Schultervor

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Schultervor (engl. shoulder-fore, frz. épaule-en-avant) ist ein Begriff aus der Reitlehre, der klassischen Reitkunst, und bezeichnet eine Lektion, bei der das Pferd mit dem inneren Hinterfuß in Richtung zwischen die beiden Vorderbeine tritt, während das äußere Hinterbein exakt auf die Spur des äußeren Vorderbeins fußt. "Durch ein solches Einrichten der Vorhand auf die Hinterhand ergibt sich eine leichte Rippenbiegung."[1] Von vorne gesehen wird "der innere Hinterfuß zwischen den Vorderbeinen sichtbar".[2] Als "Längsbiegung auf einfachem Hufschlage" ist das Schultervor für Seunig "Ausgangspunkt und Mutterstellung der Seitengänge, aus der sie sich alle entwickeln".[3]

Ein Synonym für "Schultervor" ist auch die "erste Stellung"[4], nicht zu verwechseln mit dem "Reiten-in-Stellung", welches auch "zweite Stellung" genannt wird.

Zielsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beide Lektionen sind Vorübungen für das "Schulterherein", aber "ebenso anspruchsvoll [...] wie das Schulterherein selbst"[5]. Außerdem ist das Schultervor "zur Verbesserung der Galopparbeit besonders hilfreich".[6] Versammelnd ist die Lektion, weil der innere Hinterfuß vermehrt Last aufnimmt und so der Galopp vermehrt 'bergauf' gesprungen wird. Außerdem dient sie der "geraderichtenden Biegearbeit"[7].

Durchführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie jede Lektion und jeder Übergang wird das Schulterherein durch halbe Paraden eingeleitet. Der innere Schenkel liegt am Gurt und treibt das Pferd an den äußeren Zügel, sorgt für die Rippenbiegung und dafür, dass der innere Hinterfuß in Richtung zwischen die beiden Vorderfüße tritt. Der äußere Schenkel liegt verwahrend eine Handbreit hinter dem Gurt. Der innere Zügel sorgt für die Stellung, der äußere begrenzt dieselbe. Die Längsbiegung wird aus der vorhergehenden Ecke "in die Lektion mitgenommen" oder durch eine Volte vorbereitet.[8] Geritten wird das Schultervor auf dem Hufschlag, auf der Viertellinie oder auf der Mittellinie.

Es ist zu beachten, dass die treibenden Hilfen immer überwiegen müssen. Oft wird die Lektion zu lange geübt. Es sind aber "wenige gute Tritte wertvoller […] als mehrere Tritte mit Taktfehlern, Spannungen oder Anlehnungsproblemen".[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Richtlinien, S. 47
  2. Seunig, S. 127
  3. Seunig, S. 208
  4. Seunig, S. 127
  5. Richtlinien, S. 46
  6. Richtlinien, S. 47
  7. Seunig, S. 128. - Vgl. auch Loriston-Clarke, die von einem "straightening exercise" (S. 80) spricht.
  8. Richtlinien, S. 47
  9. Richtlinien, S. 49

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Richtlinien für Reiten und Fahren. Bd. 2: Ausbildung für Fortgeschrittene. Hg. v. d. Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FNverlag), 12. Aufl., Warendorf 1997, ISBN 3-88542-283-2
  • Jennie Loriston-Clarke, The Complete Guide to Dressage. How to Achieve Perfect Harmony between You and Your Horse. Principal Movements in Step-by-step Sequences Demonstrated by a World Medallist, Quarto Publishing plc, London 1987, reprinted 1993, ISBN 0-09-174430-X
  • Waldemar Seunig: Von der Koppel bis zur Kapriole. Die Ausbildung des Reitpferdes. Mit einem Nachwort von Bertold Schirg. 2. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1943, Hildesheim usw. 2001 (Documenta Hippologica), ISBN 3-487-08348-5