Satz von Commandino

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Mediane eines Tetraeders
mit Schwerpunkt S

Der Satz von Commandino ist ein Lehrsatz der Raumgeometrie, welcher auf den italienischen Mathematiker Federigo Commandino (1506–1575)[1][2] zurückgeht. Er behandelt eine elementare Durchschnittseigenschaft der Mittellinien (engl. medians)[3] des allgemeinen Tetraeders. Der Satz ist das dreidimensionale Analogon des Durchschnittssatzes über die Seitenhalbierenden in der Dreiecksgeometrie.

Formulierung des Satzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegeben sei ein Tetraeder . Jeder der vier Eckpunkte von ist mit dem Schwerpunkt[4] der gegenüberliegenden Dreiecksfläche durch eine Gerade verbunden, nämlich durch die zu gehörige Mittellinie   .
Dafür gilt:
Der Durchschnitt    der vier Mittellinien besteht aus genau einem Punkt.
Dies ist der Schwerpunkt des Tetraeders .
Dabei beträgt das Teilverhältnis , in dem der Schwerpunkt die Strecke zweiteilt, stets   = 1 : 3   und der Eckpunkt ist stets Eckpunkt der längeren der zwei Teilstrecken.[5]

Ein Beweis des Satzes ist in dem Artikel Baryzentrische Koordinaten enthalten.

Verallgemeinerungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der dem Satz von Commandino entsprechende Sachverhalt gilt für Simplexe beliebiger Dimension:[6]

Ist ein -Simplex beliebiger Dimension im und sind seine Eckpunkte, so treffen sich die Mittellinien   , also die Verbindungsgeraden der -Eckpunkte mit den Schwerpunkten der jeweils gegenüberliegenden -dimensionalen Seitenflächen , genau im Schwerpunkt des -Simplexes.
Dabei ist das Teilverhältnis, in dem der Schwerpunkt die Strecke zweiteilt, gleich    .   ist also Eckpunkt der längeren der zwei Teilstrecken und der Abstand zwischen und ist stets das -fache des Abstandes zwischen und .

Allgemeiner Satz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In voller Allgemeinheit gilt sogar der folgende Satz, der eine grundlegende Beziehung ausweist, welche dem Hebelgesetz der Physik entspricht:[7]

Gegeben seien natürliche Zahlen und sowie dazu in einem -Vektorraum   paarweise verschiedene Punkte .
Der Schwerpunkt dieser Punkte sei , während der Schwerpunkt der und derjenige der sein möge.
Dann gilt:
Der Schwerpunkt liegt demnach auf der Strecke und teilt diese im Verhältnis .

Der Lehrsatz von Reusch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der obige allgemeine Satz schließt nicht nur die obige Verallgemeinerung des Satzes von Commandino (und damit diesen selbst) in sich ein,[8] sondern offenbar auch einen weiteren interessanten Satz über die Schwerpunkte der Tetraeder, der nach den Mathematische Unterhaltungen von Friedrich Joseph Pythagoras Riecke[9] auf den Tübinger Professor der Physik Friedrich Eduard Reusch zurückgeht und sich wie folgt darstellen lässt:[10][11]

Man findet den Schwerpunkt eines Tetraeders, indem man zu zwei Paaren gegenüberliegender Kanten die Mittelpunkte bestimmt und die beiden paarweise gegenüberliegenden Kantenmittelpunkte durch die zugehörigen Mittellinien verbindet. Der Schnittpunkt der beiden so gewonnenen Mittellinien ist der Schwerpunkt des Tetraeders.

In Verbindung mit der Tatsache, dass ein Tetraeder genau drei Paare gegenüberliegender Kanten hat, entnimmt man dem Lehrsatz von Reusch noch das folgende Resultat:[10]

In einem Tetraeder schneiden sich die drei zu gegenüberliegenden Kantenmittelpunkten gehörigen Mittellinien in einem Punkt, nämlich im Schwerpunkt des Tetraeders.

Der Lehrsatz von Varignon[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zusammenhang mit dem obigen allgemeinen Satz ist neben dem Lehrsatz von Reusch auch ein verwandter Lehrsatz von Pierre de Varignon über die Schwerpunkte von Vierecken im euklidischen Raum zu nennen. Dieser Lehrsatz, der auch als Satz von Varignon bezeichnet wird, besagt folgendes:[12][13]

Im sei ein Viereck mit vier verschiedenen Eckpunkten gegeben, welche nicht notwendig in einer Ebene liegen müssen.
Dann gilt:
Die beiden Mittellinien, also die beiden Verbindungsstrecken gegenüberliegender Seitenmittelpunkte, schneiden sich im Eckenschwerpunkt der vier Eckpunkte und werden dabei von diesem jeweils halbiert.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nathan Altshiller-Court: Modern Pure Solid Geometry. 2. Auflage. Chelsea Publishing Company, Bronx NY 1964, OCLC 1597161.
  • H. S. M. Coxeter: Unvergängliche Geometrie. Ins Deutsche übersetzt von J. J. Burckhardt (= Wissenschaft und Kultur. Band 17). Birkhäuser Verlag, Basel / Stuttgart 1963 (MR0692941).
  • Howard Eves: An Introduction to the History of Mathematics. 5. Auflage. Saunders College Publishing, Philadelphia [u. a.] 1983, ISBN 0-03-062064-3.
  • Egbert Harzheim: Einführung in die Kombinatorische Topologie (= Die Mathematik. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse ihrer Teilgebiete und Nachbarwissenschaften). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-07016-X (MR0533264).
  • Friedrich Joseph Pythagoras Riecke (Hrsg.): Mathematische Unterhaltungen. Zweites Heft. Dr. Martin Sändig, Walluf bei Wiesbaden 1973, ISBN 3-500-26010-1 (Unveränderter Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1867–1873).
  • Harald Scheid (Hrsg.): DUDEN: Rechnen und Mathematik. 4., völlig neu bearbeitete Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim / Wien / Zürich 1985, ISBN 3-411-02423-2.

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nathan Altshiller-Court: Modern Pure Solid Geometry. 2. Auflage. Chelsea Publishing Company, Bronx NY 1964, OCLC 1597161, S. 57, 339.
  2. Howard Eves: An Introduction to the History of Mathematics. 5. Auflage. Saunders College Publishing, Philadelphia [u. a.] 1983, ISBN 0-03-062064-3, S. 438.
  3. Nathan Altshiller-Court: Modern Pure Solid Geometry. 2. Auflage. Chelsea Publishing Company, Bronx NY 1964, S. 57.
  4. Hier ist unter Schwerpunkt stets Eckenschwerpunkt zu verstehen.
  5. Nathan Altshiller-Court: Modern Pure Solid Geometry. 2. Auflage. Chelsea Publishing Company, Bronx NY 1964, S. 57–58.
  6. Egbert Harzheim: Einführung in die Kombinatorische Topologie (= Die Mathematik. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse ihrer Teilgebiete und Nachbarwissenschaften). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-07016-X, S. 33 (MR0533264).
  7. Egbert Harzheim: Einführung in die Kombinatorische Topologie (= Die Mathematik. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse ihrer Teilgebiete und Nachbarwissenschaften). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-07016-X, S. 31.
  8. Egbert Harzheim: Einführung in die Kombinatorische Topologie (= Die Mathematik. Einführungen in Gegenstand und Ergebnisse ihrer Teilgebiete und Nachbarwissenschaften). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1978, ISBN 3-534-07016-X, S. 31 ff.
  9. Vgl. Artikel über Riecke auf Wikisource
  10. a b Friedrich Joseph Pythagoras Riecke (Hrsg.): Mathematische Unterhaltungen. Zweites Heft. 1973, S. 100, 128
  11. In den Mathematische Unterhaltungen (Zweites Heft, S. 128) wird auf die S. 36 von Reuschs Abhandlung Der Spitzbogen verwiesen.
  12. Coxeter, op. cit., S. 242
  13. DUDEN: Rechnen und Mathematik. 1985, S. 652