Sawtra

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Sawtra (russisch Завтра, wörtlich morgen) ist eine russische Zeitschrift, die nationalistische mit kommunistischen Inhalten verbindet.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1990 gründete Alexander Andrejewitsch Prochanow die Zeitschrift zunächst unter dem Namen Den (День, deutsch Tag) und wurde ihr Chefredakteur. Das Blatt kritisierte die Politik der Perestroika und stellte sich während des Moskauer Putschversuches von 1991 auf die Seite der kommunistischen und konservativen Putschisten. Als Präsident Boris Jelzin die Zeitschrift 1993 wegen Verfassungsfeindlichkeit verbieten ließ, änderte Prochanow ihren Titel in Sawtra (morgen) und setzte die Veröffentlichung fort.[1]

In den folgenden Jahren publizierte die Zeitschrift einerseits Artikel von eher linksgerichteten Reformern wie dem ehemaligen Verfassungsrichter Waleri Sorkin oder dem Wirtschaftswissenschaftler Ruslan Chasbulatow, andererseits aber auch von Rechtsextremisten wie Alexander Barkaschow (dem Begründer der Organisation Russische Nationale Einheit) oder Alexander Dugin. Ferner wurden Stellungnahmen des KPRF-Vorsitzenden Gennadi Sjuganow abgedruckt, aber auch Predigten des Metropoliten Ioann Snytschew. Der kleinste gemeinsame Nenner dieser sehr unterschiedlichen Autoren war die Gegnerschaft zur Jelzin-Regierung und eine antiliberale, antiwestliche Grundausrichtung.[2]

Im Sommer 2000 lud Prochanow den Holocaustleugner und Ku-Klux-Klan-Chef David Duke nach Moskau ein.[3][4]

Ein Autorenkreis der Sawtra gründete im September 2012 auf Initiative Prochanows den Isborsk-Klub, einen antiliberalen Think-Tank.[5]

In einem Interview mit der Sawtra im November 2014 behauptete Igor Girkin, ein ehemaliger Anführer der pro-russischen „Volksrepublik Donezk“, der gleichzeitig Autor der Publikation ist, persönlich für die Eskalation des Krieges in der Ostukraine verantwortlich zu sein.[6]

Autoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter anderem werden derzeit Beiträge von Alexander Dugin[7], Wladislaw Schurigin[8], Igor Girkin[9], Alexander Borodai[10] sowie Maxim Kalaschnikow[10] veröffentlicht.

Aktuelle Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Beginn des Euromaidan forderte Prochanow in der Sawtra einen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.[11] Der vom Kongress der Vereinigten Staaten finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe berichtete, die Sawtra-Redaktion gebe sich heute im Gegensatz zur oppositionellen Ausrichtung ihrer Frühphase regierungstreu. Der Redakteur Andrej Fefelow (Sohn von Alexander Prochanow) habe Wladimir Putin als „Inspiration“ bezeichnet. Allerdings seien auch deutliche Unterschiede zwischen einigen in der Sawtra geäußerten Forderungen und der offiziellen Kreml-Politik erkennbar. In aktuellen Artikeln würden weiterhin unterschiedliche, teils widersprüchliche, aber durchweg antiwestliche Positionen vertreten.[12] Von Wissenschaftlern wird die Zeitschrift als rechts bis rechtsextrem beschrieben.[13][14][15][16]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christoph Laug: Dokumentation: Prominente Vertreter rechten Denkens in Russland, Bundeszentrale für politische Bildung, 3. August 2013. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  2. Andreas Umland: Die Sprachrohre des russischen Revanchismus, Die Neue Gesellschaft: Frankfurter Hefte, Oktober 1995. Abgerufen am 12. Oktober 2014 
  3. Anti-Semitic book angers Russians, BBC News, 17. Dezember 2000. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  4. David Duke in Russia (Memento des Originals vom 31. Dezember 2013 im Internet Archive), Anti-Defamation League, 2001. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  5. Roland Götz: Analyse: Der Isborsker Klub - Russlands antiwestliche Ideologen, Bundeszentrale für politische Bildung, 17. März 2015. Abgerufen am 30. Juli 2015 
  6. Julian Hans: Russischer Geheimdienstler zur Ostukraine: „Den Auslöser zum Krieg habe ich gedrückt“. In: Süddeutsche Zeitung. 21. November 2014, abgerufen am 7. Januar 2022.
  7. http://zavtra.ru/authors/user/7/
  8. http://zavtra.ru/authors/user/20/
  9. Tom Balmforth: Russia's Nationalist Fringe Takes Center Stage In Eastern Ukraine, RFE/RL, 17. Juni 2014. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  10. a b http://zavtra.ru/authors/user/48/
  11. Benjamin Bidder: Berater in der Ukraine-Krise: Putins Einflüsterer, Spiegel Online, 4. April 2014. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  12. Tom Balmforth: From The Fringes Toward Mainstream: Russian Nationalist Broadsheet Basks In Ukraine Conflict, RFE/RL, 17. August 2014. Abgerufen am 9. Oktober 2014 
  13. Taras Kuzio: Nationalism and authoritarianism in Russia: Introduction to the special issue. In: Communist and Post-Communist Studies. 49, Nr. 1, 2016, S. 1–11. doi:10.1016/j.postcomstud.2015.12.002.
  14. Ina Shakrai: The legitimization of autoritarian rule through constructed external threats: Russian propaganda during the Ukrainian crisis. In: East European Quarterly. 43, Nr. 1, März 2015, S. 29–54.
  15. Martin Durham und Margaret Power: New Perspectives on the Transnational Right. Palgrave Macmillan, New York 2011, ISBN 978-0-230-31628-7, S. 167.
  16. Walter Laqueur: After the Fall: Russia in Search of a New Ideology. In: World Affairs. 176, Nr. 6, März/April 2014, S. 71–77.