Sohn der weißen Stute

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Film
Titel Sohn der weißen Stute
Originaltitel Fehérlófia
Produktionsland Ungarn
Originalsprache ungarisch
Erscheinungsjahr 1981
Länge 81 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Marcell Jankovics
Drehbuch Marcell Jankovics,
László György
Produktion Román Kunz
Musik István Vajda
Kamera Zoltán Bacsó
Schnitt Magda Hap,
Mária Kern,
Valéria Pauka,
Judit Szarvas
Synchronisation

Sohn der weißen Stute (auch: Der Schimmelprinz, Originaltitel: Fehérlófia) ist der zweite Langfilm des ungarischen Animators Marcell Jankovics aus dem Jahr 1981. Der expressiv animierte Film erzählt die Geschichte eines mythischen Helden, der in die Unterwelt reist, um dort drei Prinzessinnen vor Drachen zu retten und die Ordnung der Welt wiederherzustellen. Der in den Pannonia Filmstudios entstandene Film wurde für seine innovativen, flächigen und assoziativen Trickbilder gerühmt, blieb aber an der Kinokasse hinter den Erwartungen zurück. 2020 wurde eine digital aufbereitete Version veröffentlicht.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die drei Prinzessinnen der Königsfamilie haben die Welt ins Unglück gestürzt, und müssen, mit je einem Drachen verheiratet, in der Unterwelt leben. Die weiße Stute gebiert drei Söhne, von denen Baumausreißer der jüngste ist. Er lebt mit seiner Mutter unter einer Zerreiche und wird durch ihre Milch übermenschlich stark. Als sie stirbt, kann er die Eiche aus dem Boden heben und zieht aus, um die Prinzessinnen zu befreien. Er trifft seine Brüder Steinzerbrösler und Eisenkneter, die ebenfalls starke Kämpfer sind. Auf der Suche nach einem Eingang in die Unterwelt rasten sie in einem Unterschlupf, aber jeden Tag überfällt ein Gnom einen der Helden, der an diesem Tag zu Hause bleibt, um Brei zu kochen und ein Seil zu knüpfen. Baumausreißer besiegt ihn schließlich und findet dabei das Tor zur Unterwelt.

Er wird von seinen Brüdern durch das Tor heruntergelassen und findet dort den Gnom wieder. Nacheinander befreit er dann die drei Prinzessinnen, indem er sich zunächst Zugang in deren Schlösser verschafft, dann mit ihnen etwas isst und schließlich die Drachen niederringt. Die Schlösser verwandeln sich daraufhin in Äpfel. Nach seinem Sieg werden die Prinzessinnen von Steinzerbrösler und Eisenkneter wieder in die Oberwelt gezogen, aber Baumausreißer mit den drei Äpfeln ist zu schwer und fällt wieder hinunter.

Auf einen Rat des Gnoms sucht er dann das Nest eines Greifen auf, dessen Kinder von einer Schlange bedroht werden. Er besiegt die Schlange, und als Dank trägt der Greif den Helden wieder nach oben. Dabei muss Baumausreißer ihn mit Ochsen, Weinfässern und schließlich seinem eigenen Bein füttern. Als sie in der Oberwelt ankommen, gibt der Greif ihm aus Dankbarkeit sein Bein zurück. Die drei Söhne der weißen Stute heiraten jeweils eine der Prinzessinnen und ziehen in die Schlösser, die sich aus den Äpfeln zurückverwandeln. Damit ist die Macht der alten Königsfamilie wiederhergestellt.

Produktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Drehbuch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter anderem durch die Arbeit am Film János vitéz und der Serie Magyar népmesék hatten sowohl Jankovics und das Pannonia Filmstudio Erfahrung mit der Adaption ungarischer Märchen und Volkssagen.[1] Jankovics erzählt, er habe für sein Drehbuch mehrere Versionen des Fehérlófia-Mythos zusammengefasst und leicht abgeändert.[2] Ein Kritiker erkennt in der Handlung neben der Fehérlófia-Geschichte aus László Aranys Märchensammlung Motive aus zwei anderen Sagen.[3] Auch berichtet Jankovics, eine frühere Fassung des Drehbuches, in der die Wiederholungen der Geschichte eine wichtigere Rolle spielten, sei abgelehnt worden, da sie der marxistischen Anschauung über den linearen Ablauf der Zeit (siehe auch: Historischer Materialismus) widerspreche.[4][5]

Animation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeichentrickfilmen sind die Figuren nicht mit schwarzen Konturen dargestellt und heben sich daher weniger vom Hintergrund ab.[1] Für den Film wurde eine besondere Methode des Ink and Paint angewandt, bei der die Farbe mit einer Sprühpistole auf die Cels aufgebracht wurde.[6] Diese Darstellung erlaubt es, dass sich Figuren und Szenen auflösen, verwandeln und ineinander übergehen. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Verwendung von expressiven Farben.[1] Jankovics erzählt, er sei durch Goethes Farbenlehre[1][5] und eine Reise nach Indien inspiriert gewesen.[7] Die Verwendung von Farben und Formen habe für ihn symbolischen Charakter.[6]

Filmmusik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

István Vajdas experimentelle Filmmusik ist von tibetischen Mönchsgesängen inspiriert,[1] er war auch für die Tongestaltung und die Synchronisation des Films verantwortlich.[8]

Synchronisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rollen gesprochen von
Baumausreißer (Fanyüvő) György Cserhalmi
Steinzerbrösler (Kőmorzsoló)
Eisenkneter (Vasgyúró)
Aranyhajú nyár-szépe Vera Pap
Rézhajú ősz-szépe
Ezüsthajú tavasz-szépe
Weiße Stute (Fehérló) Mari Szemes
Schneekönigin (Hókirálynő)
Hétszűnyű Kapanyányi Monyók Gyula Szabó
Regenkönig (Esőkirály)
Dreiköpfiger Drache Szabolcs Tóth
Siebenköpfiger Drache
Zwölfköpfiger Drache
Greif Ferenc Szalma
Baumausreißer (jung) Ottó Ullmann

Veröffentlichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Ungarn kam Fehérlófia am 22. Oktober 1981 in die Kinos, international wurde der Filme erst einige Jahre später veröffentlicht.[9] In der DDR lief er unter dem Filmtitel Der Schimmelprinz, zum ersten Mal am 5. September 1983 im zweiten Kanal des DDR-Fernsehens.[10]

Das US-amerikanische Filmverleih Arbelos Films und das Filmarchiv des nationalen ungarischen Filminstituts (NFI Filmarchívum) produzierten im Jahr 2019 gemeinsam eine in 4K-Auflösung digitalisierte, restaurierte Fassung des Films. Die Premiere des Re-Releases fand auf dem Fantasia International Film Festival in Montreal statt, danach wurde Fehérlófia auf einigen weiteren Filmfestivals gezeigt.[11][12] Der ursprünglich für den April 2020 geplante Kinostart in den USA wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt, stattdessen wurde der Film in Kooperation mit lokalen Kinos auf der Videoplattform Vimeo als Video-on-Demand veröffentlicht.[12][13] In Deutschland brachte der genossenschaftliche Verleiher Drop-Out Cinema den Film am 13. August 2020 in die Kinos, diesmal unter dem Titel Sohn der weißen Stute.[7]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Ungarn war Fehérlófia bei seiner Veröffentlichung kein großer Erfolg und wurde von den traditionelleren Märchenfilmen wie Vuk überschattet.[14] Filmvilág urteilte, der Film sei wohl zu komplex für Kinder und zu märchenhaft für Erwachsene, um erfolgreich zu sein. Trotzdem gelänge es den Filmschaffenden, beiden Ansprüchen gerecht zu werden. Lobend wird auch die von der ungarischen Volkskunst inspirierte Bildsprache und die tiefgehende Beschäftigung mit der osteuropäisch-zentralasiatischen Sagenwelt erwähnt.[3] Der Kritiker László Fábián fand, der Film sei zwar visuell überzeugend und rege zum Nachdenken an, habe aber dramaturgische Schwächen und sei zu lang.[15] In seiner Autobiografie erzählt Jankovics, er habe unter dem Misserfolg des Filmes gelitten.[16] International wurde der Film oft besser aufgenommen. Bei der 1984 im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Los Angeles veranstalteten Animationsolympiade wurde der Film etwa von einer internationalen Jury auf Platz 49 der 50 besten Animationsfilme gewählt.[17]

Später wurde der Film eher als psychedelische Kunst wahrgenommen, auch wenn Jankovics immer betont, dass es ihm um eine traumhafte Atmosphäre ging und im Produktionsprozess keine Drogen involviert waren.[2][8] Ein amerikanisches Onlinemagazin befand 2012, man müsse die Handlung des Films nicht wirklich verstehen, da sie von der Macht der Bilder überschattet werde.[18]

Auch zum Re-Release des Films im Jahr 2020 wurde besonders die als rauschhaft und überwältigend beschriebene Bildsprache des Filmes[19][20][21] sowie die flüssigen, ineinander übergehenden Formen hervorgehoben.[22][23] Sohn der weißen Stute wurde mit den Filmen Fantasia und Yellow Submarine oder den Arbeiten von Genndy Tartakovsky verglichen.[8] Die Süddeutsche Zeitung schreibt, im Film würden „zu einer elektronisch flirrenden Tonkulisse antike Mythologie, Folklore, Natursymbolik und Skepsis gegenüber einer technikgläubigen Welt zu einem dichten Bilderstrom ineinanderfließen.“[20] Für Epd Film ist das „Werden und Vergehen […] auch eigentliches Thema der Geschichte: zyklische Wechsel und kosmisches Gleichmaß finden sich vielfältig und symbolhaft in den Figuren wie in deren Handlungen“.[22] Perlentaucher findet, der einfach aufgebaute Film verweigere sich einer klaren Deutung und lade dazu ein, sich in den Bildern zu verlieren.[21] Eine amerikanische Zeitung bezeichnete den Film als schwer zu begreifendes Meisterwerk, das eher als urtümlicher Mythos denn als Drama gesehen werden müsse.[24] Ein anderer Kommentator urteilte ebenfalls, der Film bediene veraltete Rollen- und Erzählmuster und würde sie nur oberflächlich modernisieren.[13]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Zoltán Varga: Fehérlófia. In: MMA-MMKi Lexikon. Magyar Művészeti Akadémia Művészetelméleti és Módszertani Kutatóintézet, abgerufen am 20. Oktober 2020 (ungarisch).
  2. a b Carlos Aguilar: An animated masterpiece’s 40-year journey to American release. In: Polygon.com. 29. September 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
  3. a b András Székely: Egyszerre két lovon : Fehérlófia. In: Filmvilág. Nr. 11, 1981 (ungarisch, filmvilag.hu [abgerufen am 20. Oktober 2020]).
  4. Tunde Vollenbroek: Marcell Jankovics Q&A: „Why Would One Imitate Reality?“ In: Cartoonbrew. 18. Mai 2015, abgerufen am 19. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  5. a b Christopher L. Inoa: Eternal Cycles: Hungarian Animator Marcell Jankovics on „Son of the White Mare“. In: Mubi Notebook. 3. August 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  6. a b Carlos Aguilar: An animated masterpiece’s 40-year journey to American release. In: Polygon.com. 29. September 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020 (englisch).
  7. a b Ronald Kohl: Baumausreißer und seine Brüder. In: Junge Welt. 17. August 2020, abgerufen am 19. Oktober 2020.
  8. a b c Josh Weiss: Hungarian Animated Film ‘Son Of The White Mare’ Finally Arrives In U.S. After Almost 40 Years. In: Forbes.com. Abgerufen am 20. Oktober 2020 (englisch).
  9. Son of the White Mare (1981) – Release Info. In: IMDb. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  10. Fernsehen der DDR – Online Lexikon der DDR-Fernsehfilme, Fernsehspiele und TV-Inszenierungen. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
  11. Alex Dudok de Wit: Restored Hungarian Cult Classic ‘Son Of The White Mare’ Will Get U.S. Theatrical Release. In: Cartoonbrew. 1. August 2019, abgerufen am 19. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  12. a b Alex Dudok de Wit: ‘Son Of The White Mare’: The Journey Of The Cult Classic’s 4K Restoration (Interview). In: Caroonbrew. 21. August 2020, abgerufen am 19. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  13. a b Jacob Lusk: ‘Son of the White Mare’ hits the US in a fit of psychedelia. In: Michigan Daily. 31. August 2020, abgerufen am 19. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).
  14. András György Tóth: Szaggatott vonal : Helyzetjelentés a magyar rajzfilmről. In: Filmvilág. Nr. 8, 1999 (ungarisch, filmvilag.hu [abgerufen am 16. Oktober 2020]).
  15. László Fábián: A népmese utóélete : Jankovics Marcell: Fehérlófia. In: Filmkultúra. 17. Jahrgang, Nr. 5, 1981, ISSN 0015-1580, S. 28–32 (ungarisch, mandadb.hu [PDF; abgerufen am 16. Oktober 2020]).
  16. Vince Zalán: Beszélgetés Jankovics Marcellel. In: FilmVílag Blog. 25. November 2011, abgerufen am 16. Oktober 2020 (ungarisch).
  17. Harvey Deneroff: The Olympiad of Animation: An Interview With Fini Littlejohn. In: Animation World Magazine. 1999, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
  18. Kristen Bialik: Fehérlófia : The Most Beautiful Psychedelic Trip You’ve Ever Seen. In: Network Awesome. Huffpost, 7. März 2012, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
  19. Michael Meyns: Animationsfilm „Sohn der weißen Stute“: Blick ins Kaleidoskop. In: Die Tageszeitung: taz. 13. August 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. Oktober 2020]).
  20. a b Sofia Glasl: Ein Märchen wie ein Rausch. In: Süddeutsche Zeitung. 17. August 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020.
  21. a b Nicolai Bühnemann, Katrin Doerksen: Luftballett des Schreckens – Im Kino. In: perlentaucher.de. 12. August 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020.
  22. a b Alexandra Seitz: Kritik zu Sohn der weißen Stute. In: epd Film. 24. Juli 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020.
  23. Karsten Munt: Sohn der weissen Stute. Kritik. In: Filmdienst. Abgerufen am 20. Oktober 2020.
  24. Richard Whittaker: Movie Review: Son of the White Mare. In: Austin Chronicle. 21. August 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch).