Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz ist ein autobiografisches Sachbuch von Jörg und Miriam Kachelmann. Es erschien am 8. Oktober 2012 im Heyne Verlag und wurde am 12. Oktober 2012 auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert.[1] Das Buch wurde in einer Erstauflage von 50.000 Exemplaren gedruckt, wovon 40.000 Bücher sofort in den Handel gelangten.[2]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem Buch stellen die Eheleute die Hintergründe zum Gerichtsverfahren gegen Jörg Kachelmann von der Verhaftung auf dem Frankfurter Flughafen, seine Zeit in der Justizvollzugsanstalt Mannheim bis zum Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung aus ihrer Sicht dar und gehen auf die Rolle von Polizei, Staatsanwaltschaft und Medien ein. Sie kritisieren unter anderem die Praxis deutscher Untersuchungshaft. Die hygienischen Zustände seien mangelhaft, die Häftlinge „nach wenigen Tagen gebrochen“, eine öffentliche Diskussion über ihre Haftbedingungen und deren Veränderung sei notwendig.[3]

Das als Hardcover erschienene Buch umfasst 383 Seiten und gliedert sich in sieben von Vorwort und Nachwort (Was wird) umschlossene Teile mit insgesamt 41 Kapiteln. Fünf Kapitel und damit der siebte Teil (Was sich ändern muss) sind von Miriam Kachelmann, der Rest des Buches von ihrem Ehemann verfasst. Der Anhang umfasst die auch in der ersten Auflage teilweise geschwärzte Kopie einer Dienstaufsichtsbeschwerde, die 2010 von Reinhard Birkenstock gegen vier verschiedene Staatsanwälte gestellt wurde, einen zweiseitigen Text von Ralf Höcker über die presserechtliche Seite des Prozesses gegen Jörg Kachelmann, und eine Auflistung von insgesamt 91 einstweiligen Verfügungen, die im Auftrag Kachelmanns gegen verschiedene Medien und Personen ergingen, nachdem diese beispielsweise Auszüge aus der Ermittlungsakte, Fotos von Paparazzi, intime Details oder Falschbehauptungen veröffentlicht hatten.[4]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marianne Quoirin bemängelte in ihrer Rezension in der Frankfurter Rundschau, dass „Wut und Hass“ „das Buch von Jörg Kachelmann über seinen Prozess“ bestimmten.[5]
  • Hannelore Crolly schrieb in der Tageszeitung Die Welt über das Buch: „Kachelmann hat sich die Wut von der Seele geschrieben und sie mit teils deftigen Thesen garniert.“[6]
  • Auch Jochen Neumeyer äußerte sich in der Sächsischen Zeitung ähnlich: „Jörg Kachelmann schreibt mit viel Wut im Bauch über seine Zeit im Gefängnis und über den Prozess.“ Er meint allerdings auch: „Doch es gibt nicht nur Polemik – sondern auch Tipps für das Überleben im Knastalltag.“[7]
  • Sophie Albers schrieb bei Stern.de, Jörg Kachelmann verallgemeinere seine persönlichen Erfahrungen und schreibe ihnen „universelle Gültigkeit und Moral“ zu. Das „wie eine Rachefibel klingende“ Buch könne damit Schaden anrichten, weil es im Gegensatz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit stehe.[8]
  • Susanne Klaiber befragte für Focus Online einige Experten und Organisationen zu den Behauptungen des Buches. Veit Schiemann, Sprecher des Weißen Rings, verteidigte seine in Kachelmanns Buch als „Schutzorganisation krimineller Falschbeschuldigerinnen“ bezeichnete Organisation. Der Weiße Ring schule seine Mitarbeiter, um nach Möglichkeit falsche Beschuldigungen zu erkennen, aber es gebe auch „unheimlich gute Schauspieler und unheimlich schlüssige Geschichten“. Er gehe allerdings davon aus, dass die Staatsanwaltschaft erst Anklage erhebe, wenn sie aller Voraussicht nach auch das nötige Beweismaterial für ein Urteil habe. Der Kriminologe Rudolf Egg wandte sich ebenfalls gegen die Behauptung einer Häufung von Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigung. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KNF), nannte die Thesen über massenhafte Falschbeschuldigungen „Unsinn“. Er warnte davor, eigene Erfahrungen zu generalisieren und nannte Jörg Kachelmanns Haltung „exzessives Selbstmitleid“.[9]
  • Thomas Knellwolf, Autor des Buches Die Akte Kachelmann – Anatomie eines Skandals,[10] hob im Tages-Anzeiger ebenfalls auf das Selbstmitleid in Jörg Kachelmanns Ausführungen ab. Sie seien „nur geeignet, Verschwörungstheoretiker wie die Pro-Kachelmann-Kampfblogger zu bekehren.“[11]
  • Auch Alex Baur kritisierte in der Weltwoche die persönliche und polarisierende Haltung, aus der heraus Recht und Gerechtigkeit geschrieben sei. Jörg Kachelmann habe in seinem „Drang nach Vergeltung“ sein Ziel aus den Augen verloren, Missstände bei der Verfolgung von Sexualdelikten aufzudecken. Eine nüchterne Debatte über Falschanschuldigungen sei dagegen überfällig. Das Thema werde „in der Praxis ausgeblendet und tabuisiert.“[12]

Verkaufserfolg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Schweizer Bestsellerliste Sachbuch von Media Control belegte es zehn Tage nach Erscheinen Platz 3,[13] in der entsprechenden Liste für Deutschland vom 4. bis 17. Oktober 2012 den zweiten Platz in der Rubrik „Sachbuch Hardcover“.[14] In der Spiegel-Bestsellerliste Sachbücher erreichte es in der Woche 43/2012 Platz 2.[15]

Kontroverse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kurz nach Erscheinen des Buchs erwirkte die ehemalige Freundin von Jörg Kachelmann und Nebenklägerin Claudia D. am 10. Oktober 2012 per einstweiliger Verfügung, dass der Verlag das Buch vorläufig nicht weiter verbreiten darf, solange darin ihr voller Name genannt wird. Die bereits im Handel befindlichen 40.000 Exemplare[16] waren davon nicht betroffen.[17] Das Landgericht Mannheim begründete seine Entscheidung unter anderem damit, die von den Autoren beabsichtigte Aufarbeitung des „umstrittenen Geschehens“ erhalte durch eine Nennung des vollen Namens kein stärkeres Gewicht. Claudia D. habe zwar schon in der Öffentlichkeit gestanden, dies sei aber anonymisiert geschehen, oder so, dass sie nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar gewesen sei.[18]

Der Heyne Verlag entschied sich für die Produktion einer korrigierten Auflage[19] und wies am 11. Oktober 2012 per Presseerklärung darauf hin, man habe sich „nach reiflicher Abwägung und sorgfältiger rechtlicher Überprüfung bewusst für die volle Namensnennung entschieden“. Claudia D. habe durch ein Interview, das sie nach Prozessende der Zeitschrift Bunte gab und für das sie sich unverpixelt fotografieren ließ, „ihr Recht auf Anonymität preisgegeben“. Auch das Landgericht Mannheim habe den vollen Namen in einer Pressemitteilung vom 31. Mai 2011 genannt. Sie sei eine „relative Person der Zeitgeschichte“.[20] Miriam Kachelmann rechtfertigte die Nennung des Namens ebenfalls damit, dass die Betreffende der Illustrierten Bunte ein Interview mit einer Fotostrecke gegeben habe und eine Namensnennung bereits in der Zeitschrift Emma erfolgt sei.[3]

Vor der Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse waren Stellen im Buch geschwärzt worden.[16]

Am 26. Oktober 2012 hob das Landgericht Mannheim die einstweilige Verfügung wieder auf. Jörg Kachelmann dürfe seine frühere Freundin auch im vorliegenden Buch mit vollem Namen nennen und als „Falschbeschuldigerin“, nicht hingegen als „Kriminelle“ bezeichnen.[21]

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jörg und Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz München: Heyne 2012. ISBN 978-3-453-20025-8. (Leseprobe E-Book)
  • Jörg und Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz (Hörbuch, Audio-CD, gekürzt). München: Random House 2012. ISBN 978-3-8371-1795-0

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kachelmann präsentiert Buch trotz Gerichtsbeschluss. In: Focus vom 12. Oktober 2012.
  2. Was im Kachelmann-Buch geschwärzt wurde (Memento vom 16. Oktober 2012 im Internet Archive)
  3. a b Spiegel-Gespräch mit Jörg und Miriam Kachelmann, in: Der Spiegel 41/2012, S. 138
  4. Jörg und Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz 1. Auflage, Heyne 2012, S. 5 f., 351 ff.
  5. Marianne Quoirin: Rachegelüste und tiefe Narben bei Frankfurter Rundschau
  6. Hannelore Crolly: Jörg Kachelmann schreibt sich die Wut von der Seele bei Welt Online
  7. Jochen Neumeyer:Kachelmanns Buch: Milchreis und Gerechtigkeit (Memento vom 25. März 2018 im Internet Archive) in: Sächsische Zeitung vom 11. Oktober 2011
  8. Stern.de am 8. Oktober 2012: Kachelmanns falsche Wahl der Waffen. Abgerufen am 15. Oktober 2012.
  9. Focus online am 10. Oktober 2012: Kriminologe wirft Kachelmann Selbstmitleid vor. Abgerufen am 14. Oktober 2012.
  10. Thomas Knellwolf: Die Akte Kachelmann – Anatomie eines Skandals. Orell Füssli, Zürich 2011, ISBN 978-3-280-05443-7. (Leseprobe E-Book)
  11. Thomas Knellwolf: Tages-Anzeiger am 11. Oktober 2012: Die Kritiken des Tages. Jörg Kachelmann erzählt Märchen. Abgerufen am 5. November 2012.
  12. Alex Baur: Die Rache des Wetterfroschs, in: Die Weltwoche Nr. 42/2012, S. 16 f.
  13. Bestsellerliste Sachbuch Schweiz, abgerufen am 18. Oktober 2012
  14. Media Control: Bestseller Sachbuch - Hardcover, Zeitraum: 04.10.2012 – 17.10.2012
  15. Der Spiegel 43/2012, S. 131
  16. a b Welt online am 12. Oktober 2012: Kachelmann: "In mir und uns wohnen weder Wut noch Hass". Abgerufen am 12. Oktober 2012.
  17. Frankfurter Rundschau online am 11. Oktober 2012: Heyne Verlag verteidigt Kachelmann-Buch. Archiviert vom Original am 5. Dezember 2013; abgerufen am 12. Oktober 2012.
  18. Landgericht Mannheim am 11. Oktober 2012: Pressemitteilung im Verfahren Claudia D. ./. Verlagsgruppe Random House GmbH Abrufdatum: 21. Oktober 2012
  19. Welt Online am 17. Oktober 2012: Kachelmanns Abrechnungs-Buch auf Platz zwei der Bestseller-Liste
  20. hr-online.de (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt
  21. Spiegel Online am 26. Oktober 2012: Kachelmann darf Namen seiner Ex-Geliebten wieder nennen. Abgerufen am 26. Oktober 2012.