Refugio Bremen

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Refugio Bremen e. V. ist ein psychosoziales und psychotherapeutisches Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer. Der gemeinnützige und mildtätige Verein versteht sich als neutral und unparteilich bezüglich religiöser und politischer Fragestellungen und fühlt sich den Inhalten der UN-Konvention gegen Folter sowie der UN-Menschenrechtserklärung verpflichtet. Refugio bietet ambulante und unentgeltliche Beratung und psychotherapeutische Behandlung für Geflüchtete und Folterüberlebende unterstützt von Sprachmittelnden.[1]

Gründungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Jahren 1987/88 kam es zu ersten Treffen von Aktiven aus der Flüchtlingssozialarbeit, Professionellen aus dem Gesundheitswesen mit politischem und / oder multikulturellem Hintergrund und Behördenmitarbeitenden mit ehrenamtlichem Engagement. Aus diesen Treffen resultierte eine „Initiative für ein psychosoziales Zentrum“. Am 3. Oktober 1989 kam es schließlich zur Gründung des Vereins „Initiative für ein psychosoziales Zentrum für ausländische Flüchtlinge und Folteropfer Bremen“. Der Name Refugio wurde zusätzlich mit in die Bezeichnung des Vereins aufgenommen. Eingetragen wurde der Verein im Vereinsregister Bremen (VR 4617) als „Refugio – psychosoziales Zentrum für ausländische Flüchtlinge e.V.“

Im Jahr 1991 beriet und behandelte das Zentrum bereits 121 Ratsuchende vor allem aus dem Iran, der Türkei und dem Libanon. 1997 war Refugio Gründungsmitglied der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.).

Seit 2002 hat Refugio Bremen e. V. seinen Sitz in der Parkstraße 2–4 und verzeichnet einen stetigen Anwachs Ratsuchender (160–290) und festangestellter sowie ehrenamtlicher Mitarbeiter und Honorarkräfte. Seit 2017 befindet sich Refugio Bremen Außer der Schleifmühle 53. In Bremerhaven hat Refugio eine Anlaufstelle seit 2017 in der Kurfürstenstr. 4.

Jubiläum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2014 feiert Refugio Bremen e. V. sein 25-jähriges Bestehen mit einer Reihe von Veranstaltungen.[2] Bei einem Festakt im Bremer Rathaus würdigte Anja Stahmann, die Bremer Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, die Arbeit des Vereins und unterstrich die Bedeutung der Hilfen weit über die Landesgrenzen hinaus. Auch Bürgermeister Jens Böhrnsen bedankte sich für das außerordentliche Engagement des Vereins und seiner Mitarbeiter.[3]

Auch das 30-jährige Jubiläum 2019 wurde entsprechend gewürdigt und mit einer Veranstaltungsreihe begleitet.[4]

Ziele und Arbeitsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Refugio Bremen e. V. richtet sich an Geflüchtete und Folterüberlebende, welche durch ihren Aufenthaltsstatus oder mangelnde Sprachmittlung keinen Zugang zu anderen therapeutischen Beratungs- oder Behandlungsangeboten haben. Refugio bietet unter anderem Einzelpersonen, Kindern sowie Jugendlichen und Familien:

  • Psychosoziale Beratung, Diagnostische Abklärung, Orientierungsgespräche und Weitervermittlung an zuständige Stellen (soziale Hilfen, Rechtsberatung etc.)
  • Psychotherapie, Körper-/Bewegungs-, Kunst- und Musiktherapie
  • Niedrigschwellige Gruppenangebote (Gesprächsgruppe, Bewegungsgruppe, Fußball- und Tanzgruppe für Jugendliche etc.)
  • Bereitstellung von Dolmetschern zur Kommunikation in der Muttersprache der Klienten
  • Fortbildungen und Supervisionsangebote für Dolmetscher (auch Externe), Multiplikatoren und psychotherapeutische Fachleute
  • Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zum Themenspektrum Flüchtlinge, Trauma, Folter.

Angelehnt an die individuelle Bedürfnislage der Ratsuchenden, welche Refugio Bremen e. V. betreut, liegt der Fokus der Angebote auf der Hilfe zur Selbsthilfe der Klienten. Krisen und Extrembelastungen sollen gemildert, individuelle Ressourcen gestärkt werden.

Das Erarbeiten eines inneren Gleichgewichts steht im Mittelpunkt der Therapie und Beratung. Den Klienten soll somit das Gefühl und die Fähigkeit vermittelt werden, innerhalb der Möglichkeiten des restriktiven deutschen Ausländer- und Asylrechts, ihren Lebensweg selbstbestimmt gehen zu können.

Refugio legt einen großen Wert auf Gruppenarbeit, da Teilnehmende in einer Gruppe wichtiger Solidaritätserfahrungen machen und so eventuell wieder in eine menschliche Gemeinschaft geführt werden können. Soziale Fähigkeiten werden gestärkt und gegebenenfalls auch ein soziales Netzwerk gebildet.

Ein besonderer Schwerpunkt ist auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.[5] Unter anderem werden seit 2012 über das Projekt Therapy and Advocacy der World Childhood Foundation unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch Refugio Bremen betreut.[6]

Neben den professionellen Hilfsangeboten vermittelt Refugio Bremen auch Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer.[7]

Dokumentarfilm „Wieder leben lernen“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Zusammenarbeit mit der bremischen Filmemacherin Beate Neuhaus wurde im Jahr 2006 ein 45-minütiger Dokumentarfilm über die Arbeit von Refugio realisiert welcher Einblicke in die traumatherapeutische Arbeit ermöglicht.[8] Der Film versucht die individuellen Geschichten nachzuzeichnen, die als beispielhaft für die Schicksale und Alltagserfahrungen vieler Geflüchteter in Deutschland und Westeuropa betrachtet werden können. „Wieder leben lernen“ kann bei Refugio für Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit angefordert werden.[9]

Kooperationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Besonders enge Kooperationen bestehen im Netzwerk der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) bezüglich fachlichem Austausch, Verwaltung, statistischer Datenerhebung und Evaluation.

Darüber hinaus kooperiert Refugio mit sozialen Hilfen, Rechtsberatungen, Beratungsstellen für Geflüchtete, Menschenrechtsorganisationen, Aktion Mensch, Institutionen des Bremer Gesundheitssystems, niedergelassenen Fachärzten und Psychotherapeuten sowie ehrenamtlichen Therapeuten.

Professionelle Netzwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Refugio ist Mitglied im „Paritätischen“ und in der Bundesgemeinschaft der Psychosozialen Zentren Deutschlands (BAfF). Eine weitere Vernetzung besteht mit lokalen und regionalen psychosozialen und Flüchtlingskreisen.

Fortbildungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Refugio bietet regelmäßig Fortbildungen für Psychotherapeuten, Mitarbeitende der sozialen Arbeit und Multiplikatoren im Gesundheitswesen sowie Dolmetschende an, u. a. zum Thema Psychotraumatologie und Traumatherapie bei traumatisierten Geflüchteten und Folterüberlebenden an.[10] Diese Fortbildungen sind von großer Bedeutung, da auch Fachpersonal oft Berührungsängste mit Flüchtlingen hat und sich die Behandlung nicht ohne Weiteres zutraut.[11]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Refugio tritt auch als Herausgeber von Schriften und anderen Medien auf, die sich mit der Flüchtlingsthematik befassen. Es erschienen unter anderem:

  • Henriette Hermühlen, Marc Millies: Die Rolle von psychosozialer Beratung und Psychotherapie für die Teilhabe von Geflüchteten in der Aufnahmegesellschaft. Refugio Bremen, Bremen 2021.
  • Beate Neuhaus: Wieder leben lernen. Refugio Bremen, Bremen 2006 (Film zu Forschungs- und Lehrzwecken).
  • Refugio Bremen (Hrsg.): Mit Leib und Seele. Lebensbedingungen und Behandlung traumatisierter Flüchtlinge. Bremen 2000 (Fachtagungsband, 12.–14. Oktober 2000).
  • Refugio Bremen (Hrsg.): „Nie hat man es hinter sich.“ Folter, Flucht, Massaker: Überlebensgeschichten von Flüchtlingen. Bremen 1999.

Förderer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Refugio wird maßgeblich von Spenden finanziert und von verschiedenen Initiativen, Stiftungen, Fonds, kirchlichen Verbunden und dem Bremer Senat unterstützt. Eine spezielle Refugio-Stiftung besteht ebenfalls.[12]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Arbeit hat Refugio Bremen bereits eine Vielzahl an Auszeichnungen, Preisen und Nominierungen bekommen.

Organisation Preis Jahr Auszeichnung
Sparkasse Bremen gemeinsam gut, Ausgezeichnetes Projekt 2019
Town & Country Stiftung Stiftungspreis 2019
Phineo Wirksamkeitssiegel 2016
Stiftung Bündnis für Kinder Bündnis für Kinder Preis 2012, 2013 2. Platz
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Deutscher Engagementpreis 2013 Nominierung
Deutschland – Land der Ideen 2008 Ausgewählter Ort
Kroschke Stiftung für Kinder Kroschke Preis 2008
Bremer Rat für Integration Bremer Förderpreis für Integration 2007 3. Platz

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sabine Offe: Traum und Asyl. Anerkennung in der Praxis von Refugio Bremen. In: Claudia Cryszoll, Inge Marszolek, Peter Pohl (Hrsg.): Zwischen Normativität und Normalität. Theorie und Praxis der Anerkennung in interdisziplinärer Perspektive. Essen 2010, S. 137–154.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. refugio-bremen.de
  2. Alexandru Pisculescu: Trauma, Flucht und Träume – 25 Jahre Refugio Bremen. fan-television, 14. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Juli 2014; abgerufen am 3. Juli 2014.
  3. 25 Jahre Engagement für Flüchtlinge: Empfang im Rathaus für Refugio Bremen. Die Senatorin Für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, 13. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. März 2016; abgerufen am 3. Juli 2014.
  4. 30 Jahre Refugio in Bremen | Seelische Wunden von Flüchtlingen heilen helfen Weser Kurier vom 16. September 2019
  5. EIB: Eine Zitterpartie für Flüchtlinge. In: taz. 22. Mai 2013, abgerufen am 2. Juli 2014.
  6. Christina Mänz: Projekt Therapy and Advocacy – eine erste Bilanz. World Childhood Foundation, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Juli 2014; abgerufen am 2. Juli 2014.
  7. Zeit schenken: So helfen Sie Flüchtlingsfamilien. Brigitte, abgerufen am 2. Juli 2014.
  8. Sandy Bradtke: Menschen können Folter nicht vergessen. Weser-Kurier, 11. Oktober 2014, abgerufen am 16. Juli 2014.
  9. Refugio Presse. Refugio Bremen, abgerufen am 16. Juli 2014.
  10. Refugio Fortbildungen. Refugio Bremen, abgerufen am 16. Juli 2014.
  11. Betreuung der Flüchtlinge schwierig – „Viele sind psychisch schwer belastet“. Radio Bremen, 4. September 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Juli 2014; abgerufen am 3. Juli 2014.
  12. 25 Jahre Refugio Bremen. Der Paritätische, 20. Juni 2014, abgerufen am 2. Juli 2014.