Stanislaus Jolles

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Stanislaus Jolles (* 25. Juli 1857 in Berlin; † 14. Februar 1942 ebenda) war ein deutscher Mathematiker und Hochschullehrer an der Technischen Hochschule Berlin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stanislaus Jolles studierte Mathematik an den Universitäten in Dresden, Breslau und Straßburg. In Dresden wurde er Mitglied des Corps Marcomannia.[1] In Straßburg wurde er 1882 promoviert.[2] Anschließend habilitierte Jolles sich 1886 an der Technischen Hochschule Aachen und war dort als Privatdozent tätig, bevor er 1893 einem Ruf nach Charlottenburg folgte.

An der Königlich Technischen Hochschule Charlottenburg, ab 1919 Technische Hochschule zu Berlin, war Jolles erst Privatdozent und ab dem 8. April 1896 Dozent, bevor er am 1. Oktober 1907 die ordentliche Professur für Darstellende Geometrie von Hugo Hertzer (1831–1908) übernahm. Im Studienjahr 1913/1914 war Jolles Dekan der Abteilung VI für Allgemeine Wissenschaften, insbesondere für Mathematik und Naturwissenschaften der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin. Am 30. September 1925 ging Jolles in den Ruhestand und seine Professur übernahm zum 1. Oktober 1925 Gerhard Hessenberg, der aber bereits am 16. November desselben Jahres verstarb. Erst zum 1. Oktober 1927 wurde die Professur erneut mit Erich Salkowski besetzt.

Jolles war Mitglied der Berliner Mathematischen Gesellschaft und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Am 18. Januar 1908 wurde Jolles zum Mitglied der Deutschen Akademien der Naturforscher Leopoldina gewählt[3] und wurde im Juli 1927 zum Ehrenbürger der Technischen Hochschule zu Berlin ernannt.

Während seiner Zeit in Berlin wohnte Ludwig Wittgenstein bei Stanislaus Jolles und seiner Frau Adele und blieb auch nach seiner Zeit in Berlin mit den beiden in Kontakt. Von diesem Briefwechsel sind 58 Stücke erhalten, wobei nur ein Brief von Wittgenstein geschrieben ist. Diese wurden 2001 von Anton Unterkircher unter dem Titel „Schokoladenbriefe“ herausgegeben, da die meisten davon Feldpostkarten sind, in denen es um Sendungen von Essenspaketen geht.[4]

Scheinbar wollte Stanislaus Jolles auch aus dem von Nationalsozialisten beherrschten Deutschland emigrieren. In den Flüchtlingsakten der Oswald Veblen Papers findet sich ein Eintrag von Hermann Weyl aus dem Jahr 1938: „Letzter Überlebender der Tradition der ‚synthetischen Geometrie‘ … Er fragt, ob es einen Zufluchtsort in Amerika für alte Leute wie ihn gibt, um ruhig zu sterben. Frau könnte Unterricht in Französisch und Deutsch geben.“[5]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Raumkurven IV. Ordnung II. Spezies synthetisch behandelt. Straßburg 1883 (Dissertation).
  • Die Theorie der Osculanten und das Sehnensystem der Raumcurve IV. Ordnung II. Species. Ein Beitrag zur Theorie der rationalen Ebenenbüschel. J. A. Mayer, Aachen 1886 (Habilitation).

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jolles (Stanislaus). In: Annuario Biografico del Circolo Matematico di Palermo. Società Internazionale fondata da G. B. Guccia. Palermo 1914, S. 80.
  • Wilhelm Lorey: Das Studium der Mathematik an den deutschen Universitäten seit Anfang des 19. Jahrhunderts (= Felix Klein [Hrsg.]: Abhandlungen über den mathematischen Unterricht in Deutschland. Band III, Heft 9). B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1916, S. 339.
  • Prof. Dr. phil. Geheimer Regierungsrat Stanislaus Jolles. In: Catalogus Professorum – Professorinnen & Professoren der TU Berlin und ihrer Vorgänger. Abgerufen am 12. April 2017.
  • Wittgensteins Beziehung zu Stanislaus und Adele Jolles. 1906–1939. In: Wilhelm Baum (Hrsg.): Geheime Tagebücher. 1914–1916. Turia & Kant, Wien 1992, S. 105–126.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Anschriftenliste des Weinheimer SC. Darmstadt 1928, S. 127.
  2. Stanislaus Jolles im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
  3. Albert Wangerin (Hrsg.): Leopoldina. Amtliches Organ der Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. 44. Heft. In Kommission bei Wilh. Engelmann in Leipzig, Halle 1908, S. 2 (biodiversitylibrary.org).
  4. Anton Unterkircher (Hrsg.): Schokoladenbriefe. Die Briefe von Stanislaus und Adele Jolles an Ludwig Wittgenstein. InteLex, Charlottesville/Virginia 2001 (Internetpublikation).
  5. Reinhard Siegmund-Schultze: Mathematicians Fleeing from Nazi Germany. Individual Fates and Global Impact. Princeton University Press, Princeton 2009, ISBN 978-0-691-12593-0, S. 91 (englisch): “Last survivor of the tradition of ‘synthetic geometry’ … He asks whether there is a haven in America for old people like him to die quietly. Wife could give lessons in French and German.”

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]