Sportswashing

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Als Sportswashing (Wortzusammensetzung aus Sport und Whitewashing) werden Bestrebungen bezeichnet, das Ansehen des eigenen Landes durch die Veranstaltung von Sport-Events und deren positiven Reputation in den Medien zu verbessern.[1] Dieser Begriff betrifft unter anderem die Golfstaaten, welche durch den Export von Erdöl zu den reichsten Nationen der Welt gehören und deswegen auch größere Investitionen in Sportveranstaltungen vor allem im Profisport tätigen können. Durch die Religion Islam verbunden mit den autoritären Regimes sind dort Menschenrechte im Allgemeinen, aber vor allem Religionsfreiheit, Gleichberechtigung oder auch die Rechte von Homosexuellen stark gefährdet bis nicht vorhanden.[2][3] Auch Enthauptungen und Kreuzigungen werden noch vollzogen, Methoden, welche in der demokratischen Welt und auch in der westlichen Welt geächtet sind.[4] Mit dem Einkauf von Sportveranstaltungen im eigenen Land will man über diese Missstände hinwegtäuschen und schafft dafür gegebenenfalls Sondergenehmigungen für Sportveranstaltungen.

Der Begriff ist zwar relativ neu und wurde erstmals bei der Wahl Aserbaidschans als Gastgeber des Endspiels der UEFA Europa League 2018/19 populär, doch Kritik an kostspieligen Sportveranstaltungen, die das Image eines Staates verbessern sollen, dabei aber andere wichtige staatliche Aufgaben für die Bevölkerung vernachlässigen oder diese gar verdecken sollen, gibt es schon länger, zum Beispiel bei den Protesten in Brasilien 2013.

„Sie beabsichtigen, die Strahlkraft des Sports auf sich zu ziehen.“

Jürgen Mittag: Der Spiegel[1]

Beispiele (Veranstaltungen)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Olympische Spiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende Olympische Spiele können als Fälle von Sportswashing betrachtet werden, weil die diktatorischen oder autokratischen Gastgeber im Ausland einen positiven Eindruck von Globalisierung, Weltoffenheit, Freiheit oder Umweltschutz erwecken wollten oder wollen:

Dies ist auch entscheidend durch die Politik des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bedingt.

Fußball-Meisterschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnliche Fälle sind folgende Fußball-Weltmeisterschaften und Fußball-Europameisterschaften:

Dies ist auch entscheidend durch die Politik der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) bedingt.

Ein unklarer Fall ist die Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien nach der Franco-Diktatur. Es gilt nach entscheidenden Verfassungsänderungen seit 1978 als parlamentarische Monarchie (siehe Spanien – Geschichte).

Militärweltspiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das betrifft trotz ihres zweifelhaften Rufes auch die Militärweltspiele, die vom Conseil International du Sport Militaire (CISM) organisiert werden:

Motorsport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter anderem in der Formel 1 finden zunehmend viele Rennen in Diktaturen oder Autokratien statt.

Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Saudi-Arabien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Saudi-Arabien ist – ähnlich wie die Volksrepublik China und Russland – nach dem Demokratieindex von The Economist eine der schlimmsten Diktaturen der Welt.

Im Auftrag des autokratischen saudischen Regimes, das offiziell eine absolute Monarchie ist, werden seit Jahren Sportveranstaltungen systematisch aufgekauft, egal ob Fußball, Wrestling, Golf, Tennis oder Motorsport.[5][6] Alleine 2020 fanden dort zum Beispiel: die Rallye Dakar[1], der spanische Supercup[7] und der italienische Supercup statt. 2021 sollen die Formel-1-Rennen folgen.[8] Die Pläne dazu zogen scharfe Kritik nach sich.[1][7] 2022 gründete man mit Saudischen Geld die Golftour LIV Golf. Human Rights Gruppen bezeichneten dies als sportswashing.[9]

Saudi-Arabien hat seit Anfang 2021 mindestens 6,3 Milliarden US-Dollar für Sportgeschäfte ausgegeben. Seit 2021 haben sich mehrere europäische Profisportler und Profifußballer von saudischen Sportvereinen abwerben lassen, darunter Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, N’Golo Kanté und Steven Gerrard. Der argentinische Fußballstar Lionel Messi erhält von der saudi-arabischen Tourismusbehörde geschätzte 25 Millionen US-Dollar für seine Werbung (oder Sportpropaganda) für das Land, einschließlich der Beiträge über aufwendige Reisen in den sozialen Medien.[10] Auch der Profiboxer Tyson Fury und der Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Francis Ngannou sind in Geschäfte mit Saudi-Arabien verstrickt.[11]

Gegenüber Fox News erklärte der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman im September 2023, er kümmere sich nicht um die Vorwürfe des Sportswashing. Saudi-Arabien habe ein BIP-Wachstum von 1 % durch den Sport und strebe weitere 1,5 % an.[12]

Katar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Katar fanden 2019 die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt, obwohl die Umweltbedingungen des Wüstenstaates dagegen sprachen.[13] Trotz Marathon-Läufen in der Nacht kollabierten viele Läufer aufgrund der Hitze.[14]

“Gott bewahre, aber Menschen, die bei solchen Wetterbedingungen laufen, hätten sterben können.”

Haile Gebrselassie: Der Tagesspiegel[14]

Im November und Dezember des Jahres 2022 war Katar Veranstalter der Fußball-WM.[5]

Aserbaidschan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die britische Niederlassung von Amnesty International kritisiert die Wahl Aserbaidschans als Gastgeber des Endspiels der UEFA Europa League 2018/19 aufgrund seiner Menschenrechtsverletzungen und nannte die Ausrichtung des Finales „Sportswashing des Images“.[15]

Unternehmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch Unternehmen versuchen, ihren Namen mit großen Sportereignissen in Verbindung zu bringen. Ein Beispiel hierfür ist der Chemie-Konzern Ineos des britischen Brexit- und Fracking-Befürworters Jim Ratcliffe, welcher 2019 medienwirksam einen inoffiziellen Unter-2-Stunden-Marathon, die Ineos 1:59 Challenge, des Läufers Eliud Kipchoge im Wiener Prater sponsorte, um sich so laut der österreichischen Tageszeitung Der Standard eine Imagepolitur zu verpassen.[16]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Benjamin Knaack: Waschgang in der Wüste. In: Der Spiegel. 5. Januar 2020, abgerufen am 20. Januar 2019.
  2. 10 DINGE, DIE DU ÜBER MENSCHENRECHTE IN SAUDI-ARABIEN WISSEN SOLLTEST. In: Amnesty International. 30. Juli 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  3. Christoph Sydow: Kein Königreich für eine Frau. In: Der Spiegel. 7. März 2019, abgerufen am 20. Januar 2019.
  4. Saudi-Arabien richtet 37 Menschen hin: 36 Enthauptungen, eine Kreuzigung. In: Focus Online. 24. April 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  5. a b Der saudische Traum von der Fußball-WM. In: derstandard.de. 12. Mai 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  6. Ersatzreligion. In: sueddeutsche.de. 6. Dezember 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  7. a b Supercup Spanien: Austragungsort Saudi-Arabien. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 20. Januar 2020.
  8. Saudi Arabia and Formula One discussing F1 race. In: reuters.com. 6. August 2019, abgerufen am 20. Januar 2020 (englisch).
  9. LIV Golf shines spotlight on 'sportswashing' – the nascent term for an age-old strategy. In: USA Today. Abgerufen am 10. Juni 2022.
  10. Ruth Michaelson: Revealed: Saudi Arabia’s $6bn spend on ‘sportswashing’. In: The Guardian. 26. Juli 2023, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 24. August 2023]).
  11. Timur Tinç: Saudi-Arabien: Das Sportswashing funktioniert. Frankfurter Rundschau, 30. Juli 2023, abgerufen am 24. August 2023.
  12. 'I don't care about sportswashing'. In: BBC Sport. (bbc.com [abgerufen am 24. September 2023]).
  13. Christoph Sydow: Versuchskaninchen im Namen des Kommerzes. In: Der Spiegel. 28. März 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  14. a b Christoph Dach: Leichtathletik-WM 2019 in Katar : Die Lehre aus der großen Leere. In: tagesspiegel.de. 4. Oktober 2019, abgerufen am 20. Januar 2020.
  15. Amnesty: don’t let Azerbaijan hide human rights abuses behind football. In: theguardian.com. 22. Mai 2019, abgerufen am 20. Januar 2020 (englisch).
  16. Fritz Neumann: Was von Eliud Kipchoges 1:59:40 geblieben ist. In: derstandard.at. 13. Oktober 2020, abgerufen am 13. Oktober 2020.