Rettungsdienstrecht

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Rettungsdienstrecht oder auch Recht im Rettungsdienst bezeichnet das Rechtsgebiet, das sich mit Gesetzen, Verordnungen und anderen rechtlichen Fragen des Rettungsdienstes beschäftigt. Es stellt ein sehr weit gefächertes Rechtsgebiet dar, das sich sowohl mit der Zulassung zur Betätigung im Rettungsdienst beschäftigt als auch mit Rechtsfragen der Beteiligten untereinander.

Rechtsgrundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Besonderheit dieses speziellen Rechtsgebiets sind die zahlreichen Verästelungen zwischen Landesrecht, Bundesrecht und Europarecht. So ist der Rettungsdienst aufgrund des Föderalismusprinzips im deutschen Grundgesetz Ländersache und wird daher durch die jeweiligen Landesgesetze in den Bundesländern geregelt. Entsprechendes gilt für die Länder Österreichs und der Schweiz; auch dort regeln Landesrettungsdienstgesetze bzw. die Schweizer Kantone den Rettungsdienst. Demgegenüber besitzt der Bundesgesetzgeber eigene Kompetenz beispielsweise zur Regelung der Ausbildung der Notfallsanitäter oder des Straßenverkehrsrechts.

Rechtsgrundlagen in den Bundesländern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Bundesländern gibt es jeweils einzelne Vorschriften für die Arbeit des Rettungsdienstes:

Bundesland Gesetz Verordnung
Baden-Württemberg Gesetz über den Rettungsdienst keine Verordnung
Bayern Bayerisches Rettungsdienstgesetz Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes
Berlin Gesetz über den Rettungsdienst für das Land Berlin Verordnung über den Notarztdienst
Brandenburg Gesetz über den Rettungsdienst im Land Brandenburg Verordnung über den Landesrettungsdienstplan
Bremen Gesetz über den Rettungsdienst im Lande Bremen keine Verordnung
Hamburg Hamburgisches Rettungsdienstgesetz keine Verordnung
Hessen Hessisches Rettungsdienstgesetz Verordnung zur Durchführung des Hessischen Rettungsdienstgesetzes
Mecklenburg-Vorpommern Rettungsdienstgesetz Mecklenburg-Vorpommern Verordnung über die Rettungsdienstplanung und weitere Ausführung des Rettungsdienstgesetzes Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz Verordnung über die Bemessung des Bedarfs an Einrichtungen des Rettungsdienstes
Nordrhein-Westfalen Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer Verordnung über die Zuständigkeit für die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport mit Luftfahrzeugen durch Unternehmen
Rheinland-Pfalz Landesgesetz über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport keine Verordnung
Saarland Saarländisches Rettungsdienstgesetz keine Verordnung
Sachsen Sächsisches Rettungsdienstgesetz Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung
Sachsen-Anhalt Rettungsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt keine Verordnung
Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz Landesverordnung zur Durchführung des Schleswig-Holsteinischen Rettungsdienstgesetzes
Thüringen Thüringer Rettungsdienstgesetz keine Verordnung

[1][2][3][4][5][6][7][8][9][10][11][12][13][14][15][16][17][18][19][20][21][22][23][24][25]

Berufsqualifizierende Vorschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausbildung der Notfallsanitäter nach dem Notfallsanitätergesetz (NotSanG)[26] und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV)[27] sowie die der bisherigen Rettungsassistenten nach dem Rettungsassistentengesetz (RettAssG) unterliegt im Wesentlichen bundesrechtlichen Vorgaben aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Zulassung zu Heilberufen nach Artikel 74 Abs, 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG). Demgegenüber ist die Weiterbildung zum Notarzt und die Ausbildung der Rettungssanitäter landesrechtlichen Satzungen und Verordnungen unterworfen.

Gleich drei Rechtsgebiete – namentlich das Arbeitsrecht, Haftungsrecht und Strafrecht – beschäftigen sich in regelmäßigen Abständen mit den Möglichkeiten der Delegation ärztlicher Leistungen auf das Rettungsdienstpersonal und deren eigener Kompetenz zu Auswahl und Durchführung medizinischer Maßnahmen.

Vorschriften zur Durchführung des Rettungsdienstes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rettungsdienstrecht umfasst ferner die öffentlich-rechtlichen Regelungen in den jeweiligen Landesrettungsdienstgesetzen zur Teilnahme am Rettungsdienst als staatliche Aufgabe durch hoheitliche Träger, durch beauftragte Unternehmen und Organisationen. Sie regeln sowohl die bodengebundene Notfallrettung, Luftrettung und den Krankentransport, teilweise auch Sonderformen wie beispielsweise First Responder (Helfer vor Ort) und Intensivtransport. Daneben gestatten einige Landesrettungsdienstgesetze die Zulassung durch Genehmigungen außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes, meist jedoch beschränkt auf Krankentransporte.

Teilnahme am öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Teilnahme am öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst ist die Ausgestaltung der Auswahl- bzw. Vergabeverfahren jedenfalls in Ausprägungen europarechtlichen Vorgaben unterworfen; Sie ist selbst nach den EU-Richtlinien 2014/24/EU (Vergaberichtlinie) und 2014/23/EU (Konzessionsrichtlinie) sowie der Novellierung des Vergaberechts im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht nur hinsichtlich der so genannten Bereichsausnahmen noch immer höchst umstritten.[28][29][30] Nicht wenige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)[31][32][33][34][35] beschäftigten sich mit der Vergabe von Leistungen des Rettungsdienstes und wirkten so auf andere Rechtsgebiete weiter. Verfassungsrechtlich hatten sich die Verfassungsgerichte[36][37] sowohl mit der Einbindung privater Organisationen als auch mit der Kommunalisierung der Rettungsdienste zu beschäftigen. Arbeitsrechtlich gestalteten sich die Rechtsfragen des Betriebsübergangs bei einem Wechsel der Durchführenden des Rettungsdienstes als weitreichend.

Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Standortwahl und der Finanzierung des Rettungsdienstes sind in der Regel verwaltungsrechtlicher Natur und je nach Ausgestaltung des Landesrettungsdienstgesetzes vor den Verwaltungsgerichten zu entscheiden.

Leistungen außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch hinsichtlich der Genehmigung von Leistungserbringern außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes finden sich Öffnungsklauseln in den jeweiligen Landesrettungsdienstgesetzen. Meist ist diesen eine Bedarfs- oder Verträglichkeitsprüfung in Hinsicht auf die Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes vorgeschaltet.

Nationale und internationale Patiententransporte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwierigkeiten durch die verschiedenen Landesrettungsdienstgesetze ergeben sich vor allem bei länderübergreifenden Transporten, sowohl innerdeutsch als auch bei Transporten ins und aus dem Ausland. Ob für einen Transport von einem Ausgangsort oder zu einem Zielort im jeweiligen Bundesland eine Genehmigung benötigt wird, bestimmt das jeweilige Landesrecht.

Vorschriften zu BOS und Datenübermittlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicht nur im Bereich der Rettungsleitstellen tauchen regelmäßig telekommunikationsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen auf, beispielsweise bei der Kommunikation der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) einschließlich der Teilnahme am Behördenfunk (auch BOS-Funk). So kann das Abhören des Behördenfunks strafrechtliche Konsequenzen nach den §§ 201, 206 Strafgesetzbuch (StGB) haben. Aber auch die Standortübermittlung der Fahrzeuge, die Übermittlung von Patientendaten, einschließlich der Telemetrie sowie der landesweiten Speicherung von Patientendaten ruft immer wieder das Datenschutzrecht auf den Plan; einschlägig sind hier die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der Landesdatenschutzgesetze.

Neu sind datenschutzrechtliche Fragen im Rahmen der telemedizinischen Versorgung.

Regelungen zur Vergütung im Rettungsdienst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sozialversicherungsrecht beschäftigen sich die Juristen sowohl mit der Abrechnung der Patientenbeförderung durch Krankenfahrten, Krankentransporte und Notfalltransporte in den §§ 60, 133 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V), aber auch mit der Vergütung der Notärzte, soweit diese nach dem SGB V zu vergüten sind. Daneben kommen sowohl privatrechtliche Streitigkeiten der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bei Privatpatienten, aber auch verwaltungsrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich der von den Rettungsdienstträgern erhobenen Rettungsdienstgebühren in Betracht. Die Ausgestaltung ist auch hier mehr als nur durch landesrechtliche Nuancen geprägt.

Verkehrsrechtliche Vorgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Rettungsdienstrecht tangiert klassisch auch die Bereiche des Straßenverkehrsrechts und des Zulassungsrechts. Fragen ergeben sich hier hinsichtlich der Inanspruchnahme von Sonderrechten, Wegerechten und Hoheitsrechten nach den §§ 35, 38 Straßenverkehrsordnung (StVO), der Ladungssicherung nach § 22 StVO, aber auch hinsichtlich der Ausstattung der Fahrzeuge mit verschiedenfarbigen Lichtern, insbesondere blauen Kennleuchten und Sondersignalanlagen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung. Abgrenzend finden sich immer wieder Bezüge zum Personenbeförderungsrecht.

Im Bereich der Luftrettung finden ergänzend luftfahrtrechtliche Vorschriften Anwendung.

Rettungsdienstrecht als Forschungs- und Tätigkeitsfeld[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem Arbeitsgemeinschaft RettungsdienstRecht e.V. bekennen sich einige Juristen mit medizinischer Doppelqualifikation als Arzt, Rettungsassistent oder Rettungssanitäter zu diesem speziellen Rechtsgebiet.[38]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gesetz über den Rettungsdienst Baden-Württemberg – abgerufen am 17. Juni 2019
  2. Bayerisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  3. Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes – abgerufen am 17. Juni 2019
  4. Gesetz über den Rettungsdienst für das Land Berlin – abgerufen am 17. Juni 2019
  5. Verordnung über den Notarztdienst für Berlin – abgerufen am 17. Juni 2019
  6. Gesetz über den Rettungsdienst im Land Brandenburg – abgerufen am 17. Juni 2019
  7. Verordnung über den Landesrettungsdienstplan (Brandenburg) – abgerufen am 17. Juni 2019
  8. Gesetz über den Rettungsdienst im Lande Bremen – abgerufen am 17. Juni 2019
  9. Volltext der Hamburgisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  10. Hessisches RettungsdienstgesetzPDF-Datei, abgerufen am 17. Juni 2019
  11. Verordnung zur Durchführung des Hessischen RettungsdienstgesetzesPDF-Datei, abgerufen am 17. Juni 2019
  12. Rettungsdienstgesetz Mecklenburg-Vorpommern – abgerufen am 17. Juni 2019
  13. Verordnung über die Rettungsdienstplanung und weitere Ausführung des Rettungsdienstgesetzes Mecklenburg-Vorpommern – abgerufen am 17. Juni 2019
  14. Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  15. Verordnung über die Bemessung des Bedarfs an Einrichtungen des Rettungsdienstes (Niedersachsen) – abgerufen am 17. Juni 2019
  16. Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (Nordrhein-Westfalen) – abgerufen am 17. Juni 2019
  17. Verordnung über die Zuständigkeit für die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport mit Luftfahrzeugen durch Unternehmen (Nordrhein-Westfalen) – abgerufen am 17. Juni 2019
  18. Landesgesetz über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport (Rheinland-Pfalz) – abgerufen am 17. Juni 2019
  19. Saarländisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  20. Sächsisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  21. Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung – abgerufen am 17. Juni 2019
  22. Rettungsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – abgerufen am 17. Juni 2019
  23. Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  24. Landesverordnung zur Durchführung des Schleswig-Holsteinischen Rettungsdienstgesetzes – abgerufen am 17. Juni 2019
  25. Thüringer Rettungsdienstgesetz – abgerufen am 17. Juni 2019
  26. Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348)
  27. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV) vom 16. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4280)
  28. Bereichsausnahme für den Rettungsdienst im neuen Vergaberecht. 9. Juli 2015, abgerufen am 20. Mai 2016.
  29. Clemens Antweiler: Konsequenzen der Vergaberichtlinie und Konzessionsrichtlinie auf die Vergabe von Rettungsdienstleistungen in Deutschland. (PDF) 12. Mai 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Mai 2016; abgerufen am 20. Mai 2016.
  30. Freshfields Bruckhaus Deringer LLP: Vergabe von Rettungsdienstleistungen nach den neuen EU-Vergaberichtlinien. (PDF) Abgerufen am 20. Mai 2016.
  31. EuGH, 5. Oktober 2004 – C-397/01
  32. EuGH, 29. April 2010 - C-160/08
  33. EuGH, 10. März 2011 - C-274/09
  34. EuGH, 11. Dezember 2014 - C-113/13
  35. EuGH, 10. Dezember 1998 - C-173/96
  36. BVerfG, 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07
  37. VerfGH Bayern, 24. Mai 2012 - 1-VII-10
  38. Arbeitsgemeinschaft RettungsdienstRecht e.V.