Schiebfläche

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Schiebfläche: Definition

Eine Schiebfläche oder Translationsfläche ist in der Geometrie eine Fläche, die durch eine besondere Art erzeugt wird:

  • Sind zwei Raumkurven mit einem gemeinsamen Punkt , so wird die Kurve so verschoben, dass der Punkt auf der Kurve gleitet. Die dabei von überstrichene Fläche nennt man Schiebfläche.

Liegen die beiden Kurven in einer gemeinsamen Ebene, so ist die Schiebfläche eben. Dieser Fall wird hier immer ausgenommen.

ellipt. Paraboloid, parabol. Zylinder, hyperbol. Paraboloid als Schiebflächen
Schiebfläche: Schiebkurven sind Sinus-Bogen und Parabelbogen
Kreisschraubfläche: Verschiebung eines horizontalen Kreises entlang einer Schraublinie

Einfache Beispiele sind

  1. ein senkrechter Kreiszylinder: ist ein Kreis (oder ein anderer Querschnitt) und eine Gerade.
  2. das elliptische Paraboloid : wobei (Parabel) und (Parabel) sind.
  3. das hyperbolische Paraboloid : wobei (Parabel) und (nach unten geöffnete Parabel) sind.

Schiebflächen spielen in der darstellenden Geometrie[1][2] und der Architektur[3] als leicht modellierbare Flächen eine Rolle.
In der Differentialgeometrie werden Minimalflächen und Sehnenmittenflächen[4] als Schiebflächen aufgefasst und untersucht.

Man sollte die hier beschriebenen Translationsflächen (Schiebflächen) nicht mit den Translationsflächen in der komplexen Geometrie verwechseln.

Parameterdarstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sind und zwei Raumkurven mit , so hat die zugehörige Schiebfläche die Parameterdarstellung:[5]

und geht durch den Nullpunkt. Offensichtlich lassen sich die Rollen der Kurven und beim Erzeugen (Schieben) vertauschen. Deshalb nennt man beide Kurven Schiebkurven. Durch jeden Punkt der Fläche geht eine zu und zu verschobene (kongruente) Kurve. Die Tangentialebene in wird von den beiden Tangentenvektoren der Schiebkurven aufgespannt, falls die Vektoren linear unabhängig sind.

Ist die Bedingung nicht erfüllt, muss die durch (*) definierte Schiebfläche weder den Nullpunkt noch die Kurven enthalten. Die Fläche enthält aber in jedem Fall verschobene Abbilder der Kurven als Parameterkurven bzw. .

Die zu gehörige Sehnenmittenfläche hat die Darstellung

Wendelfläche als Schiebfläche und Sehnenmittenfläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wendelfläche als Schiebfläche mit identischen Schiebkurven
Wendelfläche als Schiebfläche: alle Parameterlinien sind verschobene Abbilder der lila Schraublinie

Eine Wendelfläche ist eine spezielle Schraubfläche, bei der eine die Schraubachse senkrecht schneidende Gerade verschraubt wird. Sie ist ein Beispiel für eine Minimalfläche und lässt sich als Schiebfläche darstellen:

Die Wendelfläche mit der Parameterdarstellung

hat die Ganghöhe . Führt man neue Parameter so ein,[6] dass

und eine positive Zahl ist, so erhält man die neue Parameterdarstellung

Dies ist die Parameterdarstellung einer Schiebfläche mit den zwei identischen Schiebkurven

und

Der für die Konstruktion in der Zeichnung benutzte gemeinsame Punkt ist . Die (identischen) Schiebkurven sind Schraublinien mit der Ganghöhe die auf dem Zylinder mit der Gleichung liegen. Alle Parameterlinien sind verschobene Abbilder der Schiebkurve (im Bild lila). Sie liegen auf senkrechten Kreiszylindern mit Radius , die die z-Achse als Mantellinie enthalten.

Die neue Parameterdarstellung beschreibt nur Punkte der Wendelfläche, die innerhalb des Zylinders mit der Gleichung liegen.

Wendelfläche als Sehnenmittenfläche zweier identischer Erzeugerkurven (grüne Schraublinie)

Aus der neuen Parameterdarstellung der Wendelfläche erkennt man auch, dass sich die Wendelfläche als Sehnenmittenfläche darstellen lässt:

wobei
und

zwei identische Erzeugerkurven sind.

In der Zeichnung liegt auf der Schraublinie und auf der (identischen) Schraublinie . Die Sehnenmitte ist .

Praktische Vorteile einer Schiebfläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

in der Architektur

Eine Oberfläche (z. B. Dach) lässt sich leicht durch Anfertigung einer Schablone für die Kurve und mehreren identischen Schablonen der Kurve herstellen. Die Schablonen können dabei ohne Mathematik mit künstlerischer Freiheit angefertigt werden. Bei der Positionierung der Schablonen ist nur darauf zu achten, dass sie nach dem Prinzip der Schiebfläche angebracht werden.

in der darstellenden Geometrie

Zur Erstellung einer Parallelprojektion einer Schiebfläche müssen 1) Projektionen der Schiebkurven hergestellt werden, 2) von der Projektion der Kurve eine Schablone angefertigt und 3) mit Hilfe dieser Schablone verschobene Exemplare nach der Vorschrift der Schiebfläche eingezeichnet werden. Der Umriss der Fläche ergibt sich als Hüllkurve der mit der Schablone gezeichneten Kurven. Dies gilt sowohl für senkrechte als auch für schiefe Parallelprojektionen (Kavalierperspektive Vogelperspektive), aber nicht für Zentralprojektionen.

in der Differentialgeometrie

Aufgrund der einfachen formalen Beschreibung einer Schiebfläche sind die partiellen Ableitungen von einfache Ableitungen der beiden Kurven. Insbesondere sind gemischte partielle Ableitungen immer gleich . Also ist bei der Darstellung einer Fläche als Schiebfläche der Koeffizient der zweiten Fundamentalform immer gleich . Dies erleichtert z. B. den Nachweis, dass eine Wendelfläche eine Minimalfläche (d. h. die mittlere Krümmung ist ) ist.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Glaeser: Geometrie und ihre Anwendungen in Kunst, Natur und Technik. Springer-Verlag, 2014, ISBN 978-3-642-41852-5, S. 259.
  • W. Haack: Elementare Differentialgeometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-0348-6950-8, S. 140.
  • C. Leopold: Geometrische Grundlagen der Architekturdarstellung. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3-17-018489-X, S. 122.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. H. Brauner: Lehrbuch der Konstruktiven Geometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-7091-8778-4, S. 236.
  2. Fritz Hohenberg: Konstruktive Geometrie in der Technik. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-7091-8148-5, S. 208.
  3. Hans Schober: Transparente Schalen: Form, Topologie, Tragwerk. John Wiley & Sons, 2015, ISBN 978-3-433-60598-1, S. 74.
  4. Wilhelm Blaschke, Kurt Reidemeister: Vorlesungen über Differentialgeometrie und geometrische Grundlagen von Einsteins Relativitätstheorie II: Affine Differentialgeometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-47392-0, S. 94.
  5. Erwin Kruppa: Analytische und konstruktive Differentialgeometrie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-7091-7867-6, S. 45.
  6. J. C. C. Nitsche: Vorlesungen über Minimalflächen. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-65619-4, S. 59.