Sich auf französisch empfehlen

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Sich (auf) französisch empfehlen[1] ist eine umgangssprachliche Redensart, mit der das Verlassen einer gesellschaftlichen Zusammenkunft ohne Verabschiedung bezeichnet wird. Gleichbedeutend sind die Wendungen polnischer Abgang,[2] sich polnisch verabschieden,[3] sich auf polnisch empfehlen (vor allem in Nordostdeutschland)[1] und holländisch abfahren (im Nordwesten).[1]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Volkskundler Lutz Röhrich führt die Redensarten auf das „Verlangen des einen Volkes oder Stammes, den Nachbarn Unhöflichkeit und allerlei sonstige Charakterfehler nachzusagen“[1] zurück. Zum Vergleich führt er ähnliche Redensarten in anderen Sprachen an, so to take a French leave im Englischen und filer à l'anglaise im Französischen.[1]

Die Redensart Sich auf polnisch verabschieden geht mindestens auf das 19. Jahrhundert zurück; Wilhelm Borchardt sah den Ursprung 1888 in seinem Werk Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde nach Sinn und Ursprung erläutert in der Provinz Preußen, wohin, so Borchardt, „häufig der Geschäfte halber polnische Kaufleute kamen, die sich dann schleunigst wieder aus dem Staube machten, ohne vorher ihre Schulden berichtigt zu haben“.[4] Hingegen bezeichnen Matthias Stolz und Ole Häntzschel als Verfasser eines Artikels, der 2014 im Zeit-Magazin erschienen ist, den Ausdruck „polnischer Abgang“ als „jüngere Redewendung“, die in den Jahren nach dem Mauerfall entstanden sei.[5] Sie beziehen sich dabei auf eine germanistische Studienarbeit.[5]

Soziale Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In traditionellen Deutungen wird ein grußloses Verlassen zumeist als Unhöflichkeit gegenüber dem Gastgeber gewertet, was sich in Redewendungen wie „sich davonstehlen“ widerspiegelt. Matthias Stolz und Ole Häntzschel stellen hingegen in Frage, ob es tatsächlich höflich sei, den Gastgeber „in seiner Feierlaune [zu] bremsen, nur weil man wegwill oder -muss“.[5]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: sich auf Französisch empfehlen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Jubiläumsausg., 5. Auflage. Band 2. Herder, Freiburg i.Br. / Basel / Wien 2001, ISBN 3-451-05200-8, S. 470.
  2. Tomasz Szarota: Pole, Polen und Polnisch in den deutschen Mundartlexika und Sprichwörterbüchern. In: Acta Poloniae Historia 50, 1984, S. 81–113; 90 f.
  3. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Jubiläumsausg., 5. Auflage. Band 4. Herder, Freiburg i.Br. / Basel / Wien 2001, ISBN 3-451-05200-8, S. 1190.
  4. Wilhelm Borchardt: Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde nach Sinn und Ursprung erläutert. Brockhaus, Leipzig 1888, S. 340. Zitiert nach: Hubert Orłowski: "Polnische Wirtschaft". Zum deutschen Polendiskurs der Neuzeit. Harrassowitz, Wiesbaden 1996, ISBN 3-447-03877-2, S. 129.
  5. a b c Matthias Stolz, Ole Häntzschel: Was heißt hier polnischer Abgang? In: Zeit-Magazin. 6. November 2014, abgerufen am 16. August 2015.