Hawkins, Vanessa Beynon, M.D., Sarah Gheuens, Eduard J. van Beers: Mitapivat versus Placebo for Pyruvate Kinase Deficiency New England Journal of Medicine 2022, Band 386, Ausgabe 15 vom 14. April 2022, Seiten 1432–1442, DOI: 10.1056/NEJMoa2116634
  11. M. F. Zahid, A. P. Bains: Rapidly fatal Klebsiella pneumoniae sepsis in a patient with pyruvate kinase deficiency and asplenia. In: Blood. Bd. 130, Nr. 26, 12 2017, S. 2906, doi:10.1182/blood-2017-08-803841, PMID 29284613.
  12. Michael Streicher: Pyruvat-Kinase-Defizienz bei der Katze. In: Kleintiermedizin 11/12 2009, S. 345–347.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]