Schiedskommission (DDR)

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Schiedskommissionen (abgekürzt SchK)[1] zählten im System der DDR-Justiz neben den Konfliktkommissionen und in Abgrenzung zur staatlichen Gerichtsbarkeit zu den sogenannten gesellschaftlichen Gerichten der „sozialistischen Rechtspflege“.

Die Schiedskommissionen wurden 1964 nach dem Vorbild der Konfliktkommissionen gebildet[2] und ersetzten die 1953 geschaffenen Sühnestellen.[3] Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1968 regelte in Artikel 92:

„Die Rechtsprechung wird in der Deutschen Demokratischen Republik durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die gesellschaftlichen Gerichte im Rahmen der ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben ausgeübt.“

Artikel 92, VerfDDR68 (Hervorhebung nicht original)[4]

In Umsetzung dieser Verfassungsregelung wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1968 das Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte[5] erlassen.

Schiedskommissionen wurden in den Wohngebieten der Städte und in Gemeinden sowie in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und den Produktionsgenossenschaften der Fischer, Gärtner und Handwerker gebildet. In größeren Gemeinden wurden mehrere Schiedskommissionen gebildet. Die Zahl der Schiedskommissionen lag zwischen fünf- und sechstausend.

Die Mitglieder der Schiedskommissionen waren keine ausgebildeten Richter und Juristen, sondern stets Laienrichter, ähnlich einem Schöffen, die aber regelmäßig Schulungen und Anleitungen zur „richtigen“ Auslegung und Anwendung des „sozialistischen Rechts“ besuchen mussten. Eine Schiedskommission bestand aus 8 bis 15 Mitgliedern (es kamen aber auch Schiedskommissionen mit nur 6 oder auch bis zu 20 Mitgliedern vor). Die Mitglieder hatten bis 1968 eine Amtszeit von zwei und danach von vier Jahren.

Die Kompetenzen der Schiedskommissionen lagen vor allem bei untergeordneten zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten (mit einem Streitwert bis etwa 500 DDR-Mark) und Bagatellkriminalität (Vergehen und Verfehlungen) mit lokalem Bezug.

Die Entscheidungen der Schiedskommissionen erlangten ähnlich einem gerichtlichen Urteil Rechtskraft. Es bestand jedoch die Möglichkeit, gegen diese Entscheidungen innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist ein Rechtsmittel beim örtlich zuständigen Kreisgericht einzulegen. Hier wurde diese Entscheidung der Schiedskommission dann von einem Berufsrichter (gegebenenfalls mit 2 Schöffen) überprüft, neu verhandelt und entweder aufgehoben oder bestätigt.

Nach der Wende wurden auch die Schiedskommissionen in den Prozess der Wiedereinführung eines Rechtsstaates einbezogen. Der beherrschende Einfluss der in PDS umbenannten SED auf die Schiedskommissionen endete. Die erste frei gewählte Volkskammer wandelte sie mit dem „Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden“ vom 13. September 1990 in Schiedsstellen um.

Verfahrensstatistik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[6] 1959a 1969 1979 1989
Vergehen 55.866 87,9 % 7.151 24,1 % 5.054 26,4 % 4.870 30,3 %
Verfehlungen 14.498 48,8 % 7.899 41,3 % 6.052 37,7 %
Ordnungswidrigkeiten 365 1,2 % 266 1,4 % 564 3,5 %
Schulpflichtverletzungen 467 1,6 % 555 2,9 % 267 1,7 %
Zivilrecht 7.680 12,1 % 6.845 23,0 % 5.286 27,7 % 4.315 26,9 %
Arbeitsscheues Verhaltenb 375 1,3 % 57 0,3 %
Summe 63.546 29.701 19.117 16.068
a 
1959: Sühnestellen
a 
nur 1964 bis 1979

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Werner Reiland: Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971, Dissertation. Erdmann, Tübingen/ Basel 1971, ISBN 3-7711-0949-3
  • Hans-Andreas Schönfeldt: Vom Schiedsmann zur Schiedskommission : Normdurchsetzung durch territoriale gesellschaftliche Gerichte in der DDR, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Band 145, 2002, ISBN 3-465-03176-8

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Abkürzungen aus Beständen der Parteien und Massenorganisationen der DDR SED- und FDGB-Archivgut im Bundesarchiv, abgerufen am 18. Februar 2016
  2. Richtlinie des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Bildung und Tätigkeit von Schiedskommissionen vom 21. August 1964 (GBl. I Nr. 9 S. 115)
  3. vgl. Anordnung über die Errichtung von Sühnestellen in der Deutschen Demokratischen Republik (Schiedsmannsordnung) vom 24. April 1953 (GBl. Nr. 59 S. 647)
  4. Text der DDR-Verfassung 1968
  5. Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Juni 1968, im Gesetzblatt der DDR, Teil I Nr. 11, 1968, S. 229ff., Online (PDF).
  6. Britta Schubel: Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen durch ehrenamtliche Schiedsinstanzen in den neuen Bundesländern (1997), S. 316 f.