Radom Raisting

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Das Radom mit neuer Hülle, 2011

Das Radom Raisting ist eine denkmalgeschützte Satelliten-Bodenstation in Raisting am Ammersee. Der Bau wurde 1963/64 nach Plänen von Hans Maurer im Auftrag der Deutschen Bundespost errichtet.[1] Im Inneren einer 49 m durchmessenden strebenlosen Traglufthalle, die als Radarkuppel (Radom) dient, beherbergt die Anlage eine Parabolantenne mit 25 m Durchmesser. Sie diente als Teil der Erdfunkstelle Raisting bis 1985 dem interkontinentalen Funkverkehr (Telefon und Fernsehen) über Nachrichtensatelliten.

Bau und fernmeldetechnische Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Standort Raisting wurde gewählt, weil die Lage in Süddeutschland verhältnismäßig hohe Elevationswinkel für geostationäre Satelliten gewährleistet. Ferner werden durch die Hügel um den Standort etwaige Störsignale von der Anlage ferngehalten.[2]

Die Traglufthülle, die vom US-amerikanischen Unternehmen Birdair zugeliefert wurde, wurde am 10. Oktober 1963 aufgeblasen. Im Anschluss wurde im Inneren der Hülle die Antenne errichtet. Die erste Fernsehversuchssendung wurde am 9. Oktober 1964 durchgeführt; die erste reguläre Übertragung am 20. Januar 1965 anlässlich der Vereidigung des wiedergewählten US-amerikanischen Präsidenten Johnson. Der öffentliche Fernsprechbetrieb über den Satelliten Intelsat I wurde am 28. Juni 1965 eröffnet. Die erdgebundene Zuleitung bzw. Ableitung der Signale erfolgte dabei über eine Richtfunkstrecke zur Zugspitze.[2] Unter anderem wurden über die Antenne die erste Mondlandung und die Olympischen Sommerspiele 1972 in München übertragen.[3]

Ende des fernmeldetechnischen Betriebs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die aufkommenden technischen Alternativen (kleine Antennen bei höheren Frequenzen, faseroptische Unterseekabel) galt die Anlage schließlich als veraltet und wurde im Jahre 1985 stillgelegt. Außerdem verhinderte die bei Regen nasse Radomhülle die Trennung der Polarisationsrichtungen, wie sie bei neueren Satelliten angewandt wurde.[3] Der Besucherraum des Radomgebäudes blieb jedoch zunächst noch für Besucher geöffnet. Mitarbeiter der Erdfunkstelle setzten sich für den langfristigen Erhalt der Anlage als Denkmal ein und sicherten den Erhalt der technischen Ausstattung und Dokumentation. Daraus ging später der Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V. hervor.[4]

Im Jahre 2007 wurde die gemeinnützige Radom Raisting GmbH, die sich zu 100 Prozent im Eigentum des Landkreises Weilheim-Schongau befindet, neue Eigentümerin des Radoms.[5][6]

Das Radom als Denkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Radom als Teil der Erdfunkstelle Raisting
Erdfunkstelle Raisting mit Kirche – Panorama

Das Radom Raisting wurde 1999 in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen. Es handelt sich um ein technisches Denkmal. Seit 2009 ist es darüber hinaus ein Denkmal von nationaler Bedeutung.[7]

Seit 2009 arbeitet eine Gruppe von Studenten der Technischen Universität München an der Wiederinbetriebnahme der Antenne. Sie sollte ursprünglich in der ESMO-Mondmission der Europäischen Weltraumorganisation ESA im Jahre 2014 zu neuem Einsatz kommen.[8] Das ESMO-Projekt wurde jedoch von der ESA beendet.[9] Am 12. April 2011 ging die Anlage mit einer neuen, noch prototypischen Steuerung für die Antennenachsen und einem modifizierten Antennenfeed im Rahmen einer Messkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt wieder in Betrieb. Dabei wurden die Navigationssignale des wenige Wochen zuvor gestarteten Navigationssatelliten Glonass-K1 vermessen.[10]

Am 29. und 30. September 2010 begann die Sanierung des Radomgebäudes mit dem Austausch der Traglufthülle.[11] Dies wurde notwendig, da die alte Hülle altersbedingt keine ausreichende Standsicherheit mehr gewährleistete.[12] Im weiteren Verlauf wurden auch die Heizungsanlagen, die Stützluftgebläse für die Traglufthülle und die Flachdächer saniert.[13] Nach Abschluss der Sanierung sollte die Antenne im Radom wissenschaftlichen Projekten dienen; das Radom selbst sollte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und eine Ausstellung zum Radom konzipiert werden.[14]

Das sanierte Radom wurde am 6. Juli 2012 eröffnet. Dabei wurde von offizieller Seite die Idee formuliert, das Radom Raisting als Weltkulturerbestätte der UNESCO vorzuschlagen.[15] Der Besucherbetrieb im Radom, dessen Beginn für August 2012 angesetzt war[15][16][17], wurde vom Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V. wegen Unstimmigkeiten mit der Radom Raisting GmbH zunächst abgesagt.[18][19] Im weiteren Verlauf wurde jedoch die Durchführung eines Probe-Besucherbetriebs im Radom Raisting für Frühjahr 2013 vereinbart.[20]

Am 28. Februar 2020 riss ein Sturm die Hülle des Radom herunter; sie lag danach unten auf dem Sockel des Bauwerks.[21][22] Wasser drang in die Betriebsräume und zerstörte die Elektrik.[23] Am 17. Oktober 2021 wurde eine neue Hülle montiert.[24]

Besuchs- und Besichtigungsmöglichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anlage ist wie fast die gesamte Erdfunkstelle frei zugänglich. Im Außenbereich sind Informationstafeln zur Geschichte und Technik aufgestellt. Darüber hinaus kann das Radom Raisting in den Sommermonaten auch von innen besichtigt werden. Dazu werden Führungen angeboten.[25]

Technische Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige technische Daten:[26][27][28]

Spiegeldurchmesser: 25 m
Gewicht der Antenne: 280 t
Drehbereich Azimut: ± 380°
Drehbereich Elevation: −1° bis +125°
Gewinn bei 4170 MHz: 58 dBi, entsprechend einer Halbwertsbreite der Sende- und Empfangskeule von 0,2 Grad
Gewinn bei 6390 MHz: 61,5 dBi, entsprechend einer Halbwertsbreite der Sende- und Empfangskeule von 0,13 Grad
Drehgeschwindigkeit: max. 1,8 Grad/s
Einstellgenauigkeit: 0,02 Grad

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Leis: Industriedenkmal Radom in Raisting. In: Lech-Isar-Land 2008, S. 133 ff
  • Georg Leis: Neues zum Industriedenkmal Radom in Raisting. In: Lech-Isar-Land 2009/10, S. 311 f
  • Ewald Klingner: Weltraumtechnik in verträumter Landschaft. In: Lech-Isar-Land 1979, S. 153 ff

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Erdfunkstelle Raisting – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag in der Denkmalliste. Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  2. a b Robert Uhlitzsch: Anatomie einer Erdfunkstelle. Suhrkamp Wissen, Frankfurt am Main 1969.
  3. a b Michael Hascher: Erdfunkstelle Raisting. In: Historisches Lexikon Bayerns. Bayerische Staatsbibliothek, abgerufen am 24. Oktober 2011.
  4. Petra Straub: Verein als Grundstein fürs Raistinger Radom-Museum. Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  5. Die gemeinnützige Radom Raisting GmbH. Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  6. Radom-Besitzer freut sich über Schlüssel. In: Ammersee-Kurier. Ausgabe vom 18. Januar 2008.
  7. Das Radom in Raisting als technisches Denkmal. Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  8. Mit Hilfe aus Raisting zum Mond. In: Weilheimer Tagblatt. Ausgabe vom 16. Dezember 2009.
  9. ESA concludes student ESMO Moon orbiter project. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 3. Juni 2012.@1@2Vorlage:Toter Link/www.esa.int (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  10. German Space Agency Records Spectrum of New GLONASS L3 Signal. In: GPS World. Volume 22, Number 5, May 2011.
  11. Radom ließ Hülle fallen. In: Münchner Merkur. Ausgabe vom 30. September 2010.
  12. Der Tragluftkuppel geht die Puste aus. In: Münchner Merkur. Ausgabe vom 7. September 2009.
  13. Radom Raisting GmbH: Zwischenbericht zur Sanierung des Radom Raisting. (PDF; 116 kB) Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  14. Radom Raisting GmbH: Nutzungskonzept für das Radom Raisting. Abgerufen am 24. Oktober 2011.
  15. a b Das Radom, eine „Kathedrale der Moderne“. In: Münchner Merkur (Onlineausgabe). 6. Juli 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Dezember 2017; abgerufen am 10. Juli 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.merkur-online.de
  16. Radom-Verein für Probebetrieb. In: Ammersee-Kurier. Ausgabe vom 16. März 2012.
  17. Samstags und sonntags geöffnet. In: Münchner Merkur (Onlineausgabe). 19. April 2012, abgerufen am 21. April 2012.
  18. Besichtigungsmöglichkeiten. Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V., 4. September 2012, abgerufen am 7. September 2012.
  19. Sabine Bader: Das Radom bleibt zu. Süddeutsche Zeitung (Onlineausgabe), 2. September 2012, abgerufen am 2. September 2012.
  20. Besichtigungsmöglichkeiten. Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V., abgerufen am 19. Dezember 2012.
  21. Orkan-Böen: Zugausfälle, umgewehte Bäume und herumfliegende Dixi-Klos. Augsburger Allgemeine, 28. Februar 2020.
  22. Radomhülle in Raisting zerstört. Kreisbote Weilheim-Schongau, 28. Februar 2020.
  23. Nachrichten: Sturmschaden am Radom in Raisting, In: Monumente, Ausgabe 2/2020, S. 35
  24. Das Radom in Raisting heute. Fotogalerie. Abgerufen am 20. Juni 2022 (siehe Bildunterschriften).
  25. Informationen zur Besichtigung auf der Seite des Trägervereins
  26. Das Raistinger Radom – Tor zum Weltraum. In: Tagungsband Amateurfunktagung München. Deutscher Amateur-Radio-Club, 2010.
  27. Clemens Marcuse DF4YM: Raistinger Radom vor Abriss gerettet. In: Deutscher Amateur-Radio-Club (Hrsg.): CQ DL Das Amateurfunkmagazin. Nr. 4-2010. DARC Verlag GmbH, April 2010, ISSN 0178-269X, ZDB-ID 124446-2, S. 239.
  28. Förderverein Industriedenkmal Radom Raisting e.V.: Antenne 1 - Radom. Abgerufen am 14. Mai 2023.

Koordinaten: 47° 54′ 7,9″ N, 11° 6′ 56,9″ O