Rodauner Theater Sommer

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Der Rodauner Theater Sommer ist ein seit 2019 alljährlich im September stattfindendes Theaterfestival. Spielstätte der Open-Air-Veranstaltung ist der Rodauner Kirchenplatz im Bezirksteil Rodaun des 23. Wiener Gemeindebezirks Liesing. Bei Schlechtwetter finden die Aufführungen im Kulturzentrum Perchtoldsdorf statt.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bühne des „Rodauner Theater Sommers“ vor der Kulisse der Rodauner Bergkirche.

Besonderes Merkmal ist die programmatische Bezugnahme auf Hugo von Hofmannsthal, der in direkter Nachbarschaft zur Spielstätte seinen Wohnsitz im sogenannten „Hofmannsthal-Schlössl“ hatte. Darüber hinaus kommen klassische sowie zeitgenössische Stücke zur Aufführung. Matineen und Konzerte runden das Programm des „Rodauner Theater Sommers“ ab. Die Vorstellungen werden von einem lokalen Getränke- und Speiseangebot und Livemusik gerahmt.

Der Spielplan umfasste jährlich mindestens eine Neuinszenierungen und eine Wiederaufnahme eines bereits in Rodaun entwickelten und inszenierten Stückes. Zumindest eines der beiden Stücke hat dabei einen direkten Bezug zu Hugo von Hofmannsthal. Die Intendanz des „Rodauner Theater Sommers“ hat mit der Gründung des Festivals Marcus Marschalek übernommen[1].

Von Anfang an arbeitet der „Rodauner Theater Sommer“ mit Theaterkomponist Ulrich Dallinger[2] zusammen und entwickelt für die Produktionen ein jeweils eigenes angepasstes Musik- und Soundkonzept.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der „Rodauner Theater Sommer“ wurde auf Initiative von Marcus Marschalek vom „Kulturverein Rodaun Aktiv“ 2019 ins Leben gerufen.[3] Als erstes Programm war die Premiere von Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ in der Neuinszenierung „frauJEDERmann“ für den Sept. 2020 geplant. Wegen der COVID-Pandemie mussten die Aufführungen jedoch auf 2021 verschoben werden.[4] Um ausfallsicher zu bleiben, wurde die Produktion komplett doppelt besetzt. Das Schauspielteam umfasste daher 50 Personen.[2]

2022 stand die Wiederaufnahme der „frauJEDERmann“ Produktion und die Neuinszenierung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ auf dem Programm.

Im Sept. 2023 ging die Neuinszenierung von Hugo von Hofmannsthals „Rosenkavalier“ und die Wiederaufnahme des „Sommernachtstraums“ über die Bühne.

Im Sept. 2024 soll der 150. Geburtstag Hugo von Hofmannsthals mit einer Neuinszenierung des „Schwierigen“ gewürdigt werden. Die Handlung wird dabei in einen kleinen Wanderzirkus in der Gegenwart verlegt.

Spielstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rodauner Kirchenplatz mit der Bergkirche Rodaun

Der Rodauner Kirchenplatz und seine angrenzenden Gärten können als „Geburtsstätte“ vieler Hofmannsthaltexte angesehen werden. Im Schatten der Bergkirche Rodaun steht noch immer das Gartensalettl, in dem Hofmannsthal (1901 bis 1929) an seinen Texten gearbeitet hat.[5] Mit dem Bau der Rodauner Bergkirche (1739 bis 1745), wurde der Rodauner Kirchenplatz künstlich zu einem Plateau aufgeschüttet. Für die Aufführungen werden temporär Bühne und Sitzreihen für rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauern errichtet. Die den Platz dominierende Rodauner Bergkirche, die dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht ist, wird dabei in vielen Inszenierungen als Kulisse eingebunden und dient als Taktgeberin mit ihrem viertelstündigen Glockenschlag.[6] Zur Zeit Hofmannsthals, war Rodaun ein Wiener Vorort und beliebtes Ausflugsziel der Wiener Gesellschaft. In unmittelbarer Nachbarschaft zum „Hofmannsthal-Schlössl“ (heute Ketzergasse 471) und dem Kirchenplatz befand sich auch das Gasthaus Stelzer, ein Lokal mit Hotelbetrieb und zugehörigen Thermalbad. Im Volksmund wurde die Gaststätte auch „Wirtshaus von Österreich“ betitelt. Heute gehört Rodaun zum 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing. Vom Rodauner Kirchenplatz sieht man über das Liesingtal zum gegenüberliegenden Hügel mit dem Kalksburger Friedhof. Dort befindet sich die Grabstätte der Familie Hofmannsthal.

Inszenierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

frauJEDERmann 2019–2022[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stephanie Amsüss als Dünne Cousine und Johanna Hoblik als Frau Jedermann

Die Inszenierung verwendet den ungekürzten Jedermann-Originaltext von Hugo von Hofmannsthal. Der oft als reicher Prasser dargestellte Jedermann ist bei frauJEDERmann eine Frau: die erfolgreiche und geschäftige Frau Jedermann.[7] Die Rolle wird von drei Schauspielerinnen gespielt. Die Rodauner Inszenierung hat dem Jedermann eine Ouvertüre vorangestellt. Gleich zu Beginn wird eine Frau mitten aus einer Partystimmung gerissen und bricht zusammen. Das zentrale Thema des Jedermann lautet: Mitten aus dem Leben geholt zu werden, ohne Vorwarnung. Auch Frau Jedermann bleibt keine Zeit mehr Dinge zu richten oder Beziehungen zu reparieren. Falsches kann nicht mehr richtig gemacht werden.[8] Frau Jedermann hadert mit dem Tod, bittet um Zeit, um doch noch alles in Ordnung zu bringen. Doch sie bekommt keine Chance. Es bleibt am Ende alleine Zeit für eine Vergebungsbitte, die aber erhört wird. Bei frauJEDERmann wird der Spielansager zum Postboten, der sich später in der Rolle des mächtigen Todes wiederfindet und von Macht verführen lässt. Erst im Dialog mit Frau Jedermann erkennt der Tod seine Bestimmung. Die Guten Werke symbolisieren das Innere des Menschen. Ein Ort, zu dem Frau Jedermann wenig Zugang hat und dem sie sich erst im Angesicht des Todes nähert.[9] Den Text von Gott übernehmen die Armen und Schwachen und in ihren Händen stirbt Frau Jedermann schließlich versöhnt. Ohne Gegenleistung wurde ihre Verzeihungsbitte angenommen.[6] Der alttestamentliche Grundsatz „Auge um Auge“ scheint in dem christlichen Mysterienspiel überwunden.

Sommernachtstraum 2022–2023[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christina Kohlross als Puck im Sommernachtstraum

Zwei Athener Liebespaare werden in der Mittsommernacht verzaubert, sodass plötzlich jeder einen anderen liebt. William Shakespeare verwebt dabei Traum und Wirklichkeit und spricht Bewusstsein und Unterbewusstsein an. Die Rodauner Inszenierung von 2022 stützt sich auf die Übersetzung von Frank Günther. Regie: Katharina Hauer. Die Inszenierung ist eine Koproduktion des Kulturvereins Rodaun Aktiv und des Artefaktum Kulturverein.[10] Eine Wiederaufnahme der Produktion gab es im September 2023.[11]

Rosenkavalier 2023[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgehend vom Originaltext Hofmannsthals wurde die Bühne zu einem Filmstudio, in dem eine Filmproduktionsfirma einen Rosenkavalier-Film produziert. Dabei entpuppt sich, dass die Personen der Filmproduktionsfirma den Charakteren des Rosenkavaliers, etwa der Marschallin oder dem Baron, der Sophie oder dem Octavian ähnlicher sind, als sie denken oder ihnen lieb zu sein scheint. In einem Kontinuum durch die Zeit, der Originaltext spielt vor 250 Jahren, geht es um Machtmissbrauch und Liebe, um sexuelle Übergriffigkeit und Selbstermächtigung. Zur Sprache kamen auch Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, als Figuren auf der Bühne[12]. Sie zitieren aus ihren Briefen in der Entstehungszeit des Werkes und kommentieren das Libretto und die Oper. Regie: Marcus Marschalek, Bettina Schimak.[3]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rosenkavalier 2023[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Den Rosenkavalier ohne Richard Strauss' Musik, lediglich als Sprechstück auf eine Bühne zu bringen. Marcus Marschalek hat es gewagt und setzt damit seine Unternehmung, Hugo von Hofmannsthal, dem Genius loci dieses Wiener Außenbezirks, ein jährliches Festival auf dem Kirchenplatz zu widmen, beachtlich fort.“[13]

„In zwei Ebenen spiegeln sich Operngestalten und reale Personen wider. Eine Filmproduktion soll den Rosenkavalier, unterlegt mit einigen wenigen Takten aus der Musik von Richard Strauss (bearbeitet von Ulrich Dallinger), in die Kinos bringen; starring Johanna Hoblik (Marschallin) und Katharina Hauer (Octavian). Erfunden wurde dafür ein Dinosaurier von Regisseur, denn einen Typen wie Otto Lercher, überzeugend widerlich umgesetzt von Roland Stumpf, wird man heute nur schwerlich mehr finden.“[14]

frauJEDERmann 2021[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Marcus Marschaleks Truppe punktet mit viel Musik, tollen Lichteffekten und manch charmantem Einfall: So wird etwa die moderne Tischgesellschaft ins Pausengeschehen integriert. Gott wird von den Armen gespielt, die ihrer Peinigerin verzeihen. Dennoch wird hier kein zweites Mal gelebt – sterben muss auch Frau Jedermann. ... Darstellerisch überzeugten am Samstag vor allem Frau Jedermann 2 (Katharina Hauer) und der Tod (Georg Fiala) – hier ein Postbote, der von ganz oben mit einer letalen Sendung betraut wird. Eine Luxus-Besetzung bis in die Kleinstrollen kann man in Rodaun freilich nicht auf die Beine stellen.“[15]

„Jedermann wieder zu Hause! frauJEDERmann ist nahe am Original und zugleich modern inszeniert.“[16]

„Die Unternehmung funktioniert glänzend. Die oft hölzernen, pseudoaltertümelden Knittelverse werden deutlich und natürlich gesprochen, das hat Sogwirkung.“[17]

„Weiblich gelesen wird aus dem reichen Prasser eine tüchtige Geschäftsfrau, die überall nach dem Rechten sieht. Was sie falsch macht, zeigt sich erst in der Konfrontation mit ihrer eigenen Endlichkeit. Sie schaut immer, dass Dinge funktionieren und vergisst dabei, den Menschen auf der Herzensebene zu begegnen.“[18]

„Marcus Marschalek ging das Mammutprojekt anders an und drehte die Geschlechterrollen um. Das klappt in der Umsetzung erstaunlich gut.“[19]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rodauner Theater Sommer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Teresa Schaur-Wünsch: Der Jedermann kehrt als Frau nach Hause zurück. In: Die Presse. 1. September 2021, abgerufen am 2. März 2023.
  2. a b Programmheft "frauJEDERmann" 2021.
  3. a b Programm Rodauner Theater Sommer. Kulturverein Rodaun Aktiv, 12. Oktober 2022, abgerufen am 20. Februar 2023.
  4. Alexandra Kropf: Openair-Theater frauJEDERmann, Hofmannsthals „Heimspiel“ in Rodaun. In: Kropf Kommunikation. 17. Juni 2021, abgerufen am 2. März 2023.
  5. Bezirksmuseum Wien Liesing. Briefe und Fotos von Hugo von Hofmannsthal, die seine schriftstellerische Arbeit in Rodaun bezeugen. Angesehen im Mai 2019
  6. a b Peter Temel: "Sterben muss Jedermann auch als Frau: Sommertheater in Rodaun", Kurier am 8. September 2021
  7. "Jedermann wieder zu Haus", Philipp Stewart, Krone am 8. Sept. 2021, Seite 29
  8. Teresa Schaur-Wünsch: Der Jedermann kehrt als Frau nach Hause zurück. In: Die Presse. 1. September 2021, abgerufen am 2. März 2023.
  9. "Die weibliche Seite Jedermanns", Ernst Georg Berger, BZ-Wiener Bezirkszeitung 30/01 Juli 2021
  10. Programmheft Shakespeares Sommernachtstraum in Rodaun.
  11. Ein „Sommer- nachtstraum“ im September ..., Susanne Zobl, Kurier 17. September 2023
  12. "„Der Rosenkavalier“ in Zeiten von #MeToo in Rodaun ...", Susanne Zobl, Kurier am 9. Sept. 2023
  13. Kurier 9. September 2023 (Susanne Zobl)
  14. Rosenkavalier eingeholt von der Moral der Gegenwart, Kultur und Wein, das beschauliche Magazin vom 10. September 2023] (Hannes Gans)
  15. Kurier 8. September 2021 (Peter Temel)
  16. Krone 8. September 2021 (Philipp Stewart)
  17. News 37/2021 (Susanne Zobl)
  18. Die Presse 1. Sepember 2021 (Teresa Schaur-Wünsch)
  19. Der Sonntag, 26. August 2021